Kompetenzzentrum Boden: Das Alte mit dem Neuen verbinden

Seit Sommer 2019 befindet sich das neu gestartete Kompetenzzentrum Boden (KOBO) in einer auf zwei Jahre ausgelegten Aufbauphase. Sein Leiter Armin Keller gibt im Gespräch Auskunft über die verletzliche Haut unseres Planeten und beleuchtet die Rolle sowie die Ziele der Fachstelle.

Interview: Gregor Klaus

Armin Keller
Armin Keller ist seit Juni 2019 Leiter des Kompetenzzentrums Boden (KOBO). Der 53-jährige Diplom-Ingenieur hat an der ETH Zürich im Bereich Bodenschutz promoviert und in Holland an der Universität Wageningen geforscht. 2003 wechselte er zur Nationalen Bodenbeobachtung (NABO) an die Agroscope.
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Weshalb braucht die Schweiz ein nationales Kompetenzzentrum für den Boden?

Armin Keller: Dieser Schritt war überfällig. Boden ist die am wenigsten gewürdigte und am meisten unterschätzte natürliche Ressource. Boden ist endlich und wächst in menschlichen Zeitmassstäben nicht nach. Er ist die zentrale Schaltstelle für alle wichtigen Stoff- und Energieflüsse auf der Erde und erfüllt wichtige Funktionen für Mensch und Natur. So dient er beispielsweise als Wasserfilter, Kohlenstoff- und Wasserspeicher oder Lebensraum für Organismen und ist die Basis für die Lebensmittelproduktion.

Welche Rolle wird das Kompetenzzentrum spielen?

Das KOBO versteht sich als Drehscheibe zwischen Behörden, Forschung und Praxis. Wir wollen zusammen mit den verschiedenen Partnern die Grundlagen für eine nachhaltige Bodennutzung in den Kantonen bereitstellen. Dazu gehört unter anderem, dass wir die Erhebungs- und Analysemethoden für Bodeneigenschaften vereinheitlichen und weiterentwickeln, die Klassifikation der Schweizer Böden überarbeiten und technische Standards für die Bodenkartierung erarbeiten. Da der Boden eine Querschnittsfunktion hat und viele unterschiedliche Disziplinen betrifft, möchte das KOBO zudem den Dialog zwischen Fachämtern des Bundes und der Kantone ebenso wie zwischen Fachleuten aus dem Umwelt-, Landwirtschafts- und Raumplanungssektor fördern.

Einige Kantone haben aber doch ihre Böden in Eigenregie kartiert.

Das ist richtig. Ohne diese Grundlagen, die unter anderem auch durch Arbeitsgruppen der Bodenkundlichen Gesellschaft der Schweiz (BGS) meist ehrenamtlich erarbeitet wurden, müssten wir heute bei null anfangen. Nach der Aufhebung des nationalen Kartierdienstes 1996 wurden die Erhebungs- und Analysemethoden allerdings ohne nationale Koordination weiterentwickelt. Prominentes Beispiel dafür sind etwa die nach unterschiedlichen Massstäben erstellten Inventare der Fruchtfolgeflächen in den Kantonen. Es geht dabei um die besten ackerfähigen Böden – beziehungsweise um unsere Ernährungssicherheit. Die Rückmeldungen der Kantone zeigen, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Wir müssen einheitliche Standards zur Ausscheidung der Inventare schaffen. Gleichzeitig dürfen wir aber auch die Böden des restlichen Kulturlandes oder die Waldböden und die alpinen Böden nicht vergessen. Auch sie erbringen wichtige Leistungen.

Kartiert das Kompetenzzentrum selbst?

Nein – wir sind weder Vollzugsbehörde noch Labor oder Feldequipe. Wir erarbeiten und aktualisieren zusammen mit Forschung und Praxis die Methoden und Instrumente für die Erhebung, Bewertung und Bereitstellung von Bodeninformationen. Der Hauptteil der Arbeit einer Bodenkartierung wird im Auftrag der Kantone durch die Privatwirtschaft erbracht.

Wozu dient eigentlich eine Bodenkarte?

Bei der Bodenkartierung werden die Bodeneigenschaften ermittelt, und zwar sowohl in der Fläche als auch in der Tiefe. Eine Bodenkarte fasst diese Informationen zusammen. Darauf basierend gilt es, je nach Fachdisziplin, Bedarfsgruppen und Vollzugsbereichen, massgeschneiderte Auswertungen von Bodeninformationen zur Verfügung zu stellen. Daraus können wichtige Entscheidungsgrundlagen für den Vollzug in den Kantonen oder zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der Böden generiert werden, zum Beispiel in den Bereichen Klima, Raumplanung, Ernährungssicherheit und Biodiversitätsschutz. Auf diese Weise fördern wir auch den Dialog zwischen den verschiedenen Ämtern, Sektoren und Fachpersonen sowie den Wissenstransfer.

Der Nationalrat hat 2014 dem Kompetenzzentrum nur dank einem Stichentscheid des Präsidenten zugestimmt. Offenbar war die Begeisterung für diese Aufgaben nicht sehr gross. Wie erklären Sie sich das?

