Altlasten aus der Industrie: Die Sanierungen sind wichtig für die Natur

Ob Fabriken oder Wäschereien: So manche über Jahrzehnte hinweg betriebene Industriestandorte haben Unmengen an Schadstoffen hinterlassen. Zwar kann der Untergrund heute mit modernen Methoden saniert werden, doch häufig zieht sich der Prozess von den ersten Untersuchungen bis zum Abschluss der Arbeiten über viele Jahre hin. Wir stellen zwei herausfordernde Projekte vor.

Text: Julien Crevoisier

Die Birs Mebenfluss des Rheins
Die Birs, ein idyllischer Nebenfluss des Rheins, hier zu sehen bei Court im Berner Jura. Sie könnte durch chlorhaltige Lösungsmittel aus einer Uhrenfabrik in Moutier bedroht werden.
© Markus Bolliger | BAFU

Um die kleinen Metallteile für ihre Uhren zu entfetten, setzte die Uhrenfabrik Raaflaub in Moutier (BE) chlorhaltige Lösungsmittel ein – bis zur Schliessung der Fabrik im Jahr 1976. Die nicht mehr benötigten Lösungsmittel liess man einfach in den Untergrund versickern. Das ehemalige Industrieareal befindet sich mitten im heutigen Siedlungs­gebiet und enthält mehrere Kanalisations­leitungen. Heute nutzt die Heilsarmee das ehemalige Fabrikgebäude.

Da hier über Jahrzehnte hinweg chlorhaltige Lösungsmittel in den Untergrund gelangten, muss das Areal nun saniert werden. «Sonst könnten die Schadstoffe das Ober­flächenwasser beeinträchtigen», sagt Nicole Chollet Häusler, Co-Fachbereichsleiterin der Sektion Altlasten in der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern. «Wir haben bereits im Grundwasser, das unter dem alten Fabrikstandort in Richtung der Birs abfliesst, überdurchschnittlich hohe Konzentrationen gefunden.»

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Standort der Uhrenfabrik Raaflaub in Moutier

Altlasten durch saubere Wäsche

Szenenwechsel: Seit mehr als 35 Jahren ist die Wäscherei Caviezel schon geschlossen. Doch noch bis vor Kurzem war ihr ehemaliger Standort in Bellinzona mit dem stark krebs­erregenden Schadstoff Perchlorethylen (PER) belastet. Sechs Jahrzehnte lang war die Wäscherei in Betrieb, von 1927 bis 1988. Während dieser ganzen Zeit nutzte sie PER für die chemische Reinigung.
Als die SBB drei Jahre nach der Schliessung das Grundstück erwarben, wusste das Bahnunternehmen noch nicht, dass der Untergrund mit Schadstoffen belastet war. Erst 1999 stellte man chlorierte Kohlenwasserstoffe fest, zu denen auch das PER gehört. In der Folge untersuchte man das Areal zwischen 2003 und 2015 näher und fand hohe Mengen PER.

Künftig soll die Verlängerung des durchgehenden dritten Gleises zwischen Giubiasco und Bellinzona über diese Parzelle führen. Gleich­zeitig soll hier die neue Haltestelle Piazza Indipendenza entstehen und damit ein zweiter Bahnanschluss für Bellinzona in der Nähe des Stadt­zentrums. 

Die Sanierungsarbeiten auf dem Gelände (siehe Box) liefen von 2020 bis 2023. Für die Behörden des Kantons Tessin war das Vorhaben ein Erfolg. «Die Kosten konnten im Griff gehalten werden und sollten die budgetierten sechs Millionen Franken nicht überschreiten», freut sich Simone Regazzi, der für das Dossier Zuständige in der Tessiner Abteilung für Umwelt. Zwar haben die SBB bereits Gelder vorgestreckt, doch die Schlussrechnung wird zum grössten Teil vom Bundesamt für Verkehr und vom Kanton Tessin übernommen, der dafür vom BAFU Finanzhilfen in Höhe von 40 Prozent seines Anteils erhält, da der Verursacher nicht mehr greifbar ist.

Modernste Sanierungsmethoden

Moutier (BE)

Ab 2019 war der ehemalige Standort der Uhrenfabrik Raaflaub mit der MIP-Sondierung (Membrane Interface Probe) detailliert untersucht worden. «Einige Sondierungen mussten wir sogar mit einer kürzeren Sonde vom Keller aus durch­führen», erzählt Jean-Bernard Python, Projektleiter bei der Firma Geotest, die die Untersuchungen beaufsichtigt hat. 
«Die MIP-Methode ist kostengünstig und wir gewinnen damit gleichzeitig unterschiedliche Arten von Daten, mit denen wir die Ausdehnung der Schadstoffbelastung genau bestimmen können», sagt Pyhton. Dadurch liess sich auch die Raaflaub-Fabrik eindeutig als Quelle der Belastung feststellen.

Bellinzona (TI)

Auf dem Gelände der ehemaligen Wäscherei Caviezel hat ein Sanierungs­unternehmen den Untergrund aufgeheizt, um das krebserregende Perchlorethylen zu extrahieren. «Mit Heizelementen, die wir in den Untergrund eingelassen haben, erhöhten wir die Temperatur auf 90 bis 100 Grad Celsius», erklärt Antonio Greco, Geologe bei CSD, der Firma, die die Sanierungsarbeiten beaufsichtigt hat. «Bei diesen Temperaturen verdampfen die Schadstoffe in die unterirdische Bodenluft. Danach müssen wir sie nur noch absaugen.» Am Schluss wird die Luft durch Aktiv­kohlefilter geleitet, um die Perchlorethylen-Moleküle abzufangen.

«Wir haben rund 200 Kilogramm Schadstoffe entnommen, also etwa das Doppelte der Menge, die in den Vorstudien geschätzt wurde», sagt Greco. «Dabei mussten wir verschiedene Herausforderungen meistern: Bei einigen Perchlorethylen-Ansammlungen bestand die Gefahr, dass sich die Kontamination während der thermischen Sanierung ins Grundwasser ausbreitet, daher musste sie kontrolliert ausgepumpt werden. Zudem verdichtete sich wegen der eingebrachten Hitze der Boden, was weitere Massnahmen zur Kontrolle erforderte.» Um zu verhindern, dass sich der Untergrund destabilisiert, spritzten die Fachleute Wasser zur Kühlung ein.

Die Sanierung startete im Jahr 2020 und dauerte zweieinhalb Jahre. Allerdings sagt Matthias Damo, Gesamtprojektleiter für Altlasten bei den SBB: «Es gibt noch Restbelastungen, die sich nicht mehr mit verhältnis­mässigem Aufwand entfernen lassen. Aus diesem Grund ist eine Überwachung des Standorts erforderlich.»

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Letzte Änderung 03.04.2024

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