40 Jahre Schutz unserer schönsten Landschaften

21.11.2017 - Der sorgsame Umgang mit unseren wertvollsten und besonders typischen Landschaften lohnt sich: sie schaffen Identität und Verbundenheit, bieten den Menschen Erholungsraum, sind Lebensraum für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt und tragen wesentlich zur Standortattraktivität unseres Landes bei. Seit 40 Jahren schützt das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) diese einzigartigen Gebiete.

SCHWEIZ ALPAUFZUG ENGSTLIGENALP
Alpaufzug zur Engstligenalp in der Felswand der Entschligefäll (BLN 1513).
© KEYSTONE/Thomas Hodel

Wieso ein Inventar für geschützte Landschaften?

Das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) ist aus dem Willen der Bevölkerung entstanden, das Landschaftserbe zu bewahren. Der Wachstumsboom der Nachkriegsjahre hinterliess immer deutlichere Spuren in der Landschaft und löste bei einem Grossteil der Schweizer Bevölkerung ein wachsendes Unbehagen aus: Die Eigenart, Schönheit und Vielfalt an Landschaften und der Reichtum an Arten und Lebensräumen war bedroht. Immer häufiger formierte sich daher Widerstand gegen Grossprojekte. So zum Beispiel gegen das Kraftwerk Rheinau oder gegen den Bau eines Waffenplatzes in den jurassischen Freibergen (Franches-Montagnes).

Die Initiative zur Rheinau und ähnliche Volksbegehren wurden zwar abgelehnt, haben aber dazu geführt, dass 1966 das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz und 1977 das BLN in Kraft gesetzt wurden.

Der Protest im 1965 gegen einen Waffenplatz in den jurassischen Freibergen war erfolgreich. Die Franches-Montagnes wurden 1977 ins BLN-Inventar aufgenommen.
© Collection Bernard Willemin

Übersicht über wertvollste Landschaften und ihre Schutzziele

162 Natur- und Kulturlandschaften sind im heutigen BLN enthalten. In vier Serien 1977, 1983, 1996 und 1998 wurden sie schrittweise unter Mitwirkung der Kantone ins Inventar aufgenommen. Die BLN-Gebiete bedecken heute knapp 19 Prozent unserer Landesfläche. Sie sind die landschaftlichen Hotspots der Schweiz. Deshalb garantiert ihnen das Bundesrecht «in besonderem Masse die ungeschmälerte Erhaltung» und die «grösstmögliche Schonung» (siehe Kasten).

Alle Kantone mit Ausnahme von Basel-Stadt haben Anteil an mindestens einer dieser besonders wertvollen Landschaften.

 

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Flächenanteilen der BLN-Gebiete pro Höhenstufe: Dank dem Bundesinventar kann ein wichtiger Teil der alpinen Gebiete und Naturwerte erhalten werden.
© BAFU

Die meisten BLN-Gebiete vereinen mehrere Landschaftsqualitäten. So ist beispielsweise die Engstligenalp mit den Entschligefäll (BLN 1513) ein typisches Beispiel einer alpinen Schwemmebene der westlichen Schweizer Alpen, die in einer durch die frühere Vergletscherung entstandenen sogenannten «Karmulde» liegt. Ihre Grösse verleiht ihr dabei etwas Einzigartiges. Sie ist ein bekanntes und beliebtes Erholungsgebiet speziell für Bergwanderungen und Skitouren. Die 400 Meter hohen Entschligefäll gehören zu den grössten Wasserfällen der Schweiz und sind ein Naturdenkmal innerhalb dieser eindrücklich schönen Landschaft.

Generationen von Bauernfamilien aus Frutigen und Adelboden nutzen die Alp als Sömmerungsgebiet für das Vieh. Berühmt ist der spektakuläre Alpaufzug, der seit über hundert Jahren durch die hohe Felswand der Wasserfälle führt.

Die Engstligenalp ist eine der grössten Schwemmebenen der westlichen Alpen und liegt in einer durch die frühere Vergletscherung entstandenen Karmulde.
© Andreas Gerth

Das BLN zeigt für jedes Gebiet auf, wie die heutige Landschaft entstanden ist, welche Vielfalt an Tieren und Pflanzen sich darauf entwickelt hat, wie die Kulturlandschaft vom Menschen gestaltet und genutzt wurde, wie sie sich heute präsentiert und wie sie geschützt wird. Wie wurde die tief eingekerbte Schlucht bei Ponte Brolla mit ihren kunstvoll geschliffenen Felsen am Eingang zum Maggiatal gebildet? Wozu diente die genossenschaftlich organisierte und über Jahrhunderte betriebene Wiesenbewässerung in den Wässermatten des Mittellandes?

Die Antworten finden sich auf den beinahe 1000 Seiten umfassenden Objektblättern, die zusammen mit den Gebietskarten auf map.bafu.admin.ch zugänglich sind.

Faszination und Charakter der Landschaften

Der Mensch lebt in und mit der Landschaft. Sie charakterisiert sich einerseits durch äussere Merkmale, die einem Gebiet zu eigen sind. Die Landschaft wird aber auch stark durch innere Bilder sowie persönliche und gesellschaftliche Vorstellungen geprägt. Wir nehmen Landschaften mit allen Sinnen wahr, also neben dem Sichtbaren beispielsweise über Geräusche und Gerüche. Sonne, Höhe, Wind und Wasser lösen zudem körperliche Empfindungen aus und vermitteln uns damit ein ganz persönliches Bild einer Landschaft.

