Umweltbelastungspunkte-Methode: Gute Punkte für Ökobilanzen

Um verlässlich abschätzen zu können, in welchem Ausmass unterschiedliche Verkehrsmittel die Umwelt belasten, braucht es eine möglichst objektive Bewertungsmethode. Mit den Umweltbelastungspunkten (UBP) hat das BAFU eine umfassende Ökobilanz-Methode mitentwickelt, die nun in einer aktualisierten Ausgabe vorliegt.

Text: Markus Ahmadi

Oekobilanzen und nachhaltige Entwicklung

Welche Ernährung belastet die Umwelt am wenigsten? Bieten pflanzliche Treibstoffe aus Umweltsicht eine sinnvolle Alternative zu fossilen Kraftstoffen? Sind Elektroantriebe umweltschonender als Verbrennungsmotoren? Um solche Fragen zu beantworten, werden seit Ende der 1970er-Jahre Ökobilanzen entwickelt. In der Zwischenzeit haben sich die Methoden verfeinert und in Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit ihren festen Platz erobert, wenn es um die Einschätzung von Umweltwirkungen geht.

Damit Ökobilanzen verlässlich sind, braucht es zahlreiche Voraussetzungen. Zwei besonders wichtige Punkte sind qualitativ hochstehende Grundlagendaten und aussagekräftige Bewertungs­methoden. In beiden Bereichen engagiert sich das BAFU. Dies geschieht bei den Grundlagendaten beispielsweise im Rahmen der Aktualisierung von Datenbeständen wie denjenigen von der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) und des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) sowie bei den Ökobilanzdaten der internationalen Datenbank ecoinvent. Im Bereich der Bewertung ist das Amt an der Weiterentwicklung der Methode der ökologischen Knappheit beteiligt. Sie verwendet die Einheit Umweltbelastungspunkte (UBP), um die Umweltwirkung von Emissionen, Abfällen und Ressourcennutzungen zu gewichten. Deshalb wird sie kurz auch UBP-Methode genannt.

So helfen Ökobilanzen

Unternehmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen ziehen in vielen Fällen Ökobilanzen zur Entscheidungsfindung bei. Denn dadurch können sie Produkte, Prozesse, Betriebe und Standorte hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Umwelt umfassender beurteilen. Dies hilft bei Kaufentscheiden, im Umweltmanagement und bei der Sensibilisierung. Typische Anwendungen von Ökobilanzen sind:

  • Umweltbelastung von Prozessen und Produkten einschätzen und vergleichen;
  • Umweltrelevanz einer Tätigkeit, eines Prozesses oder eines Betriebs beurteilen;
  • Umweltmassnahmen im Vorher-Nachher-Vergleich bewerten;
  • die grösste Reduktion der Umweltbelastung pro investierten Franken eruieren.

Wie der Schweizer Franken

Mittels UBP lassen sich Umweltbelastungen zusammenzählen und vergleichen. Dies kann man sich ungefähr vorstellen wie die Berechnung der Herstellungskosten eines Produkts in Franken. Der Aufwand setzt sich etwa aus Rohstoffpreisen, Transport- und Lohnkosten sowie einer Amortisation der Produktionsstätte zusammen. Ähnlich lassen sich Umwelteinwirkungen – wie zum Beispiel der Verbrauch von Rohöl, Wasser und Kupfer sowie die Emissionen von Pflanzenschutzmitteln und Lärm – in UBP ausdrücken. Die UBP sind dabei eine von mehreren Möglichkeiten, unterschiedliche Umweltwirkungen zu beurteilen. Denn genauso, wie es weltweit verschiedene Währungen gibt, existieren für Ökobilanzen verschiedene Bewertungsmethoden mit ihren jeweiligen Masseinheiten.

Peter Gerber – Leiter des Fachbereichs Öko­bilanzen beim BAFU – empfiehlt, bei Studien mit Bezug zur Schweiz stets eine der Bewertungen im Rahmen von Ökobilanzen mit der UBP-Methode durchzuführen. «So, wie sie hierzulande eingesetzt wird, richtet sich die Methode nach den in unseren Gesetzen verankerten Umweltqualitätszielen und Grenzwerten», hält er fest. «Diese sind auch für die Auftraggebenden der relevante Bezugsrahmen.» Ein Bezug zur Schweiz ist gegeben, wenn es um Produkte für den Schweizer Markt geht, Entscheidungen aus Schweizer Perspektive unterstützt werden sollen oder inländische Unternehmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen ihren Umweltfussabdruck ermitteln. In der Schweizer Ökobilanzierung sind Umweltbelastungspunkte deshalb eine Referenzgrösse – wie es der Franken im Schweizer Alltag ebenfalls ist.

