Dank zirkulären Geschäftsmodellen können Unternehmen Ressourcen schonen und Abfälle reduzieren. Von der Sensibilisierung bis zur Rentabilität: Pionier-KMU geben ihre Erfahrungen weiter.
Text: Audrey Magat
Entnehmen, herstellen, konsumieren und wegwerfen – dieser Logik folgt die lineare Wirtschaft. «Ziel ist, Unternehmen den Weg in Richtung Kreislaufwirtschaft aufzuzeigen, damit sie ihren Ressourcenverbrauch senken und weniger Abfälle produzieren», erklärt Anja Siffert, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim BAFU. Rund zehn Prozent der Schweizer Unternehmen setzen heute auf diese Wirtschaftsweise, die einerseits umweltfreundlich ist und andererseits einen wirtschaftlichen Vorteil wie einen Beitrag zur Stromversorgungssicherheit bietet. Das Modell hat also erst wenig Verbreitung gefunden, insbesondere nicht bei den KMU (Unternehmen bis 250 Beschäftigte), die gemäss Bundesamt für Statistik immerhin 99 Prozent der hiesigen Unternehmen ausmachen.
Um zu verstehen, wie Unternehmen mit zirkulären Geschäftsmodellen funktionieren, wurde der «Think and Do Tank» sanu durabilitas vom BAFU und vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) mit der Durchführung einer Studie beauftragt (siehe Box). «Die Erfahrungsberichte dieser Pionier-KMU der Kreislaufwirtschaft zeigen ihre Beweggründe, aber auch die Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert waren. Diese Erkenntnisse dienen als Inspiration für Unternehmen, die sich in der Startphase eines zirkulären Geschäftsmodells befinden oder bereit sind, ihre Produktionsweisen zu überdenken», sagt Anja Siffert.
Langfristig rentabel
Einige Unternehmen setzen die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft schon lange um. Ein Beispiel ist das Familien-KMU Burri in Zürich: Das 1902 gegründete Unternehmen mit 100 Mitarbeitenden stellt Mobiliar für den öffentlichen Raum her, zum Beispiel Bänke, Leuchtensysteme oder Wegweiser. Sein Credo: handwerklich und aus lokalen und nachhaltig produzierten Materialien gefertigte Erzeugnisse mit einer langen Lebensdauer. «Auf Langlebigkeit und Reparierbarkeit der Produkte – indem statt Leim Schrauben verwendet werden, damit sie leichter wieder zusammengesetzt werden können –, wird im Unternehmen schon seit Generationen Wert gelegt», sagt der Verkaufsverantwortliche Andreas von Euw. «Kreislaufwirtschaft-Zertifikate, die uns heute verliehen werden, nehmen wir gerne an, aber unsere Praxis hat sich gegenüber früher nicht verändert.»
Das Unternehmen verwendet Holz aus Schweizer Wäldern. «Dafür hat es sich in den 1960er-Jahren trotz des damaligen Trends zu Tropenholz entschieden.» Die Produktionskosten sind deshalb höher. «Es ist eine Investition. Vielleicht kostet unser Stadtmobiliar mehr, aber es überdauert Jahrzehnte, während billigere Produkte der Witterung weniger gut standhalten. Sie müssen daher häufiger ersetzt werden, was sich langfristig nicht lohnt.»
Die Kreislaufwirtschaft bedeutet auch ein Umdenken in Sachen Preis. «Anders als bei neuen Erzeugnissen sind bei Produkten aus der Kreislaufwirtschaft die externen Kosten im Endpreis besser miteingerechnet», sagt Ueli Ramseier, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim SECO. «Alle Produkte sollten zu ihren Gesamtkosten verkauft werden. Die Bevölkerung ist immer mehr bereit, den fairen Preis zu bezahlen.»
Gewohnheiten ändern
Ob Bohrmaschine, Rasenmäher, Drohne oder sogar Auto – viele Gegenstände bleiben häufig unbenutzt. Das Unternehmen Sharely hat das Ziel, dass Privatpersonen solche Gegenstände über seine Plattform mieten und vermieten. «Wir wollen eine Sharing Economy fördern», sagt Ivo Kuhn, Co-CEO von Sharely. «Bisher galt in der Gesellschaft der materialistische Gedanke, dass jeder Gegenstand gekauft werden sollte. Aber dieser Konsum ist nicht zwingend. Es ist kostengünstiger, platzsparender und nachhaltiger, punktuell Objekte zu mieten, die nur selten gebraucht werden.» Jedes Produkt ist versichert. So werden eventuelle Reparaturkosten oder der Ersatzwert übernommen, wenn es während der Miete beschädigt wird. «Die Vermieterinnen oder Vermieter legen ihren Preis fest. Hinzu kommt unsere Kommission von 20 Prozent und der Betrag der Versicherung.» Das gemietete Objekt kann abgeholt oder per Post zugeschickt werden. Das 2013 gegründete Zürcher Unternehmen zählt heute vier Angestellte und zahlreiche Selbstständige. Es hat 75 000 Mitglieder und rund 10 000 Vermieterinnen und Vermieter. «Die Mehrheit unserer Nutzerinnen und Nutzer ist heute in der Region Zürich, aber wir wollen in der ganzen Schweiz präsent sein.» Die Plattform ist vor allem für urbane Zentren gedacht und bietet 30 000 Mietobjekte. «Die Schweizerinnen und Schweizer sind bereit, einen Paradigmenwechsel ins Auge zu fassen: Zugang statt Besitz. Aber die Methode muss praktisch und geografisch geeignet sein. Grössere Distanzen halten die Nutzerinnen und Nutzer eher ab.»