Naturlandschaften sowie gut erhaltene Kulturlandschaften haben eine nachweislich positive Wirkung auf die körperliche und geistige Gesundheit und das menschliche Wohlbefinden. Die Wirkungen sind dabei so vielfältig wie die Möglichkeiten, die Landschaften zu nutzen. Sei das für einen Waldspaziergang, das Entspannen oder Spielen am Fluss- oder Seeufer, die Wanderung auf einen Berggipfel und das Geniessen der Aussicht. Eine hohe Landschaftsqualität und eine intakte Biodiversität steigern das Erleben und den Genuss.

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Veränderung der Landschaftswahrnehmung als Funktion der BLN Fläche an der Gemeinde.
© BAFU

Das Monitoringprogramm Landschaftsbeobachtung Schweiz (LABES, BAFU 2017) zeigt, dass sich Natur und Landschaft in BLN-Gebieten tendenziell positiver entwickeln als ausserhalb. Die Zersiedelung ist weniger stark und die Lichtimmissionen sind geringer als im Landesdurchschnitt. Gemäss LABES bewertet auch die Bevölkerung die Landschaftsqualitäten der BLN-Gebiete positiv: Personen, die in einem BLN-Gebiet leben, nehmen ihre Umgebung als besonders schön, faszinierend und authentisch wahr.

Revision erhöht Wirksamkeit

Vor allem grosse BLN-Objekte stehen durch die Nutzungsansprüche unter hohem Druck. Dazu gehören das Siedlungswachstum, neue oder intensivierte Nutzungsformen in der Landwirtschaft, die Ansprüche des Tourismus und die Errichtung von Anlagen zur Gewinnung von Energie aus Wind und Wasserkraft. Die vergleichsweise erfreuliche Bilanz zum Zustand der Landschaft und den Entwicklungstrends innerhalb der BLN-Gebiete über die letzten 10 Jahre kommt nicht zuletzt daher, dass in BLN-Gebieten mehr Gewicht auf eine qualitativ hochwertige Weiterentwicklung der Landschaft unter Berücksichtigung ihres jeweils eigenständigen Charakters gelegt wird.

Dazu beigetragen hat neben diversen anderen Akteuren der 1991 zum 700-Jahr-Jubiläum der Eidgenossenschaft eingerichtete Fonds Landschaft Schweiz (FLS). Die nachfolgende Bilderserie zeigt Beispiele von Aufwertungen anhand von Vorher-Nachher-Vergleichen:

Ein Blick zurück in die 40-jährige Geschichte des BLN zeigt: Anfangs war der bewusstere Umgang mit den wertvollsten Landschaften der Schweiz alles andere als selbstverständlich. Noch in den achtziger und neunziger Jahren konnten kaum Unterschiede in der Landschaftsentwicklung zwischen BLN-Gebieten und Referenzregionen festgestellt werden. Nach einer Analyse des Instrumentes beauftragte der Bundesrat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) eine Revision einzuleiten, um die Wirksamkeit des BLN zu verbessern.

Diese Revision wurde 2017 abgeschlossen. Mit den präzisierten Objektbeschreibungen, den angegebenen Gründen für die nationale Bedeutung und den für jedes einzelne Gebiet konkret formulierten Schutzzielen können die Interessen von Schutz und Nutzung noch besser als bisher abgewogen werden. Das BLN bietet heute gute Voraussetzungen für eine langfristig qualitätsvolle Landschaftsentwicklung.

Die Schutzwirkung des BLN

Die BLN-Objekte sind geschützte Landschaften und Naturdenkmäler. Allerdings fordert das BLN keinen absoluten, flächendeckenden Schutz, sondern die Rücksichtnahme auf die spezifischen Schutzziele und -inhalte der einzelnen Objekte. «Durch die Aufnahme eines Objektes von nationaler Bedeutung in ein Inventar des Bundes wird dargetan, dass es in besonderem Masse die ungeschmälerte Erhaltung, jedenfalls aber unter Einbezug von Wiederherstellungs- oder angemessenen Ersatzmassnahmen die grösstmögliche Schonung verdient», heisst es in Artikel 6 des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG).

Damit in einer Interessenabwägung überhaupt in Betracht gezogen werden darf, vom Grundsatz der ungeschmälerten Erhaltung abzuweichen, muss ein konkretes Vorhaben in einem BLN-Objekt von mindestens gleichwertigem, nationalem Interesse sein. Dies gilt bei all dem, was der Bund in einem BLN-Gebiet baut, subventioniert oder bewilligt, den sogenannten Bundesaufgaben. Kantone und Gemeinden sind verpflichtet, das BLN bei ihrer Raumplanung angemessen zu berücksichtigen. Die Fachstellen für Natur und Landschaft bei Bund oder Kantonen beurteilen die Auswirkungen von Eingriffen auf das BLN. Die Entscheidbehörde nimmt die Interessenabwägung vor. Kann im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass ein Eingriff zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung eines BLN-Objekts führt, so ist ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission ENHK einzuholen.

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Letzte Änderung 21.11.2017

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