Der Boden stand bisher bei den meisten Politikerinnen und Politikern nicht im Vordergrund. Das scheint sich nun zu ändern, vor allem bei den Themen Ernährungssicherheit und Fruchtfolgeflächen. Boden ist ein Querschnittsthema, das praktisch nie allein als Thema auftaucht, obwohl der Boden essenziell ist für den Anbau von Nahrungsmitteln, für die Raumplanung, das Klima, den Wasserkreislauf oder die Biodiversität. Sprechen wir über Pestizide im Trinkwasser: Der Boden leistet diesbezüglich viel – und das oft im Verborgenen. Ein Grossteil der Pestizide landet ja im Boden, wo Rückstände abgebaut und gebunden werden. Wenn wir über den Trinkwasserschutz reden, müssten wir also auch über die Abbau- und die Filterleistung unserer Böden reden und folglich über die erforderlichen Datengrundlagen.

Ist das Kompetenzzentrum also eine gute Investition?

Zusammen mit anderen Partnern wird ein grosser Mehrwert geschaffen. Methoden und Instrumente müssen nicht 26-mal separat entwickelt werden, und einheitliche Normen und Standards gewährleisten die Vergleichbarkeit über die Kantonsgrenzen hinweg. Im Nationalen Forschungsprogramm «Nachhaltige Nutzung der Ressource Boden» (NFP 68) haben wir die Investition in eine landesweite Bodenkartierung mit umfangreichen Recherchen abgeschätzt. Wir kamen zum Schluss, dass jeder Franken, der für die Erhebung von Bodeninformationen investiert wird, im Durchschnitt einen Mehrwert von rund 6 Franken generiert. Exakt berechnen lässt sich der Nutzen aber nicht, weil Bodenschutz Vorsorge ist. Weil die Präventionskosten aber bei der Bodenkartierung anfallen und die Gewinne – im Sinne von vermiedenen Schadenskosten – in anderen Bereichen, wird der Bodenschutz als Luxus angesehen. Das ist er aber überhaupt nicht.

Ein solches Zentrum wird von verschiedenen Seiten schon seit Jahren gefordert. Jetzt sind Sie dessen Leiter. Ein gutes Gefühl?

Ja, es ist eine tolle Sache, so etwas Neues gestalten zu dürfen. Aber ich baue das Zentrum nicht alleine auf. Das geht nur gemeinsam mit den kantonalen Fachämtern, der Privatwirtschaft, den Hochschulen und den Bundesämtern. Nicht zu vergessen die vielen Branchen und Verbände, die viel zur nachhaltigen Nutzung der Böden beitragen können. Ich betrachte das KOBO daher eher als ein Kompetenznetzwerk.

Was bedeutet das Kompetenzzentrum für die Beschäftigten im Fachgebiet der Bodenkunde?

Angesichts der grossen Herausforderung, unsere Böden in der Schweiz möglichst zeitnah zu kartieren, ist genügend fachkompetentes Personal erforderlich, vor allem für die umfangreichen Feldarbeiten. Dazu müssen die bestehenden Fachkräfte eingebunden und die entsprechende Ausbildung gezielt gefördert werden. Gleichzeitig gilt es, eine Infrastruktur aufzubauen, zum Beispiel für Bohrfahrzeuge im Feld oder die Anwendung neuer Analysemethoden für Bodeneigenschaften in Labor und Feld.

Also wird doch alles anders?

Es wird in Zukunft darum gehen, das Neue optimal mit dem Alten zu verbinden. Bewährte Methoden im Feld werden weitergeführt. Weil der Boden dreidimensional ist, brauchen wir weiterhin Bodenprofile und Sondierungen, um den Boden in seiner Tiefe beschreiben und verstehen zu können. Neue digitale Werkzeuge wie die Auswertung von Fernerkundungsdaten, spektroskopische Messmethoden für Bodeneigenschaften oder eine computergestützte Stichprobenplanung können sowohl die Feld- als auch die Büroarbeit unterstützen. Das bedeutet auch, dass wir künftig für Bodenkartierungen unterschiedliche Fachdisziplinen zusammenbringen müssen.

Wie könnte ein optimaler Bodenschutz im Jahr 2030 aussehen?

Optimal wäre es, wenn allen Akteurinnen und Akteuren sämtliche Informationen und Produkte über den Boden, die sie für eine nachhaltige Nutzung und den Schutz dieser Ressource benötigen, zur Verfügung stünden. Die Raumplanung wüsste dann genau, wo sich die Fruchtfolgeflächen befinden und wo ein Verlust an anderen Orten kompensiert werden kann. Es ist schon merkwürdig: Wir verfügen zum Beispiel über detaillierte Daten zur Luftqualität oder Gewässerquantität. Aber über unsere Lebensgrundlage Boden vor der Haustür wissen wir bisher nur sehr wenig.

Was liegt Ihnen persönlich am Herzen?

Ich hoffe, dass der Boden in absehbarer Zeit von der Gesellschaft als wertvolle und nicht erneuerbare Ressource wahrgenommen wird und es dann selbstverständlich ist, dass wir unsere Böden nachhaltig nutzen und schützen.

Nationales Kompetenzzentrum Boden

Das KOBO wird vom Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) und vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) betrieben. Die Kantone sind via ihre Amtsleitungen aus den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt in die Steuerung des Netzwerks eingebunden. Angesiedelt ist das Zentrum an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) der Berner Fachhochschule (BFH).

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Letzte Änderung 03.06.2020

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