Die erste Juragewässerkorrektion vermochte die Überflutungsgefahr noch nicht endgültig zu bannen. Erst die zweite Etappe ermöglicht die fein austarierte Regulierung von Flüssen und Seen.
Mit der ersten Juragewässerkorrektion waren noch nicht alle Probleme behoben. So sanken bei Niedrigwasser die Seepegelstände viel tiefer als vorhergesehen und erwünscht. Ein erstes, 1897 vollendetes Wehr bei Port vermochte die Situation nicht zu verbessern. Zudem sackten die trockengelegten Torfböden, auf denen nun Gemüse, Korn und Tabak gediehen, in sich zusammen und senkten sich, stellenweise gar bis um vier Meter. Und mit der Senkung nahm auch die Gefährdung durch Hochwasser wieder zu. Im Jahr 1910 traten nach rekordverdächtigen Niederschlägen die Seen über die Ufer und überschwemmten einen erheblichen Teil des grossen Mooses.
1939 wurde das Wehr bei Port durch eine neue Anlage ersetzt – als vorgezogene Massnahme der zweiten Juragewässerkorrektion. Das moderne Regulierwehr Nidau-Port vermochte den Pegel bei Niedrigwasser auf einem gewissen Niveau zu halten und verfügte auch über grössere Abflusskapazitäten bei hohem Wasserstand.
Rückstau setzt Land unter Wasser
Im November 1944 jedoch wurde die Region von einem weiteren verheerenden Hochwasser heimgesucht – dem schwersten seit Abschluss der ersten Juragewässerkorrektion. Die Aare schwoll gewaltig an, statt der durchschnittlichen 180 Kubikmeter pro Sekunde (m³/s ) ergossen sich 1'500 m³/s durch den Hagneckkanal in den Bielersee – was das Abflussvermögen des Wehrs Nidau-Port um mehr als das Doppelte übertraf. Die Folge: 800 m³/s drückten in den Bielersee zurück und fluteten durch den Zihlkanal auch in den Neuenburgersee und weiter in den Murtensee. Längs der Seeufer und Kanäle lag das Land unter Wasser. Es blieb nicht bei dieser einen Hochwasserkatastrophe: In den folgenden Jahren kam es regelmässig zu weiteren Überschwemmungen, sodass das Grosse Moos wieder zu versumpfen drohte.
1952 unterbreiteten die fünf betroffenen Kantone dem Bundesrat einen Vorschlag für eine Zweite Juragewässerkorrektion. Nach längeren Diskussionen über die Finanzierung sicherte die Bundesversammlung den Kantonen im Oktober 1960 einen Bundesbeitrag von 50 Prozent zu. Die Arbeiten zur Ausführung begannen im Jahr 1963. Geleitet wurden sie vom Ingenieur Robert Müller, der dafür seine Professur an der ETH aufgab.
Gedrosselte Abflussspitzen bis in die Unterläufe
Die Arbeiten der zweiten Juragewässerkorrektion zielten im Wesentlichen darauf ab, die drei Jurarandseen zu einem einzigen System zu verbinden und als kommunizierendes Rückhaltebecken mit einer Gesamtfläche von 280 km² zu nutzen. Damit die Pegel der drei Seen rascher beeinflusst werden konnten, galt es allerdings, die Abflusskapazitäten von Broye-, Zihl- und Nidau-Büren-Kanal zu erhöhen, d.h. die Kanäle abzutiefen und zu verbreitern.
Um im Kanton Solothurn die Aareebene zwischen Büren und Attisholz zu schützen, wurde ausserdem die Aare zwischen der Kantonshauptstadt und der Emmemündung um zwei Meter vertieft und um bis zu drei Meter verbreitert; zudem beseitigte man den berüchtigten «Emmenriegel» – ein Molassehügel, der sich dem Fluss auf dieser Strecke in den Weg stellte. Auch zwischen der Emmemündung und Flumenthal wurde das Aarebett vertieft. Des Weiteren gestattet es das 1970 in Betrieb genommene Regulierungswerk bei Flumenthal, das zugleich als Flusskraftwerk dient, den Abfluss der Aare zu regulieren.
Die Auswirkungen dieser Arbeiten strahlten bis weit über die unmittelbar betroffenen Regionen aus. Entsprechend wurde der Kanton Aargau schon früh – im April 1959 – konsultiert, damit er sich zu den Plänen äussern konnte. Die Aargauer Baudirektion gab ihre Zustimmung im August und hielt als eine der Bedingungen die sogenannte «Murgenthaler Regel» fest, d.h.: Die Beschränkung des maximalen Hochwassers bei der Messstation Murgenthal auf 850 m³/s. Gegenüber dem früheren Regime, das Abflussspitzen von bis zu 1000 m³/s vorsah, entsprach dies einer deutlichen Drosselung, die durch die wirkungsvollere Hochwasserregulierung am Oberlauf der Aare ermöglicht wurde.
Messungen zeigen, dass die zweite Etappe der Juragewässerkorrektion bis nach Basel segensreich wirkt. So wurde etwa beim Ereignis von 1999 – dem grössten Rhein-Hochwasser der letzten rund 120 Jahren – die Abflussspitze der Aare durch die aktive Regulierung der Jurarandseen von knapp 1000 m³/s zeitweilig auf 400 m³/s gedrosselt. Zudem traf die Flutwelle verzögert in der Stadt am Rheinknie ein, weil viel Wasser in den drei Seen zurückgehalten wurde. Überflutungen der Stadt, wie sie noch vor der Korrektur wiederholt zu beklagen waren, sind seit den letzten Korrektionsmassnahmen nicht mehr eingetreten.
Letzte Änderung 08.09.2017