Naturgefahren: Sich an Überschwemmungen anpassen – aber wie?

Wegen des Klimawandels werden in den nächsten Jahren Starkregen sowohl häufiger als auch intensiver. Dadurch steigt besonders die Gefahr von Überschwemmungen. Zwar gibt es mögliche Lösungen, um deren Auswirkungen einzudämmen, doch diese muss man zuerst nutzen lernen.

Text: Jean-Christophe Piot

Überschwemmungen im Juli 2021 am Sarnersee (OW)
Mehr als nur nasse Füsse – solche Überschwemmungen werden mit dem Klimawandel häufiger. Hier im Juli 2021 am Sarnersee im Kanton Obwalden.

Die Zerstörungen erreichten zwar nicht die Rekordsumme von drei Milliarden Franken von 2005, dennoch bleibt in der Schweiz das Unwetterjahr 2021 mit Schäden in der Höhe von 450 Millionen Franken ein trauriger Meilenstein. Erdrutsche, Murgänge, Felsstürze und vor allem Überschwemmungen: Seit fünfzehn Jahren hatten Naturereignisse nicht derart verheerende Schäden angerichtet. Und es ist keine Entspannung in Sicht, im Gegenteil: Die hydrologischen Szenarien zum Klimawandel «Hydro-CH2018» gehen von intensiveren und häufigeren Regenfällen in den nächsten Jahren aus, besonders im Winter. Im Klartext: Es wird noch stärker und häufiger regnen, wodurch es mehr Hochwasser geben wird.

«In den letzten fünfzig Jahren verursachten Erdrutsche oder Lawinen rund 10 Prozent der Schäden, Überschwemmungen 90 Prozent», sagt Wanda Wicki, Geografin und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim BAFU. «Ein Fünftel der Schweizer Bevölkerung ist von Hochwassergefahr betroffen, und schwere Unwetter gibt es in allen Kantonen.» Meist liegen die roten Zonen, die gemäss den Gefahrenkarten am stärksten gefährdet sind, in der Nähe von Seen, Flüssen oder Steilhängen. Doch: «Es kann jeden Ort im Land treffen», sagt Wicki. Vier Fünftel der Schweizer Gemeinden waren mindestens einmal in den letzten fünfzig Jahren betroffen – manchmal auf drastische Weise, wie in Lausanne im Jahr 2018: Innerhalb von zehn Minuten gingen in der Waadtländer Agglomeration vierzig Millimeter Regen nieder, und die Oberflächenabflüsse richteten in den tiefer gelegenen Stadtteilen enorme Schäden an.

Nötig ist mehr Sensibilisierung

Zwar überprüfen und überarbeiten die Kantons- oder Gemeindebehörden die Gefahrenkarten regelmässig. Diese sind auf den kantonalen Geoportalen frei zugänglich. Aber die Eigentümerinnen und Eigentümer von Gebäuden und Grundstücken sind nicht immer genügend auf die Gefahr von Überschwemmungen oder starken Oberflächenabflüssen sensibilisiert – obwohl landesweit zwei Drittel der Gebäude in einem Überschwemmungsgebiet liegen. Um die Gefährdung von Gebäuden zu verringern, gibt es technische Lösungen, etwa bei der Planung eines Neubaus oder für den Schutz von bestehenden Bauten durch bestimmte Systeme: Es lassen sich Pumpen installieren oder Rückstauklappen für die Kanalisationen, damit das Abwasser nicht aufsteigt. Ebenso mobile Trennwände aus Aluminium, um Türen und Öffnungen abzudichten, oder Mini-Dämme am Rand von Parzellen, die Wasserabflüsse dahin leiten, wo es gefahrlos abfliessen kann. Für jeden Neubau lassen sich solche möglichen strukturellen Massnahmen einplanen, in Absprache mit den lokalen Behörden, Architekturbüros und Bauherrschaften – etwa auch dichte Betonhüllen oder sogar das Anheben eines Gebäudes.

Grundsätzlich kann mehr und besseres Wissen zu den Risiken dazu beitragen, Schäden vorzubeugen, aber auch Leben zu retten – Überschwemmungen sind nicht harmlos, Menschen können darin ertrinken.

Was ist akzeptables Risiko?

«Das Schwierige beim Risikomanagement ist es, zu verstehen, dass so etwas wie ein absoluter Schutz vor Schäden nicht existiert», sagt Dörte Aller, Gründerin des Zürcher Beratungsbüros Aller Risk Management. «Weil es keine absolute Sicherheit gibt, ist es wichtig, sich der Risiken bewusst zu sein und mit diesen umzugehen.» So müssen etwa die Folgen einer Überschwemmungsgefahr akzeptabel, also wirtschaftlich und gesellschaftlich tragbar sein. «Beispielsweise ist für alle verständlich, dass bei einer Überschwemmung die Trinkwasserversorgung für einige Stunden beeinträchtigt sein kann. Dagegen ist der Gedanke, dass durch Unwetter Menschen sterben können, viel schwieriger anzunehmen.» Was genau zumutbar ist und was nicht, müssten wir als Gesellschaft gemeinsam festlegen. Bei jeder Naturgefahr spielen bestimmte Stellen und Akteure eine führende Rolle. «Bei Überschwemmungen sind dies meist die Gemeinden oder Kantone», sagt Aller. «Doch auch andere Risikoträger müssen miteinbezogen werden – wie die direkt Betroffenen oder die Versicherungen.» Auch darum sei es so wichtig, dass sich rasch ein besseres Bewusstsein für diese steigenden Gefahren entwickle.

Städte neu denken

Welches sind die Risiken im Zusammenhang mit Starkniederschlägen – und mit welchen Strategien und Massnahmen kann man ihnen begegnen? Antworten liefert der Bericht «Regenwasser im Siedlungsraum» des BAFU und des Bundesamts für Raumentwicklung. So sind die Schweizer Städte dazu aufgerufen, sich bei der Siedlungsentwicklung neu am Konzept der Schwammstadt zu orientieren. «Die Idee ist nicht mehr, den Regen aus dem städtischen Raum abzuleiten, sondern das überschüssige Wasser zu speichern und dann kontinuierlich wieder abzugeben», sagt Antoine Magnollay, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Sektion Hochwasserschutz des BAFU. «So lassen sich die Folgen des Oberflächenabflusses für Bauten mildern und gleichzeitig die städtische Vegetation bewässern, was wiederum Hitzeinseln entgegenwirkt.» Damit verbindet der Ansatz die positiven Wirkungen von Verdunstung, Versickerung und der Regulation von Abflüssen.

Fazit

In den nächsten Jahren wird es häufiger und stärker regnen und mehr Überschwemmungen geben. Dem müssen Bauprojekte Rechnung tragen. Informationen zu SIA-Baunormen, die auch für den Hochwasserschutz geeignete Massnahmen aufzeigen, finden sich auf: schutz-vor-naturgefahren.ch

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Letzte Änderung 10.05.2023

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