Materialkreisläufe schliessen: «Augen auf beim Recycling»

Recycling ist in der Schweiz eine Erfolgsgeschichte: Nirgendwo sonst wird so fleissig gesammelt, getrennt und wiederverwertet. Doch ist Recycling immer sinnvoll? Es lohnt sich, genau hinzuschauen.

Text: Peter Bader

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© Emanuel Ammon/Ex-Press/BAFU

In kaum einem anderen Land auf der Welt fällt gemessen an der Wohnbevölkerung so viel Abfall an wie in der Schweiz. Fast 90 Millionen Tonnen sind es pro Jahr. 74 Millionen Tonnen bestehen aus unverschmutzten Aushub- und Ausbruchmaterialien sowie Rückbaumaterialien von Baustellen. Aufgrund des hohen Lebensstandards verzeichnet die Schweiz mit rund 6 Millionen Tonnen auch eine beträchtliche Menge an Siedlungsabfällen: Herr und Frau Schweizer produzieren jährlich etwas mehr als 700 Kilogramm Abfall. Doch es gibt eine gute Nachricht: Auch beim Recycling ist die Schweiz spitze. Knapp 53 Prozent der Siedlungsabfälle werden rezykliert. Pro Jahr sammelt hierzulande jede Person im Schnitt etwa 50 leere Getränke-Glasflaschen und 100 PET-Flaschen sowie 400 Zeitungen.

Hochwertige Sekundärrohstoffe

Bernhard Hammer von der Abteilung Abfall und Rohstoffe im BAFU gibt trotzdem zu bedenken, dass wir «vor allem Abfall vermeiden müssen». Kommt dazu, dass für ein sinnvolles Recycling verschiedene Kriterien gelten. Unter anderem ist es wichtig, den Abfall strikt zu trennen, zudem müssen die gewonnenen Sekundärrohstoffe qualitativ hochwertig sein. Und nicht zu vergessen: Sie sollen sich auch verkaufen lassen. Bernhard Hammer hält fest: «Wir müssen im Sinn der Kreislaufwirtschaft anstreben, dass Sekundärrohstoffe den gleichen Stellenwert erhalten wie Primärrohstoffe.» Zu den Vorzeigebeispielen einer solchen Wiederverwertung gehört das Recycling von Glas, PET oder Papier. Glas ist für das Recycling wie geschaffen: Es ist technisch möglich, eine neue Flasche ohne Qualitätseinbussen aus Altglas herzustellen. In der Schweiz wurden deshalb im Jahr 2017 von den 302 954 Tonnen verbrauchter Glasflaschen 285 063 Tonnen wiederverwertet.

Recycling schont das Klima

Hierzulande werden jährlich 1,2 Millionen Tonnen Papier hergestellt. 90 Prozent der dazu benötigten Faserstoffe werden durch die Wiederverwertung von Altpapier gewonnen – unter anderem mit positiven Folgen fürs Klima. Das Recycling von Altpapier und Karton schont nämlich nicht nur den Rohstoff Holz, sondern spart auch Wasser und Bodenfläche und verbraucht bis zu 60 Prozent weniger Energie. Auch PET-Recycling anstelle von PET-Neuproduktion entlastet die Umwelt massgeblich, indem Treibhausgase vermieden werden und Energie eingespart wird. Rezykliertes PET wird für die Herstellung von Getränkeflaschen verwendet.

Beim Recyclingprozess von Weissblech werden die beiden Metalle Eisen und Zinn voneinander getrennt. Das entzinnte und aufbereitete Eisen ist mit dem Ausgangsmaterial gleichwertig – und da die Schweiz über keine eigenen Eisenerzvorkommen verfügt, ist der hochwertige Wertstoff gefragt. Ebenfalls positiv: Der Energieverbrauch sinkt gegenüber der Neuproduktion um 60 Prozent, und die Luftbelastung wird um 30 Prozent reduziert.

