Klimaschutz in den Kantonen koordinieren

Sie sind das Bindeglied zwischen der Bevölkerung und dem Bund – beispielsweise, wenn es darum geht, die Schweiz klimaneutral zu machen: die Kantone. Nun will der neu gegründete Verein Cercle Climat helfen, kantonale Massnahmen etwa bei Gebäuden, der Mobilität oder in der Landwirtschaft zu harmonisieren. Wir haben mit dem Gründer und Präsidenten Christophe Joerin gesprochen.

Text: Julien Crevoisier

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Christophe Joerin ist Vorsteher des Amts für Umwelt des Kantons Freiburg und seit 2020 Präsident von Wasser-Agenda 21, einem Netzwerk der Akteure der Schweizer Wasserwirtschaft. Im September 2022 hat er den Cercle Climat mitgegründet und ist Präsident des Vereins.
© BAFU

Herr Joerin, warum ist der Cercle Climat nötig?

Christophe Joerin: Ausgangspunkt war die Tatsache, dass die Klimapolitik in erster Linie vom Bund und den kantonalen Energiefachstellen definiert wird. Dagegen besassen die kantonalen Umweltbehörden bisher keinerlei Koordinationsinstrument in Sachen Klima. Diese Lücke will der Verein als Forum für Austausch und Zusammenarbeit schliessen. Zudem: Als im Jahr 2018 die ersten kantonalen Klimastrategien veröffentlicht wurden, zeigte sich, dass Kantone und Gemeinden eine Schlüsselrolle spielen – sowohl bei der Anpassung an den Klimawandel wie auch dabei, die Umweltauswirkungen von uns Menschen zu vermindern. Dies, weil sie gerade in klimawirksamen Bereichen wie Gebäuden, Mobilität und Landwirtschaft einen grossen Einfluss haben. Darum haben inzwischen fast alle Kantone eine Klimastrategie erarbeitet oder sind gerade dabei. Und es ist wichtig, dass diese aufeinander abgestimmt sind.

Inwiefern können sich die Kantone in Klimafragen besser koordinieren?

Damit sich Klimaschutzmassnahmen rasch einführen lassen, braucht es vor allem einen Wissensaustausch. Der Bund gibt gestützt auf das Übereinkommen von Paris das Ziel vor, die Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 auf netto null zu reduzieren. Gewisse Kantone wollen aber bereits im Jahr 2040 klimaneutral sein – etwa Jura, Solothurn, Aargau und die beiden Basel. Wir könnten die übrigen Kantone dazu ermutigen, diesem Beispiel zu folgen. Auf jeden Fall aber müssen wir den Austausch stimulieren. Mit einem geeigneten Rahmen für die Kommunikation zwischen den zuständigen Stellen möchten wir die Kantone dabei unterstützen, allfällige Rückstände wettzumachen oder gar nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dazu kommt, dass die Kantone in ihrer Gesetzgebung das Klima immer häufiger miteinbeziehen. Dafür braucht es aber Beurteilungskriterien, die von kantonalen Fachstellen definiert werden müssen. Dank dem Verein Cercle Climat können wir dafür sorgen, dass diese Kriterien schweizweit möglichst einheitlich sind.

Sie erwähnen, dass einige Kantone bereits bis 2040 klimaneutral werden wollen. Überholen sie den Bund in Sachen Klimaschutz?

Wenn Massnahmen in den Kantonen die Dekarbonisierung beschleunigen, umso besser! Aber das ist nicht unser Anspruch. Wichtig ist vor allem, dass die Kantone in der Klimapolitik gegenüber dem Bund geeint und mit einer Stimme auftreten. Denn sie sind dafür verantwortlich, zahlreiche Massnahmen umzusetzen, von denen einige durch den Bund mitfinanziert werden. Zudem sind die Kantone ein wichtiges Bindeglied zwischen Bundesbehörden und Bevölkerung. Die Nähe zu den Menschen ist entscheidend: Natürlich kann man Gesetze zur Begrenzung des CO2-Ausstosses im Verkehr und in der Landwirtschaft erlassen, aber ausschlaggebend ist auch das Konsumverhalten jeder und jedes Einzelnen. Darum ist und bleibt die Sensibilisierung unser wichtigstes In­strument, um das Umweltbewusstsein zu stärken. Der Cercle Climat wird deshalb auch Workshops für den Wissenstransfer in strategisch wichtigen Bereichen durchführen. Auch hier ist die lokale Verankerung ein wichtiger Trumpf.

Konkret: Welche Massnahmen müssen in der Klimastrategie getroffen werden?

Bereits heute fördern die Kantone etwa eine verbesserte Energieeffizienz von Gebäuden oder den Ausbau des ÖV-Angebots. Eine weitere Möglichkeit, die es zu prüfen gilt, ist die natürliche oder technische Speicherung von CO2. Im Jura laufen dazu Studien. Dabei wird der Atmosphäre mithilfe neuer Technologien CO2 entzogen und anschliessend im Boden eingelagert. Grosses Verbesserungspotenzial bietet auch die Kreislaufwirtschaft. Zu diesem Thema haben wir im Cercle Climat eine eigene Arbeitsgruppe gegründet. Einen erster Schritt in diese Richtung hat der Kanton Freiburg gemacht – indem er Ökodesign fördert und so bei industriellen Fertigungen den Verbrauch von Ressourcen senkt.

Raum für Zusammenarbeit und Sprachrohr

Im Cercle Climat haben sich die Leiterinnen und Leiter der kantonalen Umweltfachstellen zusammengeschlossen. Nicht vertreten sind die Kantone Appenzell Innerrhoden und Glarus, die derzeit ihre Umweltbehörden neu organisieren und eine Klimastrategie ausarbeiten. Der im September 2022 gegründete Verein will die Klimaschutzbemühungen in der Schweiz und in Liechtenstein besser koordinieren und dadurch stärken. Zudem will er den Anliegen der Kantone gegenüber dem Bund besseres Gehör verschaffen. Verschiedene Organe wie die Konferenz kantonaler Energie­direktoren (EnDK) sind im Cercle Climat als Beobachter ohne Stimmrecht im Verein vertreten. Der Verein ist zwar unpolitisch, äussert sich aber zu umweltstrategischen Fragen gegenüber den Gremien der kantonalen Verantwortlichen für Klimapolitik, darunter die Schweizerische Bau-, Planungs- und Umweltschutzdirektoren-Konferenz (BPUK) und die EnDK. An der ersten Gründerversammlung im Dezember 2022 in Freiburg setzte der Verein verschiedene Arbeitsgruppen ein, die sich unter anderem mit der Kreislaufwirtschaft und der kantonsübergreifenden Koordination befassen.

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Letzte Änderung 10.05.2023

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