Editorial von Franziska Schwarz, Vizedirektorin BAFU
Jedes Mal, wenn ich nach Zürich fahre, geniesse ich die Offenheit der Landschaft. Der See,
die Weite – das ist für mich, in der Limmatstadt aufgewachsen, Heimat. In Bern dagegen
fühle ich mich stets etwas beengt. Ich empfinde die Lauben als einen Deckel über dem Kopf. Zudem ist mir die Eigernordwand etwas gar zu nahe. Für andere dürfte es genau umgekehrt sein: Sie nehmen Bern als heimelig wahr, während Zürich eine gewisse Distanz ausstrahlt. Einig sind sich aber wohl die meisten, dass die vielfältigen Landschaften mit ihren ganz spezifischen Eigenheiten zugleich Merkmal und Trumpf der Schweiz sind.
Doch obschon alle an einem schönen Ort leben möchten, sind es eben die Nutzungsbedürfnisse, die unweigerlich Druck auf die Landschaft und ihre Qualität ausüben. Der Traum vom Eigenheim mit Garten führt allzu oft dazu, dass Siedlungen konturlos ausfransen und die Landschaft beliebig wird. Dabei sehnen wir uns angesichts zunehmend standardisierter Bauten und uniformierter Siedlungen, die überall auf der Welt stehen könnten, nach dem Besonderen, regional Gewachsenen.
Die Lösung kann freilich nicht darin bestehen, im Stillstand zu verharren. Auch die Landschaft soll sich entwickeln können. Allerdings müssen dabei ihre Qualitäten erhalten bleiben, ja sie können sogar verbessert werden. Dazu braucht es Kompetenzen – und ein durchdachtes Vorgehen. Hierfür legt das Landschaftskonzept Schweiz (LKS) eine Basis: Es zielt unter anderem darauf ab, die landschaftliche Vielfalt zu fördern, indem es regionale Landschaftscharaktere aufwerten will und für eine standortangepasste Landnutzung eintritt.
Die Schweiz verdankt ihren schönen Landschaften viel. Dabei denke ich nicht in erster Linie an die bekannten Sehnsuchtsorte, die Gäste aus aller Welt anziehen. Vielmehr sind es klug geplante, menschenfreundliche Stadtlandschaften und Siedlungsränder, die den meisten von uns im Alltag eine hohe Lebensqualität bescheren. Damit die Vorzüge der Schweizer Landschaften bewahrt bleiben, braucht es bei all denen, die auf sie einwirken, das entsprechende Bewusstsein und die erforderliche Handlungskompetenz. Diese zu stärken ist ebenfalls ein erklärtes Ziel des LKS – und des vorliegenden Dossiers, das Sie hoffentlich mit Gewinn lesen werden!
Letzte Änderung 02.09.2020