Naturgefahren: Warnen und Eigenverantwortung wecken

Die Kommunikation betreffend Naturgefahren und Extremereignisse hat sich in der Schweiz seit dem Hochwasser im Jahr 2005 grundlegend verändert. Heute kommen bei der Warnung von Behörden und Bevölkerung Internetplattformen und Apps für Smartphones zum Einsatz. Und das vorhandene Informationssystem wird immer perfekter.

Text: Cornélia Mühlberger de Preux

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Das Anfang Juli 2014 aufgeschaltete Naturgefahrenportal des Bundes stellt die aktuelle Situation für verschiedene Gefahren dar. Die Farbgebung lehnt sich an die Signalfarben der Ampeln an.
© MeteoSchweiz

Im August 2017 verwüstete ein Murgang das Dorf Bondo (GR). Anfang 2018 rüttelte Sturm Burglind die gesamte Schweiz durch. Und während der ganzen Wintersaison 2017/18 suchten Lawinen und Erdrutsche mehrere Alpentäler heim. Infolge des Klimawandels dürften derartige Phänomene in ihrer Häufigkeit und ihrem Ausmass zunehmen und Bevölkerung, Infrastrukturen und Gebäude gefährden. Der Schutz von Menschen und Gütern erweist sich demnach als wichtiger denn je.

«Diesbezüglich spielt die Kommunikation betreffend Gefahren und Massnahmen zum Schutz der eigenen Sicherheit eine entscheidende Rolle. Wir versuchen, das Interesse, das solche Ereignisse erregen, zugunsten der Information zu nutzen», erklärt Josef Eberli, Chef der Abteilung Gefahrenprävention beim BAFU. Die Arbeit trägt Früchte, denn dank frühzeitigen, präziseren und gezielteren Warnungen richteten Lawinen im Januar 2018 deutlich geringere Schäden an als in der Vergangenheit.

Lokale Behörden unverzichtbar

Im Ereignisfall gilt es, Behörden, Einsatzdienste und Bevölkerung gleichzeitig zu warnen. «Die Kommunikation muss sowohl horizontal als auch vertikal fliessen», bestätigt Josef Eberli. Mit anderen Worten: Die Verbindungsstellen in den Kantonen und Gemeinden sind unverzichtbar. Seit 2010 stellt der Bund lokalen Behörden sowie Anlagenbetreibern auf der Gemeinsamen Informationsplattform Naturgefahren (GIN) Messwerte und Übersichten zur Verfügung. Damit können die Verantwortlichen die Situation beurteilen und die erwarteten Entwicklungen aufnehmen, um die Bevölkerung zu informieren, sie vor Gefahren zu warnen und sie im Bedarfsfall gar zu evakuieren. «Wichtig ist, dass die Kette von den Massnahmen bis hin zu den Interventionen vor Ort funktioniert und dass insbesondere die Einsatzkräfte bei einem Ereignis die GIN-Informationen berücksichtigen. Die lokalen Naturgefahrenberaterinnen und -berater werden zu diesem Zweck auf Stabsebene ausgebildet», hebt Josef Eberli hervor.

Während vor einigen Jahren noch hauptsächlich Radio und Fernsehen die Bevölkerung vor Gefahren warnten, werden diese Medien heute durch Websites und verschiedene Applikationen (Apps) ergänzt. Mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung erfolgt die Kurzfristvorhersage der Wetterentwicklung praktisch minutengenau über einen Zeitraum von bis zu sechs Stunden. 

Niemanden vergessen – verständlich sein

«Eine Information zu verbreiten, reicht allerdings nicht aus. Sie muss auch gesehen, gelesen und verstanden werden», betont Barbora Neveršil, Informationsbeauftragte Naturgefahren beim BAFU. Im Rahmen des Lenkungsausschusses Intervention Naturgefahren (LAINAT) prüfen die Naturgefahrenfachstellen des Bundes, wie zum Beispiel auf dem Naturgefahrenportal visuelle Elemente – wie Piktogramme – die Verhaltenstipps bei Gefahren verständlicher machen können. Wichtig ist auch ein Angebot in den vier Landessprachen sowie in Englisch. Auch über die MeteoSchweiz-App lassen sich Informationen in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch abrufen. Und wie werden weitere anderssprachige Personen erreicht? «Hier zählen wir auf Multiplikatoren, Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen, Kinder, Eltern oder soziale Einrichtungen», fügt Barbora Neveršil hinzu. Zudem bietet das BAFU Broschüren an.

Josef Eberli appelliert überdies an die Eigenverantwortung: «Jede einzelne Person soll sich überlegen und sich darüber informieren, was in ihrem Umfeld passieren könnte, Vorkehrungen treffen, um ihre Nächsten samt Eigentum zu schützen. Häufig sind es einfache Dinge, die helfen, Schäden zu vermeiden oder zu begrenzen.»

Richtung «Info à la carte»

Barbora Neveršil und Josef Eberli fehlt es nicht an Ideen, um die Kommunikation in diesem Bereich noch zu optimieren. «Es geht darum, in den sozialen Netzwerken noch präsenter zu sein, noch mehr mit Bildern und Kurzvideos zu arbeiten», sagt sie, während er auf ein neues BABS-Projekt – die weiterentwickelte Alertswiss-App – verweist, die im Herbst lanciert wird. Alertswiss ergänzt das Sirenennetz: Mit der App kann die Bevölkerung künftig unmittelbar via Push-Nachricht sowie Geolokalisation alarmiert und über Verhaltensanweisungen der Behörden informiert werden.

Ein leistungsfähiges Dispositiv

Zwei Jahre nach den Überschwemmungen von 2005 hat der Bundesrat das Projekt OWARNA (Optimierung von Warnung und Alarmierung vor Naturgefahren) ins Leben gerufen. Daraus ging ein ambitionierter Massnahmenkatalog hervor: Verbesserung der Vorhersagemodelle, Ausbau der Datenbanken hinsichtlich Entwicklung sowohl der Wetterbedingungen wie des räumlichen und zeitlichen Abflussverlaufes, Erarbeitung der hydrologischen Vorhersagen für die wichtigen Fliessgewässer, Vereinheitlichung von Warnstufen und Gefahrenstufen, Optimierungen in den beiden Bereichen Lawinenprävention und Alarmierung bei extremen Wetterereignissen. Zusätzlich wurde der Personalbestand der betroffenen Fachstellen verstärkt, und im Jahr 2014 entstand für die Bevölkerung die Plattform naturgefahren.ch. MeteoSchweiz hat die Warnungen dieses Portals in ihre App aufgenommen und macht entsprechende Verhaltensempfehlungen.

Eine effiziente Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bundesämtern ist unabdingbar, wenn es um das angemessene Verhalten bei aussergewöhnlichen Naturereignissen und die dabei erforderliche Kommunikation geht. So haben innerhalb des Lenkungsausschusses Intervention Naturgefahren (LAINAT) folgende Bundesämter und Institutionen ihr Wissen und ihre Kompetenzen zusammengeführt: das BAFU und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS), das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz, die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) mit dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) sowie der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich. Das BAFU ist seinerseits zuständig für Warnungen vor Hochwasser und damit einhergehenden Rutschungen sowie vor Waldbränden. Das Amt unterstützt die Kantone in der Ausbildung der lokalen Naturgefahrenberaterinnen und -berater.

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Letzte Änderung 05.09.2018

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