Neu auch Fischfang bewertet

Wie werden nun aus staatlichen Umweltvorgaben Umweltbelastungspunkte? Rolf Frischknecht, international anerkannter Experte für Ökobilanzen und Gesamtkoordinator der aktuellen Edition der UBP-Methode, erklärt es folgendermassen: «Die UBP-Methode gewichtet nach dem Prinzip Verhältnis zur tolerierten Zielmenge. Diese leitet sich aus den Umweltgesetzen oder aus nationalen wie auch internationalen umweltpolitischen Zielen ab.» Dabei kann es sich zum Beispiel um Grenzwerte für luftverunreinigende Stoffe handeln. So hat das Projektteam für jede Umwelteinwirkung – wie Schadstoffemissionen, Ressourcennutzung oder Abfälle – einen Ökofaktor ermittelt, der die UBP beispielsweise pro Kilogramm oder Megajoule
angibt. «Je grösser die heutigen Umwelteinwirkungen im Verhältnis zur tolerierten Zielmenge sind, desto höher fallen der Ökofaktor und damit auch die daraus resultierenden Umweltbelastungspunkte aus», erklärt Rolf Frischknecht.

Die vom untersuchten Objekt verursachten Umwelteinwirkungen mit den zugehörigen Ökofaktoren addieren die Fachleute zu einer Gesamtpunktzahl. Für jedes bewertete Objekt ergibt sich damit eine einzige Zahl, welche die Höhe seiner Umweltbelastung ausdrückt. Die Grafik veranschaulicht die Resultate einer solchen Ökobilanz von Verkehrsmitteln zum Personentransport. Mittels der UBP-Methode lässt sich auch transparent darstellen, wie sich die gesamte Umweltbelastung zusammensetzt. «Das ist ein weiterer bedeutender Vorteil in der Kommunikation», meint Peter Gerber.

Da sich sowohl die derzeitigen Emissionen als auch die Zielmengen ändern können, sind periodisch Aktualisierungen der UBP-Methode nötig. Zudem prüfen die Fachleute jeweils, ob die Methode neue Umwelteinwirkungen berücksichtigen soll. «Ob dies der Fall ist, hängt einerseits von der Relevanz der Umwelteinwirkung ab und andererseits davon, ob es für diese eine Möglichkeit zur Einschätzung der komplexen Auswirkungen auf die Umwelt gibt», erläutert Rolf Frischknecht. Zudem ist die UBP-Methode von den gesetzlichen Vorgaben abhängig. «Liefert die Gesetzgebung keine klaren Zielvorgaben, kann die UBP-Methode eine Umwelteinwirkung auch nicht bewerten. Dies ist heute unter anderem bei den Nanopartikeln der Fall», sagt Peter Gerber.

Die neueste Ausgabe der UBP-Methode enthält einige Neuerungen und Änderungen. Zum Beispiel erhalten Treibhausgase einen doppelt so hohen Ökofaktor wie bei der Edition 2013. Kohlendioxid, Methan und Lachgas bekommen folglich jeweils doppelt so viele Umweltbelastungspunkte. Dies hat zwei Gründe: Zum einen hat der Bundesrat 2019 beschlossen, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken, womit sich die tolerierte Zielmenge verringert. Zum anderen sind die tatsächlichen Emissionen seit der letzten Edition 2013 gestiegen. «Diese beiden gegenläufigen Tendenzen führen zu einer deutlich strengeren Bewertung», führt Rolf Frischknecht aus. Ähnliches gilt auch für Primärenergieträger und Pflanzenschutzmittel.

