Was die Schweizer Bevölkerung an ihrem Wald schätzt

Totholz im Wald stört die Leute heute weniger als früher. Dies ist eines der Ergebnisse von WaMos 3, einer grossen nationalen Umfrage darüber, wie die Öffentlichkeit die Waldgebiete wahrnimmt.

Interview: Mike Sommer

© Gabriele Carraro/Dionea AG/BAFU

Was denken die Schweizerinnen und Schweizer über die Wälder in der Schweiz? Um dies herauszufinden, führt das BAFU regelmässig eine Umfrage in der Bevölkerung durch. So kann es verfolgen, wie sich die Wahrnehmung des Waldes im Laufe der Zeit verändert. Die Ergebnisse des dritten «Waldmonitoring soziokulturell» (WaMos 3, siehe Infobox) liefern wertvolle Informationen, die in der nationalen Integralen Wald- und Holzstrategie berücksichtigt werden sollen. Dies sagt Clémence Dirac von der Sektion Waldleistungen und Waldpflege des BAFU.

Die WaMos-Umfrage ermöglicht es dem Bund, die Beziehung zwischen der Bevölkerung und dem Wald zu analysieren. Warum ist das wichtig?

Clémence Dirac: Der Bund und die Kantone möchten wissen, was die Bevölkerung über Wälder, Waldbewirtschaftung und bestimmte Massnahmen der Waldpolitik denkt. WaMos 3 hat beispielsweise bestätigt, dass eine grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer nach wie vor hinter dem Rodungsverbot steht. Oder dass Mischwälder weitaus beliebter sind, als wenn es im Wald fast nur Nadelbäume hat. Bei der Weiterentwicklung der neuen Integralen Wald- und Holzstrategie 2050 will der Bund diese Erkenntnisse so weit wie möglich einfliessen lassen. Die Resultate können aber auch für Forschende interessant sein oder für die holzverarbeitende Industrie. WaMos 3 lieferte neue Erkenntnisse über den Bekanntheitsgrad von Labels wie FSC und «Schweizer Holz» und über deren Bedeutung für die Konsumentinnen und Konsumenten.

Die Förderung der Biodiversität wird bei der Waldbewirtschaftung immer wichtiger. Werten Sie die Beliebtheit von Mischwäldern demnach als Zustimmung zur Schweizer Waldpolitik?

Durchaus. Hinweise dazu erhalten wir etwa beim Thema Totholz. Vermodernde Bäume und liegen gelassene Äste stören die Öffentlichkeit seltener als früher. Der herausgeputzte Musterwald von einst verliert an Bedeutung. Dafür wird der Mischwald, ein Wald mit vielen Sträuchern, Büschen und Jungbäumen, und eben mit Totholz, beliebter. Die Botschaft des BAFU über die Wichtigkeit multifunktionaler Wälder wird gehört und verstanden. Wälder mit abwechs­lungsreichen Strukturen und grosser Artenvielfalt können am ehesten alle wichtigen Waldfunktionen wahrnehmen – also vor Naturgefahren schützen, Holz produzieren, die Biodiversität sicherstellen und Erholungsraum bieten. Sie werden sich auch besser dem Klimawandel anpassen.

Heute sind die Gründe, warum Menschen in den Wald gehen, vielfältiger als früher. Einige suchen Ruhe, andere treiben Sport.
© Stephan Torre/Keystone

Ob Pilzsammler, Jägerinnen, Hundehalter, Joggerinnen oder Biker – der Wald scheint als Freizeitort immer beliebter zu werden.

Die Erhebungen im Rahmen von WaMos 3 zeigen, dass die Leute nicht unbedingt häufiger in den Wald gehen. Aber der Anteil der Menschen, die nie in den Wald gehen, war noch nie so gering. Der Wald ist ein beliebter Ort für neu ausgeübte Aktivitäten. Es gibt heute mehr und unterschiedliche Motivationen, um in den Wald zu gehen. Einige suchen Ruhe, andere treiben Sport, wieder andere feiern ein Fest. Die Ergebnisse von WaMos 3 legen diese Diversität an Aktivitäten und Motiven dar.

WaMos thematisiert auch die Kosten des Waldes und die Subventionen. Darf der Wald etwas kosten?

Die Ausgaben zur Aufrechterhaltung der Schutzfunktion des Waldes und zur Beseitigung von Waldschäden werden heute viel besser akzeptiert als 2010. Aber nur wenige finden, dass man öffentliche Gelder zugunsten der Erholungsfunktion des Waldes verwenden soll. Hier braucht es vielleicht noch Aufklärungsarbeit.

Macht WaMos also auch Wissenslücken sichtbar?

Die Erhebung hat gezeigt, dass relativ viele glauben, der Wald gehöre der Allgemeinheit. Sie wissen nicht, dass er zu 30 Prozent privates Eigentum ist. Zudem glauben 40 Prozent, dass die Waldfläche gesamtschweizerisch abnimmt, dabei ist das Gegenteil der Fall. Ein Grund dafür ist vielleicht, weil man viel vom weltweiten Rückgang der Wälder hört und liest und das auf die Schweiz überträgt. Eine Erklärung könnte auch sein, dass die Waldfläche im Mittelland ja tatsächlich minimal zurückgeht, was für viele Leute sichtbarer ist als die starke Zunahme des Waldes in den Bergregionen.

Was denkt die Schweizer Bevölkerung über ihren Wald?

Die nationale Umfrage «Waldmonitoring soziokulturell» WaMos 3 wurde Anfang 2020 im Auftrag des BAFU durchgeführt. Zusammen mit der ersten Erhebung im Jahr 1978 war dies die vierte Studie, die die Beziehung der Schweizer Bevölkerung zum Wald untersuchte. Beteiligt an WaMos 3 waren die für die nationale Umfrage federführende Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) sowie weitere Forschungs- und Bildungsinstitutionen. Dazu gehören die Ostschweizer Fachhochschule (OST), die Haute école du paysage, d’ingénierie et d’architecture de Genève (HEPIA) und die Universität Lausanne.

Zum ersten Mal wurden die Informationen online erhoben. Befragt wurden 3116 Erwachsene und 156 Jugendliche in allen Sprachregionen. 10 Kantone entschieden sich dafür, auf eigene Kosten eine Erhebung mit erweiterten Bevölkerungsstichproben durchzuführen. Die Bevölkerungsumfrage wurde durch einen Fragebogen an 150 Personen in jedem der vier Wälder (Fallstudie Erholung), eine Literaturrecherche und eine Befragung von Fachleuten ergänzt. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Politikanalyse werden die Erkenntnisse aus WaMos 3 dazu dienen, Empfehlungen für die künftige Integrale Wald- und Holzstrategie abzugeben.

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Letzte Änderung 28.09.2022

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