Aus Sicht des SECO werden die Unternehmen durch die Vereinfachung der Prozesse wettbewerbsfähig. Bei gleichem Angebot werden sich die Kundinnen und Kunden künftig vermehrt für das umweltfreundlichste entscheiden. In den kommenden Jahren werde die Aufnahme von Elementen der Kreislaufwirtschaft in das Geschäftsmodell für die KMU zu einem wichtigen Erfolgsfaktor.
Anreize für die Umstellung schaffen2nd Peak ist der erste Secondhand-Shop für Outdoor-Bekleidung in der Schweiz. Das 2020 von Isa Schindler gegründete Unternehmen hat Läden in Zürich und Bern und verkauft seine Artikel auch online. Es kauft gebrauchte Sportkleider wie Wanderjacken und Schuhe, aber auch Ausrüstung von Privatpersonen. Diese erhalten 25 Prozent des Secondhand-Verkaufspreises.
Mit einem Jahresumsatz von rund 800 000 Franken werden die Kosten nur knapp amortisiert. Grund dafür sind die hohen Fixkosten, vor allem für das Personal (zwölf Mitarbeitende beziehungsweise vier Vollzeitäquivalente). «Wir brauchen ein grösseres Team als ein traditionelles Geschäft, da wir die Kleidungsstücke einzeln und nicht in hohen Mengen einkaufen. Diese Sorgfalt bedeutet, dass wir ständig Mitarbeitende haben, die Kleider kaufen, verkaufen, sortieren, etikettieren, waschen und reparieren. Im Verhältnis zur Grösse unseres Geschäfts bezahlen wir deshalb viele Löhne.» Entscheidend ist auch die Standortfrage. «Kleine Geschäfte haben es in der Innenstadt schwer. Alle strategischen Standorte sind von grossen Fast-Fashion-Ketten besetzt, was auch die Mieten steigen lässt.»
Aus Sicht von Isa Schindler sollten die Secondhand-Unternehmen so lange staatlich unterstützt werden, bis sich zirkuläre Geschäftsmodelle im Wirtschaftssystem etabliert haben und von der breiten Öffentlichkeit akzeptiert sind. «Nachhaltiger Konsum wird zu einer Haltung, zu etwas, auf das man stolz ist. Aber den Unternehmen muss bei den anfallenden Kosten unter die Arme gegriffen werden.»
Unterstützung fordern die KMU auch bei der Bewusstseinsbildung in der breiten Öffentlichkeit. «Wir sind nicht allein dafür verantwortlich, Teilen als Lebensstil zu fördern. Wir bieten nur eine Lösung an», sagt Ivo Kuhn von Sharely. «Die Politik müsste sich dieser Frage annehmen und anfangen, die Sharing Economy zu unterstützen.»
Die Öko-Nische verlassen Johanna Huber, Projektleiterin und Co-Autorin der Studie von sanu durabilitas, weist darauf hin, dass die KMU heute die Kosten für die Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft – beispielsweise für den Aufbau der Logistik und die Sensibilisierung der Verbraucherinnen und Verbraucher – praktisch alleine tragen müssen. «Es besteht ein grosser Bedarf an Koordination unter den Akteuren, damit die Wertschöpfungsketten zirkulär gestaltet werden können.» Dieses Ziel verfolgt auch die Neue Regionalpolitik des SECO. «Ein Holzereiunternehmen beispielsweise könnte sich mit einem Schreiner und einer Holzabfall-Recyclingfirma zusammentun», sagt Ueli Ramseier. «Gemeinsam können sie ein regionales zirkuläres Ökosystem bilden. Die Studienergebnisse haben es deutlich gezeigt. Die grössten Hemmnisse sind nicht fehlende gesetzliche Grundlagen oder eine zu geringe Investitionsbereitschaft. Es sind vielmehr strukturelle Hürden wie der Fachkräftemangel oder psychologische Barrieren wie der Widerstand gegen Veränderungen.»
Politisch schafft die im März 2024 verabschiedete und aus einer parlamentarischen Initiative hervorgegangene Revision des Umweltschutzgesetzes (USG) neue Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern, die stärker auf ein zirkuläres Geschäftsmodell setzen wollen. In der Europäischen Union gibt es verschiedene Rechtsetzungsprojekte. «Die Schweiz wird auch durch die Veränderungen im europäischen Markt infolge der EU-Regulierungen beeinflusst, denn in die EU gehen die meisten Exporte des Landes», sagt Johanna Huber. «Einige Mitgliedsländer haben sogar Wiederverwendungsquoten für Verpackungen festgelegt. Die Schweiz sollte sich davon inspirieren lassen.»
Die Plattform für Regionalentwicklung in der Schweiz:
Erfahrungsberichte von Pionierunternehmen
Bei den für die Studie von sanu durabilitas ausgewählten 15 Pionierunternehmen handelte es sich um KMU (bis 250 Mitarbeitende) mit einem gewissen wirtschaftlichen Erfolg. «Zudem wurde in der Studie auf fünf Sektoren fokussiert: Bau und Wohnen, Nahrungsmittel (Produktion, Detailhandel und Gastgewerbe), private Mobilität, Bekleidung und Textilien sowie Elektronik», sagt Johanna Huber, Leiterin der Studie bei der Stiftung sanu durabilitas, die neun Mitarbeitende zählt und 2012 in Biel gegründet wurde. «Die Studie konzentriert sich auf die inneren Loops oder kurzen Kreisläufe, also auf das Design für Langlebigkeit, Wiederaufbereiten, Wiederverwenden sowie Teilen oder Vermieten.»
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Letzte Änderung 25.09.2024