Neu berücksichtigt die UBP-Methode auch die Überfischung der Ozeane. Damit wird sie der Tatsache gerecht, dass 25 Prozent der kommerziell interessanten Fischbestände übernutzt sind und weitere 70 Prozent an der Grenze zu einer nicht nachhaltigen Nutzung stehen. Auch die grossen Mengen an Beifang sind ein Problem der industriellen Fischerei, die sich insgesamt schwerwiegend auf die Meeresökosysteme auswirkt. «Dank dem neuen Ökofaktor können wir nun zahlreiche Meeresfische aus Wildfang bewerten und auf diese Weise in einer Ökobilanz etwa Menüs mit Fisch, Fleisch und ohne tierische Produkte vergleichen», sagt Rolf Frischknecht.

Umfassende Bewertung

Die UBP-Methode bewertet eine breite Palette von Ressourcen, Emissionen und Abfällen, wobei die mit [neu]
bezeichneten Umwelteinwirkungen in den Ökofaktoren für die Schweiz erstmals miteinbezogen sind:

Ressourcen: Wasserressourcen, Energieressourcen, mineralische Primärressourcen, Landnutzung (Verlust an Biodiversität), marine Fischressourcen [neu];

Emissionen: Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan, ozonschichtabbauende Substanzen wie FCKW und Halone, Hauptluftschadstoffe und Partikel, krebserregende Stoffe und Schwermetalle in der Luft, wasserschädigende Sub­stanzen einschliesslich der hormonaktiven Stoffe, Schwermetalle im Wasser, persistente organische Stoffe im Wasser, Pestizide und Schwermetalle im Boden, radioaktive Substanzen in Luft und Wasser, Verkehrslärm, Plastik in Böden und Gewässern [neu];

Abfälle: nicht radioaktive, deponierte Abfälle, radioaktive Abfälle.

Umfassende Analyse

Die Beispiele zeigen, wo nebst der Aktualität der grosse Vorteil der UBP-Methode liegt: Sie berücksichtigt die Umweltbelastung umfassend – von Wasser- und Energieressourcen über Klimawandel und Luftschadstoffe bis hin zu Lärm und deponierten Abfällen. «Damit punktet die UBP-Methode in vielen Fällen gegenüber Bewertungsverfahren, die nur wenige Umweltwirkungsbereiche oder lediglich einen einzigen zum Massstab nehmen», erklärt Peter Gerber. Heute betrachten ja viele Studien oft einseitig die Treibhausgase und klammern damit alle anderen Umwelteinwirkungen aus.

Das Exempel der Treibstoffe verdeutlicht, welche Folgen diese unvollständige Bewertung haben kann. Betrachtet eine Studie lediglich den Ausstoss an Treibhausgasen, erscheinen oft die Treibstoffe aus pflanzlichen Rohstoffen als gute Wahl. Denn verglichen mit Erdöl, Erdgas oder Kohle geben sie in der Regel markant weniger wärmedämmende Gase an die Atmosphäre ab. Doch die Sache habe einen Haken, erklärt Peter Gerber: «Ein solcher Vergleich ist nicht umfassend und als Entscheidungsbasis deshalb ungeeignet.» Damit bleibt nämlich ausser Acht, dass pflanzliche Treibstoffe die Umwelt anderweitig belasten: Der Anbau und die Verarbeitung von Nutzpflanzen benötigen Boden, Energie und Wasser; oft kommt der Einsatz von Dünger und von Pflanzenschutzmitteln dazu. Die UBP-Methode berücksichtigt auch diese Umweltwirkungen – unter Einbezug der Verhältnisse in den Anbauregionen.

Umweltbelastungen beim Anbau von Tomaten

Die Auswertung einer Ökobilanz von Treibstoffen mit UBP ergibt denn auch ein differenziertes Bild. Demnach sind einzelne erneuerbare Treibstoffe – namentlich solche aus Algen oder Pflanzenabfällen – tatsächlich umweltfreundlicher als die fossilen Treibstoffe Benzin und Diesel. Jedoch existieren auch erneuerbare Treibstoffe, welche die Umwelt sogar noch stärker belasten als fossile, zum Beispiel solche aus Raps oder Getreide. «Dank der UBP-Methode entsteht ein verlässliches Gesamtbild der Umweltaspekte», folgert Peter Gerber.

Die in der Schweiz entwickelte UBP-Methode lässt sich auch auf andere Länder anwenden. So gibt es etwa für Deutschland, für die gesamte Europäische Union und für Japan eigene Ökofaktoren auf der Basis der jeweiligen gesetzlichen Grundlagen.

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Letzte Änderung 24.02.2022

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