Ökologische Infrastruktur: Ein Netzwerk des Lebens für die Schweiz

Die Ökologische Infrastruktur ist ein zentrales Element zum Schutz und zur Förderung der Biodiversität in der Schweiz. Bund und Kantone sind deshalb bestrebt, sie landesweit zu verstärken. Entsprechende Projekte sind bereits am Laufen, etwa in den Pärken von nationaler Bedeutung oder im Mittelland.

Text: Regina Michel

Waldreservate, hochwertige Flächen in der Landwirtschaft, Amphibiendurchlässe, Moore, Nistplätze in alten Gemäuern: Auf einer grosszügigen Darstellung des Winterthurer Illustrators Samuel Jordi zeigt «die umwelt», über welche Ökologischen Infrastrukturen eine Landschaft idealerweise verfügen sollte (Download bei Weiterführende Informationen).
© Samuel Jordi / BAFU

Dem Begriff Ökologische Infrastruktur liegt ein einfacher Gedanke zugrunde: Ein landesweites Netz aus ökologisch wertvollen Lebensräumen ist für die Wohlfahrt des Landes genauso unverzichtbar wie die «technische Infrastruktur», unter anderem Strassen, Eisenbahnlinien, Strom- und Wasserleitungen. Dieses Netzwerk des Lebens besteht aus Kerngebieten und Vernetzungsgebieten. Mit den Kerngebieten bewahrt die Schweiz die Kronjuwelen ihres Naturkapitals wie Moore, Auen und Trockenwiesen, Waldreservate, hochwertige Flächen in der Landwirtschaft sowie weitere Gebiete mit hohem Wert für die Artenvielfalt. Vernetzungsgebiete gewährleisten, dass sich die verschiedensten Arten – ob Hirsch, Käfer oder Pflanze – frei in der Landschaft bewegen können, um sich zu ernähren, sich fortzupflanzen oder neue Lebensräume zu besiedeln. Dazu dienen etwa naturnahe Fliessgewässer und Waldränder, aber auch ökologisch wertvolle Grünräume entlang von Verkehrsinfrastrukturen, Wildtierbrücken oder Amphibiendurchlässe.

Noch bestehen grosse Lücken in diesem Netzwerk des Lebens. Diese sollen in den kommenden Jahren laufend geschlossen werden. Geplant und umgesetzt wird die Ökologische Infrastruktur auf lokaler, kantonaler und nationaler Ebene. Verbunden mit einer nachhaltigen Nutzung der Landesfläche, soll sie die Biodiversität als unsere existenzielle Lebensgrundlage stärken und gleichzeitig zur Erhaltung unserer vielfältigen Landschaften beitragen (siehe Illustration in der Heftmitte)

Ehrgeiziges Programm

Das Programm ist ehrgeizig. Ein Augenschein im Regionalen Naturpark Doubs zeigt, was sich auf lokaler Ebene unternehmen lässt. Und so steigen wir im Morgentau hoch zur Quelle Champs-Fallat bei St-Ursanne (JU), mitten im Jurabogen. Die Revitalisierung dieser Quelle wurde im Rahmen des Pilotprojekts «Förderung der Ökologischen Infra­struktur in Pärken von nationaler Bedeutung» als eine der Massnahmen identifiziert, die für die Weiterentwicklung der ökologischen Vernetzung im Gebiet erforderlich sind. Die Wasserstelle wurde renaturiert, das Gebiet umzäunt und die Viehtränke um rund 10 Meter verschoben, um den empfindlichen Lebensraum zu schützen. Diese Vorkehrungen sollen typische Arten der Quellen wie etwa Eintagsfliegen oder Feuersalamander fördern. «Quellen sind ein Beispiel für hochspezifische Biotope, die bislang wenig Beachtung fanden», erklärt Céline Michel von der Sektion Arten und Lebensräume des BAFU.

