Interview: Boost für Umwelttechnologien - «Wir haben bedeutende Innovationen vorangetrieben»

Neue Technologien helfen uns, Luft und Wasser sauber zu halten und den Klimawandel zu bremsen. Im Interview sagt Daniel Zürcher, Leiter der Sektion Innovation beim BAFU, warum sich der Bund engagiert und woran aktuell getüftelt wird.

Interview: Nicolas Gattlen

Daniel Zürcher
Daniel Zürcher bildete sich an der ETH Zürich zum diplomierten Ingenieur-Agronom aus und ist seit 30 Jahren beim BAFU tätig. Er leitet die Sektion Innovation und ist zuständig für das UTF-Programm des BAFU.
© BAFU

Ob Partikelfilter, Recyclingverfahren für Tonerkartuschen, Baustoffe aus Recyclingbeton oder Wasserverbrauchsanzeigen für intelligente Armaturen – innovative Umwelttechnologien können helfen, natürliche Ressourcen im Einklang mit den Grenzen unseres Planeten zu nutzen und Schadstoffe zu begrenzen. Das BAFU fördert die Entwicklung solcher Technologien: Es unterstützt den Schritt von Innovationen aus dem Labor in die reale Welt. Im Rahmen der Umwelttechnologieförderung (UTF) stehen jährlich etwa vier Millionen Franken zur Verfügung – für «die Entwicklung von Anlagen und Verfahren, mit denen die Umweltbelastung im öffentlichen Interesse vermindert werden kann», wie im Umweltschutzgesetz vorgesehen.

Daniel Zürcher, warum fördert der Staat die Entwicklung von Umwelttechnologien? Kann man das nicht dem Markt überlassen?

Nein, denn reine Luft, fruchtbarer Boden, sauberes Wasser, Sicherheit vor Naturgefahren und eine vielfältige Natur sind öffentliche Güter: Sie kommen uns allen zugute, aber niemand fühlt sich dafür verantwortlich. Weil ihre Verschmutzung oder Gefährdung meist keinen unmittelbaren Preis hat, fehlt der Anreiz, sie zu schonen und dafür neue Technologien zu entwickeln. Deshalb unterstützt hier der Staat.

Der Staat macht doch aber Vorgaben etwa im Bereich der Luftreinhaltung. Ist das für die Wirtschaft nicht Anreiz genug, um neue Technologien wie wirksame Schadstofffilter auf den Markt zu bringen?

Der Staat kann von Unternehmen nicht etwas fordern, für das es noch keine technische Lösung gibt. Wenn er also erkennt, dass sich die Probleme mit der bisherigen Technik und mit anderen Massnahmen, beispielsweise Geboten und Verboten oder finanziellen Anreizen, nicht beheben lassen, ist es sinnvoll, dass er die Entwicklung neuer Technologien vorantreibt.

Das Parlament hat zu diesem Zweck vor 25 Jahren die Umwelttechnologieförderung geschaffen. Hat sich dieses Fördermittel bewährt?

Ja, die UTF hat die Schweiz im Umwelt- und Ressourcenschutz weitergebracht. Sie hat bedeutende Innovationen vorangetrieben, die heute breite Anwendung finden. Die wohl grösste Erfolgsgeschichte des Programms sind die Partikelfilter für Dieselmotoren, die heute millionenfach auf der ganzen Welt eingesetzt werden. Sie gehen auf ein neuartiges Messverfahren und auf den von der Suva geforderten Einbau von wirksamen Partikelfiltern bei Tunnelbau-maschinen zurück – beides wurde durch die UTF gefördert. Das neuartige Verfahren misst die Anzahl der Feinstaubpartikel im Dieselabgas und erfasst auch die kleinsten und schädlichsten Partikel.

Das UTF-Programm setzt keine inhaltlichen Schwerpunkte. Lassen sich dennoch Trends feststellen?

