Kommen Sie mit auf eine Fischwanderung

27.09.2018 - Wussten Sie, dass Fische in ihrem Leben über 10'000 km weit wandern? Zugegeben, Aale sind Extremwanderer, aber unterwegs zu sein, liegt in der Natur der Fische. Oftmals endet die Reise abrupt – so etwa durch die Fischerei, durch Fressfeinde oder mit dem Tod in der Turbine eines Kraftwerks. Bis 2030 soll die freie Fischwanderung – die so genannte Fischgängigkeit – bei den Wasserkraftanlagen in der Schweiz wiederhergestellt sein. Wie sieht heute die Realität aus? Ein Aal nimmt Sie mit auf seine Reise.

Fischwanderung
© BAFU

Sämtliche Fischarten suchen im Verlauf ihres Lebens verschiedene Lebensräume auf. Am bekanntesten sind die Laichwanderungen. Besonders augenfällig sind diese bei den Langdistanzwanderern wie dem Aal, der Seeforelle oder den in der Schweiz bereits ausgestorbenen Arten Lachs, Meerforelle, Flussneunauge und Maifisch.

Nebst den Wanderungen zwecks Fortpflanzung unternehmen Fische auch Nahrungswanderungen, Wanderungen zur Erschliessung neuer Lebensräume sowie Flucht- und Ausweichwanderungen. Neben dem Aal werden an dieser Stelle zwei weitere bedeutende Wanderfische unserer Gewässer vorgestellt.

Die Wanderung: Über den Atlantik in die Schweiz und zurück

«Wir Aale bestechen vielleicht nicht durch eine schillernde Erscheinung. Eine nähere Betrachtung zeigt aber die Vorzüge unseres Wesens. In einem Aalleben wechseln wir mehrmals Farbe und Gestalt. Unser zäher, schlangenförmiger Körper ist sowohl ans Salz- als auch ans Süsswasser angepasst und kann sich für kurze Strecken sogar über Land fortbewegen.

Die Nase erlaubt es uns, Gewässer wahrzunehmen noch bevor sie hinter der nächsten Hügelkuppe erscheinen.Das Geheimnis unserer Wanderung und Fortpflanzung haben die Menschen erst vor Kurzem gelüftet. Weshalb bis heute in Europa weder Aaleier noch Larven gesichtet wurden, blieb lange ein Rätsel.

Wir schlüpfen nicht in Europa, sondern in der Sargassosee, mitten im Atlantik, unweit des Bermudadreiecks. Noch als Larve durchqueren wir erstmals den Atlantik. An der europäischen Küste angekommen, verwandeln wir uns in einen kleinen, durchsichtigen Fisch, den ihr Glasaal nennt. Danach steigen wir in die Fliessgewässer des europäischen Binnenlandes auf. Die Jugendjahre verbringen wir im Süsswasser, beispielsweise im Rhein und seinen Zuflüssen. Unser Körper wächst, wird dunkler, zäher, robuster. Der Bauch verfärbt sich gelblich, weshalb wir nun Gelbaale genannt werden.

Sobald wir geschlechtsreif sind, leitet uns der Instinkt zurück an den Ort unserer Geburt. Als sogenannte Blankaale bewältigen wir dabei innerhalb eines Jahres Distanzen von über 5000 Kilometern. Zeitweise schwimmen wir in Tiefen von 1000 Metern, auch gegen den Golfstrom. Die Reise ist gefährlich. Nur wenige von uns erreichen die Laichgründe und schaffen es tatsächlich sich fortzupflanzen. Welchen Schwierigkeiten wir in den Schweizer Gewässern begegnen, verrate ich weiter unten.»

Hindernisse auf der Wanderroute

«Obschon wir äusserst anpassungs- und widerstandsfähige Tiere sind, sind wir Aale weltweit vom Aussterben bedroht. Neben der Befischung im Mündungsgebiet machen uns die grossen Beeinträchtigungen unseres Lebensraums zu schaffen: Dazu zählen die Verschmutzung der Gewässer sowie zahlreiche Kraftwerke in den europäischen Binnengewässern.»

Die Schweizer Fliessgewässer sind stark verbaut. Unzählige künstliche Querverbauungen behindern die Fischwanderung, zum Beispiel Dämme, Wehre, Schwellen, Rampen sowie Wasserentnahmen und Wasserrückgaben, die zu unnatürlichen Abflüssen führen (Restwasser, Schwall-Sunk).

Fehlen an den Hindernissen die Wanderhilfen für Fische, kann dies gravierende Auswirkungen auf den Fischbestand haben. Isolierte Populationen laufen Gefahr auszusterben.In Hitzeperioden verhindern solche Bauwerke das Ausweichen in rettende kühlere Gewässerbereiche. Besonders für Forellen und Äschen ist das ein grosses Problem.

Fischwanderhilfen ermöglichen Aufstieg

«Flussaufwärts orientieren wir uns an der Strömung, der wir ausweichen, indem wir meist ganz nah am Boden schwimmen – am liebsten am Rande der Hauptströmung. Das ist weniger anstrengend. Versperrt uns eine Barriere den Weg, suchen wir einen Ausweg.

Glücklicherweise wurden in der Schweiz bereits viele Fischtreppen erstellt. Sie helfen uns, an den Kraftwerken vorbei nach oben zu gelangen. Aber längst nicht alle Barrieren bieten eine geeignete Aufstiegshilfe.»

