Ökodesign: «Beim Ökodesign ist die interdisziplinäre Arbeit entscheidend»

Werner Baumhakl, der Leiter des Instituts Industrial Design der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel, spricht im Interview über die Rolle von Designerinnen und Designern in der Kreislaufwirtschaft. Und er erklärt, weshalb Ökodesign eine Aufgabe der Firmen als eines Ganzen ist.

Interview: Kaspar Meuli

Dossier.Design
Werner Baumhakl studierte an der Technischen Universität München Architektur und an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd Industrial Design. Mit seinem «office industrial design» (oid) betreut er seit 2003 internationale Kunden. Er ist in diversen Designjurys tätig und war lange Vorstandsmitglied der Swiss Design Association. Seit 2005 ist er Leiter des Instituts Industrial Design der Hochschule für Gestaltung und Kunst der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Basel.
© Flurin Bertschinger | Ex-Press | BAFU

Ökodesign spielt in der Kreislaufwirtschaft eine zentrale Rolle. Was verstehen Sie darunter?

Werner Baumhakl: Ökodesign bedeutet für mich, dass man beim Entwurf eines Produkts und bei seiner Umsetzung die ökologischen Auswirkungen berücksichtigt. Möglichst des ganzen Produktesystems.

Wie gross ist dabei der Einfluss von Designerinnen und Designern?

Je früher das Design im Entwicklungsprozess einbezogen wird, desto grösser sein Einfluss. Wenn eine Firma einen Designer oder eine Designerin ganz am Schluss darum bittet, etwas hübsch zu machen, hat man aus ökologischer Sicht verloren. Es gibt Prinzipien, die sich bereits beim Entwurf berücksichtigen lassen. Aber es geht auch um den systemischen Teil, den wir nur indirekt beeinflussen können. Entwirft ein Designer zum Beispiel einen Föhn, der reparierbar und zerlegbar wäre, genügt das nicht, wenn der Hersteller nicht bereit ist, einen Reparaturservice anzubieten, oder wenn es keine Elektrogeschäfte mehr gibt, die Reparaturen ausführen.

Was können Designerinnen und Designer tatsächlich bewirken?

Wenn es darum geht, ein Produkt herzustellen, das insgesamt eine möglichst kleine ökologische Auswirkung hat, können Designer und Designerinnen einen sehr grossen Beitrag leisten. Sie sind es gewohnt, sich gleichzeitig mit vielen verschiedenen Fragen zu beschäftigen, sie können vernetzt denken, und sie verfügen über Methoden, um Informationen aus den unterschiedlichen Bereichen zusammenzuziehen – und diese dann auch verständlich rüberzubringen.

Was bringt das fürs Ökodesign?

Gerade in diesem Bereich ist die Zusammenarbeit über die Disziplinen hinweg entscheidend. Es gibt zum Beispiel einen sehr grossen deutschen Hersteller von Handwerksgeräten, der in seinen Entwicklungsabteilungen sogenannte Designlabs einrichtet. Dort arbeiten Designer, Ingenieurinnen und andere Fachexperten interdisziplinär zusammen. Von der ersten Produktidee an. Das war früher ganz anders, da gab es für ein Produkt ein Pflichtenheft, das lief durch alle Instanzen, und irgendwann war da auch das Design aufgeführt. Heute ist das in vielen Unternehmen anders – aber noch lange nicht in allen.

Wie offen ist die Industrie für die Anliegen des Ökodesigns?

Ich erlebe das als extrem unterschiedlich. Es gibt immer noch Produktentwicklungen, bei denen es keine Rolle spielt. Und es gibt Produkte, bei denen Ökodesign die Haltung eines Unternehmens widerspiegelt. Grundsätzlich liegt die Schweiz eher vorne, weil es in der Bevölkerung ein wachsendes Bewusstsein für solche Fragen gibt – der gesellschaftliche Druck ist sehr gross.

Was nützen gesetzliche Vorschriften? Die neuen Ökodesign-Verordnungen der EU schreiben vor, dass sich elektrische und elektronische Produkte reparieren lassen müssen. Die Hersteller sind verpflichtet, Ersatzteile zu liefern.

