Landschaftsbeobachtung: Landschaftswandel hat viele Gesichter

Landschaften ändern sich – natürlicherweise und unter dem Einfluss der Menschen. Ein neu erschienener Bericht zeigt, welche Veränderungen die Bevölkerung positiv erlebt und wo die grossen Herausforderungen liegen.

Text: Oliver Graf

 Renaturierungen der Aire im Kanton Genf
Das Flüsschen Aire im Kanton Genf wurde im späten 19. Jahrhundert kanalisiert, was damals als Erfolg der Ingenieurskunst galt. Nun wurde die Aire renaturiert und zu einem wertvollen Lebens- und Erholungsraum umgestaltet; aus dem einstigen Kanal wurde eine lineare Parkanlage. Solche Renaturierungen kommen in der Bevölkerung gut an, wie eine Befragung zeigt.
© Fabio Chironi

Bevor die Emme zwischen den solothurnischen Gemeinden Zuchwil und Luterbach in die Aare mündet, fliesst sie durch eine intensiv genutzte, städtisch geprägte Region. Die Flusslandschaft versorgt die Agglomeration der Stadt Solothurn mit ihren über 75 000 Einwohnerinnen und Einwohnern allerdings nicht nur mit Wasser. Die Emmemündung ist auch Natur- und Erholungsraum: In einem 2020 abgeschlossenen Revitalisierungsprojekt wurde der Flusslauf grossräumig umgestaltet und aufgeweitet. «Damit sind die Anlieger besser vor Hochwasser geschützt», erklärt Projektleiter Roger Dürrenmatt vom kantonalen Amt für Umwelt. «Die Natur hat hochwertige Lebensräume zurückgewonnen und die Menschen der Region finden erst noch attraktivere Freizeitmöglichkeiten.»

Geschätzte Wasserlandschaften

Bei Revitalisierungen wird die Landschaft mitunter stark umgestaltet. Die meisten Menschen erleben diese Form des Landschaftswandels positiv, wie die kürzlich erschienenen Ergebnisse aus dem Programm «Landschaftsbeobachtung Schweiz» (LABES – siehe Box) belegen. Sie zeigen, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung in der eigenen Gemeinde renaturierte Flüsse oder Bäche bemerkt und diese fast einhellig positiv bewertet. Generell sind die Gewässer in der Schweiz äusserst beliebt. Sie sind gemäss LABES jener Teil der Landschaft, den Städterinnen und Städter in der warmen Jahreszeit am meisten zur Erholung nutzen. Rund 90 Prozent der Fluss-, Bach- und Seeufer der Schweiz sind ausserdem für die Bevölkerung zugänglich.

Was hat sich geändert?

Zersiedelung: Dieser Luftbildvergleich beim Dorf Boécourt im Kanton Jura zeigt, wie die Autobahn A16 heute die Landschaft zerschneidet. Solche Veränderungen bei den Verkehrsinfrastrukturen bewertet die Bevölkerung eher kritisch.

Revitalisierungen wie hier am Mürgibach bei Neudorf in Kanton Luzern werden geschätzt: Ein zuvor eingedoltes, also in Röhren unterirdisch verlegtes Teilstück des Bächleins wurde 2002 offengelegt und renaturiert.

Siedlungen dehnen sich aus

Noch deutlicher als Renaturierungen bemerken Menschen Veränderungen bei den Siedlungs- und Verkehrsinfrastrukturen. Allerdings fällt das Urteil hier überwiegend kritisch aus. Dies gilt etwa für neu gebaute Wohngebiete, Siedlungen, die sich in die offene Landschaft ausbreiten, oder den Verlust städtischer Grünflächen.

Tatsächlich dehnen sich gemäss LABES die Siedlungsflächen um jährlich 0,7 Prozent aus. Das Siedlungswachstum hat sich damit zwar etwas verlangsamt und ist erstmals weniger schnell als die Bevölkerungszunahme. Gleichzeitig schreitet die Zersiedelung der Landschaft aber weiter voran, und es werden immer mehr Böden versiegelt. Felix Kienast, Mitautor der Studie und Forscher an der WSL, bestätigt ausserdem, was schon der Bevölkerung aufgefallen ist: «Unsere Satellitendaten zeigen, dass die städtischen Grünflächen pro Jahr effektiv um rund ein Prozent schrumpfen.»

Gestaltung: eine Frage des Bewusstseins

«Insgesamt sind die Menschen mit der Qualität der Landschaft in ihren Wohngemeinden aber weitestgehend zufrieden», sagt Marcel Hunziker von der WSL, der ebenfalls an LABES mitarbeitete. Ablesen lässt sich dies an den unverändert hohen oder leicht steigenden Bewertungen für die landschaftliche Schönheit sowie für zugehörige Landschaftsaspekte wie Authentizität, Eigenart oder Ortsbindung.

Für Gilles Rudaz von der Sektion Landschaftspolitik des BAFU ist dies allerdings kein Grund, sich auszuruhen. Die Landschaft verändert sich laufend und viele Akteure sind an ihrem Wandel beteiligt – etwa Gemeinden, Anbieter im Tourismus und viele weitere Unternehmen, Landwirte oder auch Private, die die Natur in der Freizeit nutzen. «Nur wenn alle Akteure die Qualität der Landschaft bei ihren Entscheiden berücksichtigen, können wir die Vorzüge unserer Landschaften bewahren.» LABES könne, so Rudaz weiter, einen wesentlichen Beitrag leisten, um das Bewusstsein für die Landschaftsqualität zu fördern.

Durchblick dank Monitoring

Das Programm «Landschaftsbeobachtung Schweiz» (LABES) erfasst in regelmässigen Abständen sowohl den physischen Zustand der Landschaft als auch wie die Bevölkerung diese wahrnimmt. Das BAFU und die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) dokumentieren die Veränderungen im neu erschienenen Bericht «Landschaft im Wandel». Die Analysen stützen sich auf die Arealstatistik des Bundesamts für Statistik, Daten des Bundesamts für Landestopografie swisstopo, Satellitenbilder sowie auf eine repräsentative Bevölkerungsumfrage, die nach der Ersterhebung von 2011 im Jahr 2020 mit 2090 Befragten wiederholt wurde. Damit erfüllt das BAFU seinen gesetzlichen Auftrag, die Öffentlichkeit über Bedeutung und Zustand der Landschaft zu informieren.

Landschaft im Wandel

UZ-2219_D

Ergebnisse aus dem Monitoringprogramm Landschaftsbeobachtung Schweiz (LABES). 2022

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Letzte Änderung 10.05.2023

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