Eidgenössische Kommissionen: Im Fokus steht die Risikobeurteilung

Zwei ausserparlamentarische Kommissionen beschäftigen sich eingehend mit Fragen zur Biotechnologie. Ihre Einschätzungen tragen zu einer sachlichen Beurteilung der neuen biotechnologischen Verfahren bei.

Text: Andreas Bachmann

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© Gregory Collavini

Die Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) und die Eidgenös­sische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausser­humanbereich (EKAH) setzen sich intensiv mit den neuen Technologien auseinander – insbesondere mit den neuen Pflanzenzüchtungsverfahren und der Synthetischen Biologie. Im Fokus steht dabei die Frage der Risikobeurteilung. Ihre Beiträge zu neuen biotechnologischen Verfahren ermöglichen im Umfeld einer hochkontroversen politischen Debatte eine Diskussion, die auf Fakten und Argumenten beruht. In diesem Sinne unterstützen die Kommissionen Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit bei der Suche nach einem angemessenen Umgang mit den neuen Technologien und den damit verbundenen Chancen und Risiken.

Synthetische Biologie

Im Unterschied zur herkömmlichen Gentechnik beabsichtigt die Synthetische Biologie gemäss Verständnis der EFBS unter anderem die Kon­struktion kompletter künstlicher Systeme wie zum Beispiel neuer Stoffwechselwege. Hinsichtlich der Regulierung dieser Systeme sollten fallspezifische Risikobeurteilungen im Vordergrund stehen, die auf dem effektiven Schadens­potenzial basieren. Dabei sei, wenn möglich, auch zu entscheiden, ob es sich um einen Organismus oder einen Stoff handelt. Für die Risikobeurteilung sei dies relevant, weil das Gefahrenpotenzial bei Stoffen mit der Zeit abnehme, wogegen das Gefahrenpotenzial bei Organismen durch Vermehrung konstant bleiben oder sogar zunehmen könne. Für die Risikobeurteilung seien dann alle risikorelevanten Kriterien – wie etwa die Fähigkeit, einen anderen Organismus krank zu machen (Pathogenität) oder die Giftigkeit eines Stoffes (Toxizität) – zu berücksichtigen.

Aus Sicht der EKAH liegt der Synthetischen Biologie die Idee zugrunde, dass sich Lebewesen kontrolliert und zielgerichtet umbauen beziehungsweise konstruieren lassen. Ob so etwas überhaupt möglich ist, hängt für die EKAH davon ab, was man unter «Leben» versteht. Keinen Einfluss auf den moralischen Status von Lebewesen hat, ob diese in einem natürlichen Prozess oder auf andere Weise entstehen. Welchen Status sie haben, insbesondere mit Blick auf den in diesem Zusammenhang einschlägigen Verfassungsbegriff der «Würde der Kreatur», sei davon abhängig, welche umweltethische Position man vertrete. Die Kommission hält zudem fest, eine sachgerechte Risikobeurteilung der Synthetischen
Biologie sei aufgrund mangelnder Daten noch nicht möglich. Aus risikoethischer Sicht sei bei einer solchen Datenlage im Umgang mit synthetisch hergestellten Organismen besondere Vorsicht geboten. Es kommt somit das Vorsorge­prinzip zur Anwendung.

Genome Editing

Die EKAH hat sich näher mit der Frage beschäftigt, was das umweltrechtliche Vorsorgekonzept bedeutet und wie man die damit verbundene Idee ethisch begründen kann. Diese Überlegungen stellt sie an mit Blick auf die als Genome Editing bezeichneten neuen Verfahren. Sie vertritt den Standpunkt, aus ethischer Sicht sei nicht die rechtliche Einordnung dieser Verfahren und ihrer Produkte entscheidend, sondern der Umstand, dass sie ebenso wie die herkömmliche Gentechnik insbesondere in komplexen Umweltsystemen (grosse) Schäden anrichten können. Daher unterliegen sie, solange hinsichtlich einer sachgerechten Risikobeurteilung Wissenslücken bestehen, ebenfalls dem Vorsorgeprinzip. Dies bedeutet, dass die Anwender der neuen Verfahren in einem Schritt-für-Schritt-Prozess nachweisen müssen, dass die Risiken dieser Verfahren für Mensch und Umwelt in einem Bereich liegen, der als akzeptabel zu erachten ist. Diese Überlegungen gelten gemäss EKAH analog auch für diejenigen Verfahren, die unter dem Titel «Neue Pflanzenzüchtungsverfahren» zusammengefasst werden.

Mit diesen Verfahren hat sich auch die EFBS eingehend befasst. Das Neue sei, so die EFBS, dass zwar zum Teil gentechnische Methoden verwendet werden, im Endprodukt jedoch in vielen Fällen keine fremden Gen-Sequenzen mehr nachweisbar sind. Solche Pflanzen können also nicht wie herkömmliche gentechnisch veränderte Organismen (GVO) auf das Vorhandensein eines fremden Gens oder einer Gensequenz getestet werden. Die Produkte solcher neuen Pflanzenzüchtungsverfahren unterscheiden sich zum Teil nicht von herkömmlich gezüchteten Pflanzen. Aus diesem Grund, so die EFBS, seien sie auch in Bezug auf die Sicherheit für Umwelt, Anwender sowie Konsumentinnen und Konsumenten als gleichwertig zu beurteilen. Für die EFBS folgt daraus, dass für die Bewertung der Biosicherheit das Produkt wichtiger ist als die Produktionsmethode. Der prozessorientierte Ansatz des Gentechnikrechts sollte daher aus Sicht dieser Kommission durch einen produktorientierten Ansatz ersetzt werden.

Was tun die Kommissionen?

Die Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) ist beauftragt, die schweizerischen Behörden beim Schutz von Mensch, Tier und Umwelt im Bereich der Bio- und Gentechnologie zu beraten. Die EFBS

  • berät den Bundesrat und die Bundesämter bei der Vorbereitung von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Empfehlungen;
  • berät die eidgenössischen und kantonalen Behörden beim Vollzug der Regelungen;
  • gibt Stellungnahmen zu Bewilligungsgesuchen ab und veröffentlicht Empfehlungen zu Sicherheitsmassnahmen für Arbeiten mit gentechnisch veränderten oder pathogenen Organismen;
  • setzt sich mit klinischen Gentherapie-Studien auseinander;
  • informiert die Öffentlichkeit über wichtige Erkenntnisse im Bereich der Biosicherheit.

Die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) ist beauftragt, die Entwicklungen und Anwendungen der Bio- und Gentechnologie im ausserhumanen Bereich zu beobachten und aus ethischer Sicht zu beurteilen. Der Mandatsbereich umfasst alle Anwendungen der Bio- und Gentechnologie an Tieren, Pflanzen und anderen Organismen einschliesslich deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Die EKAH

  • berät den Bundesrat und die Verwaltung bei der Vorbereitung der Gesetzgebung im Bereich der ausserhumanen Bio- und Gentechnologie und unterbreitet Vorschläge für die künftige Rechtsetzung;
  • berät die eidgenössischen und kantonalen Behörden beim Vollzug bundesrechtlicher Vorschriften;
  • informiert die Öffentlichkeit über Fragen und Themen, die sie behandelt, und fördert den Dialog über Chancen und Risiken dieser Technologien.

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Letzte Änderung 29.05.2019

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