Auch das Recycling von Aluminium ist gut fürs Klima und schont die Ressourcen. Im Vergleich zur Erstherstellung werden bei der Wiederaufbereitung pro Kilogramm Aluminium 9 Kilogramm CO2 und bis zu 95 Prozent Energie eingespart. Zudem lässt es sich beliebig oft ohne Qualitätseinbussen rezyklieren.

Nur verwertbare Kunststoffe

«Grundsätzlich ist ein Recycling von Materialien dem Verbrennen in einer Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) vorzuziehen», sagt Bernhard Hammer vom BAFU. «Allerdings muss dafür der ökologische Nutzen in einem sinnvollen Verhältnis zum ökonomischen Aufwand stehen.» Zudem sei auch die Finanzierung des Recyclings sicherzustellen, denn dieses ist nicht immer selbsttragend. Es gebe deshalb Abfälle, deren Recycling differenziert betrieben werden müsse. Dazu gehört etwa Kunststoff, ein äusserst beliebter Werkstoff, da er viele gefragte und nützliche Eigenschaften vereint: Er ist leicht, gut formbar und nicht leitend. DEN Kunststoff gibt es allerdings nicht. Kunststoffe sind sehr heterogen und zudem mit verschiedensten Zusätzen versehen.

Aus diesem Grund lassen sich nicht alle Kunststoffe zu hochwertigen und marktfähigen Produkten wiederverwerten. «Grundsätzlich sollen in der Schweiz nur verwertbare Kunststofffraktionen separat gesammelt werden, wie PET oder PE (z.B. Milchflaschen)», hält Bernhard Hammer fest. «Denn daraus entstehen wieder hochwertige Produkte. Nicht stofflich verwertbare Kunststoffe sollen verbrannt und dabei thermisch genutzt werden, entweder in einer KVA oder in einem Zementwerk.»

Verschmutztes Grüngut

Auch bei der Verwertung von Garten- und Küchenabfällen lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Grundsätzlich ist die Grüngutsammlung sowohl ökologisch wie wirtschaftlich sinnvoll: Garten- und Küchenabfälle werden durch Kompostierung oder Vergärung in speziellen Anlagen in Kompost, Biogas und Gärgut umgewandelt. So können Nährstoffe wieder zurück in den Boden gebracht und Kreisläufe geschlossen werden. Allerdings gelangen oft Fremdstoffe in das Grüngut. Besonders Kunststoffe (Plastiksäcke oder Verpackungen) landen häufig fälschlicherweise in der Grünguttonne. Eine Studie des BAFU hat ergeben, dass sich bis zu 4 Prozent Fremdstoffe in Grüngutabfällen befinden. «Dies hängt oftmals mit mangelndem Wissen oder auch mit der Bequemlichkeit der Menschen zusammen», sagt Andreas Gössnitzer, Chef der Sektion Rohstoffkreisläufe im BAFU. «Bei manchen Lebensmittelverteilern werden zudem nicht verkaufte Früchte oder Gemüse mitsamt den Plastikverpackungen entsorgt.»

Dadurch wird der aus Grüngut hergestellte Kompost mit Plastikteilchen verunreinigt. Zudem bedingt das Sortieren zusätzlichen Aufwand, insbesondere beim Entfernen des Kunststoffs. Ein Geschäft mit geringer Wertschöpfung wie die Grüngutverwertung wird so schnell defizitär.

Digitale Grünguttonne

Darum gilt es, künftig stärker bei den Verursacherinnen und Verursachern anzusetzen. Derzeit untersucht das Institut für Biomasse und Ressourceneffizienz der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) im Auftrag des BAFU verschiedene technische Ansätze, um in Grüngutcontainern Plastik, Metalle und Steine erkennen zu können. Dazu liessen sich beispielsweise Scanner an den Sammelfahrzeugen anbringen. «Künftig könnten Gemeinden Massnahmen ergreifen, wenn Grüngutabfälle verunreinigt sind. Das reicht von gezielter Information der Bevölkerung über Preise für die Entsorgung, die je nach Qualität des Grünguts variieren, bis hin zu Bussen», sagt Andreas Gössnitzer.

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Letzte Änderung 04.12.2019

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