Ja, die gibt es. Vor 15, 20 Jahren standen der Lärmschutz und die Abwasserreinigung im Zentrum. Man stellte damals fest, dass Hormone im Wasser den Fischen schaden. In mehreren von der UTF geförderten Projekten wurden Reinigungsverfahren getestet und weiterentwickelt. Heute verfügen zahlreiche Abwasserreinigungsanlagen über eine vierte Reinigungsstufe, die Mikroverunreinigungen aus dem Wasser herauslöst. In der Förderperiode von 2011 bis 2016 lag dann der Fokus vieler Projekte auf der Rückgewinnung von Phosphor aus dem Klärschlamm. Und zuletzt dominierten Recyclingprojekte sowie Entwicklungen bei den negativen Emissionstechnologien. Dabei geht es beispielsweise darum, CO2 aus der Luft zu holen und in Baustoffen zu speichern.

Welches jüngere UTF-Projekt fasziniert Sie besonders?

Es gibt so viele faszinierende Projekte, da ist es schwierig, eines rauszupicken. Ein spannendes Projekt haben wir mit Haelixa. Die Firma hat ein biotechnologisches Verfahren entwickelt, mit welchem sich verschiedenste Materialien mit einem künstlichen DNA-Code markieren lassen. In unserem Projekt arbeitet Haelixa mit Tide Ocean zusammen, einer Schweizer Firma, die mit Plastikabfällen aus dem Meer neue Produkte herstellt. Mit dem neuen Verfahren lassen sich die Plastikabfälle markieren und so die Herkunft der daraus hergestellten Produkte nachweisen. Auch T-Shirts aus Bio-Baumwolle, Edelsteine oder Metalle können auf diese Weise transparent in den weltweiten Lieferketten verfolgt werden. Die Anwendungsmöglichkeiten sind grenzenlos.

Erfolgreiche UTF-Projekte: Von CO2-Freundlichem Beton zur Verwertung von Urin

CO2 im Beton speichern

CO2 im Beton speichern
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Beton ist der meistgenutzte Baustoff der Schweiz. Allerdings verursacht die Produktiondes beigefügten Zements hohe CO2-Emissionen. Die Firma Neustark hat gemeinsam mit der ETH Zürich ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die CO2-Bilanz des Betons deutlich verbessern lässt: CO2 wird aus der Atmosphäre entnommen und in Recycling-Betongranulat gespeichert. Das Granulat ersetzt den Kies im Beton.

Holzheizung ohne Filter

Holzheizung ohne Filter
© BAFU

Heizen mit Holz ist eine klimaneu-trale Alternative zu Feuerungen mit Öl oder Gas. Allerdings entsteht dabei gesundheitsschädigender Feinstaub. Bei den gängigen grösseren Holzheizkesseln können die Grenzwerte nur mit grossen und teuren Abgasreinigungen wie Elektro-Abscheider oder mit Gewebefiltern eingehalten werden. Die Firma Fireforce Technology hat ein Verfahren erfunden, in dem der Verbrennungsprozess so gesteuert wird, dass die Grenzwerte auch ohne Filter nicht überschritten werden.

Proteine aus Insektenlarven

Proteine aus Insektenlarven
© BAFU

Die Fleischproduktion trägt zu verschiedenen Umweltproblemen bei: Wiesen, Wälder und Seen leiden unter Überdüngung und Kühe stossen das Klimagas Methan aus. Eine Alternative sind Proteine von Insektenlarven. Die Firma Bühler AG hat zusammen mit Partnern eine Anlage gebaut, um Insekten für Lebens- und Futtermittel industriell zu züchten. Gefüttert wurden die Insekten mit Reststoffen der Lebensmittelindustrie.

Aus Urin wird Pflanzendünger

Aus Urin wird Pflanzendünger
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In unserem Urin stecken die wertvollen Nährstoffe Stickstoff und Phosphor. Forschende der EAWAG haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich 98 Prozent dieser Nährstoffe zurückgewinnen lassen, um damit Pflanzendünger herzustellen. Ein Spin-off, die Vuna GmbH, baute in einem nächsten Schritt eine mobile Anlage mit Trenntoilette. Das Interesse ist gross: Jüngst gesellte sich die europäische Weltraumorganisation ESA als Projektpartnerin dazu.

Umwelttechnologieförderung 2017-2021

UI-2311-D

Bericht des Bundesrates

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Letzte Änderung 29.11.2023

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