Die Zeit drängt. Der Verlust von Arten und Lebensräumen schreitet voran. Entsprechend sehen die Strategie Biodiversität Schweiz des Bundes und der dazugehörige Aktionsplan die Errichtung der Ökologischen Infrastruktur als zentrale Massnahme vor. Doch wie kommen wir zu einer funktionierenden Ökologischen Infrastruktur?

In ihrer Rolle als «Labore» konnten die Pärke von nationaler Bedeutung wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen zu Tage bringen. Ausgehend von 160 000 zusammengetragenen Beobachtungen von Tier- und Pflanzenarten gelang es den Regionalen Naturpärken Doubs und Chasseral, Mängel beim heutigen Schutz der Biodiversität aufzuzeigen sowie einen Massnahmenkatalog zum Schutz des Naturkapitals zu verfassen.

Sektorenübergreifende Aufgabe

Nebst dem Projekt für eine Ökologische Infrastruktur in den Pärken ist im Mittelland ein weiteres Pilotprojekt im Gange: In Form einer sektorenübergreifenden Werkzeugkiste erarbeiten die beteiligten Kantone Bern, Aargau und Zürich Anwendungshilfen zur effizienten Weiterentwicklung der Ökologischen Infrastruktur im Mittelland, die sich auch auf andere Regionen der Schweiz übertragen lassen. Zahlreiche weitere Projekte sind im Rahmen des Aktionsplans anzugehen, etwa die Schaffung und der Unterhalt von Waldreservaten, die Sanierung von Wildtierkorridoren oder die Förderung von Biodiversität und Landschaftsqualität in Agglomerationen.

Céline Michel vom BAFU betont, wie zentral es sei, die Zusammenarbeit der verschiedenen sektoralen Politiken der Natur und Landschaft, Raumplanung, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Verkehr usw. abzustimmen, damit sich die angestrebten Ziele erreichen lassen. Denn es sei vornehmlich die Zusammenarbeit der diversen privaten und öffentlichen Akteure, die es der Ökologischen Infrastruktur erlaube, ihre volle Wirkung zu entfalten. Biodiversität betreffe uns alle, und jede und jeder Einzelne könne im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten etwas beitragen.

Das Lebensnetz muss auf der gesamten Fläche der Schweiz gedacht werden, und der für die Biodiversität erforderliche Raum ist für jede Region zu planen und festzulegen. Verschiedene bereits existierende Instrumente werden ausgebaut und ergänzt. Ziel ist es, mit geeigneten Massnahmen die vorhandenen Lücken zu identifizieren und zu schliessen. Auch über die Landesgrenzen hinaus soll sich die Ökologische Infrastruktur mit den Netzen der Nachbarländer verbinden können.

Kehren wir in den Regionalen Naturpark Doubs zurück. Inzwischen sind wir bei der Bergerie Pré-La-Patte angelangt. Dieser Berggasthof liegt in der Gemeinde Péry-La Heutte im Berner Jura; den Bauernhof umgeben Magerwiesen und offene Weiden. Zwischen Dornengehölz und gros­sen Steinen vergnügen sich Bläulinge, Feldgrillen und Baumpieper. Der Hausherr führt uns zu vier kleinen Teichen, die unlängst an einem Ort mit dem Flurnamen «La Verrière» ausgehoben worden sind. Schon bald werden hier Libellen, Bergmolche, Grasfrösche, Erdkröten und vielleicht sogar die seltenen Feuersalamander auftauchen. «Solche für den Bereich ‹Kleinstrukturen› empfohlene Massnahmen sind geeignet, rasch verschiedenste Insekten und Amphibien zurückzuholen und die Lebensräume untereinander zu vernetzen», freut sich Céline Michel. Die Ökologische Infrastruktur vereint demnach Gross und Klein, unterstützt Leben und Entwicklung und gibt ganz einfach Anlass zur Freude.

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Letzte Änderung 06.03.2019

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