Fischwanderung, austieg
Der Bau von Aufstiegshilfen nach dem heutigen Stand der Technik (Fischpässe, Rampen, Umgehungsgerinne) ermöglicht den Fischen die Passage. Viele Kraftwerke sind bereits mit einer Fischaufstiegshilfe ausgestattet. Die systematische Überprüfung zeigte jedoch, dass viele der bestehenden Fischaufstiegshilfen nicht genügend funktionieren und deshalb optimiert oder neu gebaut werden müssen.
© BAFU

Turbinen gefährden Fischabstieg

«Auf unserer Reise zurück ins Meer schwimmen wir mit der Hauptströmung – und landen oft direkt in der Turbine eines Kraftwerks. Die Überlebenschancen für uns Aale sind minim, weil wir einen langen Körper haben. Wir brauchen unbedingt gute Lösungen an den Kraftwerken, die uns helfen, die Flüsse unbeschadet durchschwimmen zu können. Wir wollen überleben!»

Fischwanderung, aufstieg
Über den sogenannten Bypass, einen speziell für den Abstieg erstellten Kanal, gelangen die Fische unbeschadet am Kraftwerk vorbei in den stromabwärts liegenden Flussabschnitt.
© BAFU

Noch grösser als beim Aufstieg ist der Nachholbedarf beim Fischabstieg: Die Fische müssen vor der Turbine geschützt werden und brauchen zudem einen Weg, um das Wehr unbeschadet passieren zu können. Bei kleineren Wasserkraftanlagen verfügt man über erste Erfahrungen mit realisierten Projekten: Die Fische werden mit feinen Rechen vor dem Einschwimmen in die Turbinen gehindert. Mittels eines sogenannten Bypasses gelangen sie an der Turbine vorbei ins Unterwasser.

An mittelgrossen und grossen Kraftwerken wurden in den vergangenen Jahren einige Untersuchungen durchgeführt, die allerdings noch keine befriedigenden Lösungen hervorgebracht haben. Mit einem den Perioden der Fischwanderung angepassten Turbinenmanagement kann die Situation der Fische vorübergehend verbessert werden.

An der Aare wurden zwei Pilotprojekte mit den Kraftwerksbetreibern gestartet. Beteiligt ist auch die ETH mit ihren Forschungsprojekten an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW). Diese Projekte gliedern sich ein in die Weiterentwicklung der Technik und die Erforschung des Verhaltens der Fische an Kraftwerksanlagen weltweit.

Noch grösser als beim Aufstieg ist der Nachholbedarf beim Fischabstieg: Die Fische müssen vor der Turbine geschützt werden und brauchen zudem einen Weg, um das Wehr unbeschadet passieren zu können. Bei kleineren Wasserkraftanlagen verfügt man über erste Erfahrungen mit realisierten Projekten: Die Fische werden mit feinen Rechen vor dem Einschwimmen in die Turbinen gehindert. Mittels eines sogenannten Bypasses gelangen sie an der Turbine vorbei ins Unterwasser.

An mittelgrossen und grossen Kraftwerken wurden in den vergangenen Jahren einige Untersuchungen durchgeführt, die allerdings noch keine befriedigenden Lösungen hervorgebracht haben. Mit einem den Perioden der Fischwanderung angepassten Turbinenmanagement kann die Situation der Fische vorübergehend verbessert werden.

An der Aare wurden zwei Pilotprojekte mit den Kraftwerksbetreibern gestartet. Beteiligt ist auch die ETH mit ihren Forschungsprojekten an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW). Diese Projekte gliedern sich ein in die Weiterentwicklung der Technik und die Erforschung des Verhaltens der Fische an Kraftwerksanlagen weltweit.

Schweizer Wasserkraftwerke: wo stehen wir heute?

Bis 2030 soll in der Schweiz die Fischgängigkeit bei rund 1000 Wasserkraftanlagen wiederhergestellt sein. Im gleichen Zeitraum sollen der Geschiebehaushalt mit technischen Massnahmen reaktiviert und die negativen Auswirkungen des Schwall-Sunk-Betriebs beseitigt werden. Dieses Ziel ist ehrgeizig und der Weg dazu ressourcenintensiv.

Die Umsetzung bedingt eine Zusammenarbeit diverser Akteure, vom Kraftwerksinhaber mit Planungsbüros über Verbände, Gemeinden, Kantone bis hin zum Bund, und erfordert ausreichende Finanzen. Bis heute wurde die Sanierung der Fischgängigkeit bei rund einem Viertel aller Hindernisse in Angriff genommen; erste Umsetzungen sind bereits abgeschlossen.

Der Ausbau der Wasserkraft im Zuge der Umsetzung der Energiestrategie 2050 soll in der Balance zwischen Energiegewinnung und Ökologie erfolgen. Neue Anlagen sollen in jedem Fall die Fischgängigkeit nach dem neusten Stand der Technik gewährleisten.

Die Renaturierung der Schweizer Gewässer sowie die Wiederherstellung der Fischgängigkeit kommt nicht nur den Fischen zugute. Naturnahe Gewässer sind beliebte Naherholungsgebiete. Sie laden zum Verweilen, Baden oder Spazieren ein. Natürliche und vernetzte Lebensräume sind die Basis für eine reichhaltige biologische Vielfalt, von deren Leistungen alle Lebewesen und damit auch wir Menschen profitieren.

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Letzte Änderung 27.09.2018

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