Von mir aus gesehen, geht das in die richtige Richtung. Wer nur darauf wartet, dass der Markt alles richtet, und glaubt, als mündige Konsumentinnen und Konsumenten hätten wir es in der Hand, Veränderungen zu bewirken, schätzt die Situation falsch ein. Wir haben ja weder die Möglichkeiten noch die Zeit dazu, alles zu überprüfen, was für ein ökologisches Produkt notwendig wäre. Es braucht deshalb klare gesetzliche Vorgaben, denn es geht bei der Einschätzung von ökologischen Auswirkungen immer um Vergleichbarkeit. Es ist an der Zeit, dass es beim Konsum zu Verhaltensänderungen kommt, auch da können gesetzliche Vorgaben eine wichtige Rolle spielen.

Wie vermitteln Sie den Studierenden die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft?

Wir versuchen, unsere Studentinnen und Studenten sehr anschaulich in Projekten an die Thematik heranzuführen. Dabei geht es einerseits um das Kennenlernen von Materialien und deren Umweltauswirkungen, andererseits zählt der bewusste Umgang mit diesen Stoffen. Darüber hinaus entwickeln unsere Studierenden selbst neue ökologische Materialien – wir haben beispielsweise eine Art Spanplatte aus gepresstem Laub entwickelt oder ein Material aus Kombucha-Pilzkulturen gezüchtet, das lederähnliche Eigenschaften hat. Die ökologische Effizienz zieht sich durch alle unsere Projekte und Unterrichtsmodule hindurch. Da spielen viele Faktoren eine Rolle: vom Materialeinsatz über die Modularität bis zur Verwendung von sortenreinen Materialien und zur Trennbarkeit.

Müssen junge Designerinnen und Designer heute also auch wissen, wie man eine Ökobilanz er­stellt?

Auf Masterstufe lernen unsere Studierenden diese Methode kennen und anwenden. Meist geht es in der Entwurfsphase aber darum, Abschätzungen zu ökologischen Auswirkungen anzustellen. Dazu gibt es Werkzeuge wie den Ecolizer oder das Eco Design Tool. Trotzdem ist das eine Herausforderung, da die Ergebnisse auf Annahmen beruhen. Eine umfassende Ökobilanz lässt sich erst erstellen, wenn alle tatsächlichen Produktionsfaktoren bekannt sind. Wir bewegen uns also auf dem Gebiet der Spekulation, müssen aber gegenüber dem Auftraggeber stichhaltig argumentieren können.

Die Kreislaufwirtschaft bedingt damit, dass im Wirtschaftsprozess Weichen richtig gestellt werden. Kommt dem Design da eine Schlüsselrolle zu?

Ja, davon bin ich überzeugt. Man darf Ökodesign aber nicht als alleinige Aufgabe von uns Designern und Designerinnen verstehen, es betrifft auch unsere Partner im Entwurfsprozess. Das Unternehmen ist als Ganzes gefragt – Ingenieurinnen, Marketingspezialisten, Vertrieb und die Geschäftsleitung müssen dahinterstehen. Firmen müssen bereit sein, Ökobilanzen zu erstellen und die Auswirkungen eines Produkts über dessen ganze Lebensdauer mit sogenannten Life Cycle Assessments zu analysieren. Man muss diese Fragen wirklich ernst nehmen und in die notwendigen Methoden und deren Umsetzung investieren. Nur so kommt hinterher eine glaubwürdige Sache raus.

Grünes Design

Was ist ein umweltfreundliches Produkt? Diese Frage ist ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung von Designerinnen und Designern am Institut Industrial Design in Basel. Ein solches Produkt sollte langlebig sein sowie reparierbar, material- und energieeffizient, problemstoffarm, kreislauffähig und möglichst abfallarm. Diverse Werkzeuge helfen bei der entsprechenden Gestaltung von Produkten: Mit Ecolizer oder Eco DesignTool können verschiedene Faktoren analysiert und verglichen werden.

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Letzte Änderung 04.12.2019

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