Was alle angeht, können nur alle lösen

Editorial von Paul Steffen, Vizedirektor BAFU

Paul Steffen, Vizedirektor BAFU

Einen absoluten Schutz vor Naturgefahren gibt es nicht. Doch die Schweiz hat aus den vergangenen Naturkatastrophen gelernt und ein integrales Risikomanagement entwickelt, mit dem sich die Risiken auf ein akzeptables Mass senken lassen. Unser Umgang mit Naturgefahren hat ein hohes Niveau erreicht und findet auch international Anerkennung. Nun aber kommen neue Herausforderungen auf uns zu: Der Klimawandel verstärkt die Gefährdung durch Naturereignisse. Aufgrund der erhöhten Temperaturen und der Veränderungen im Niederschlagsregime ist mit einer deutlichen Zunahme an Murgängen, Rutschungen, Sturzprozessen und Hochwassern zu rechnen. Die Gefahren steigen nicht nur im Berggebiet, die ganze Schweiz muss sich auf neue Szenarien einstellen, etwa auf vermehrt auftretende und intensivere Niederschläge, die auch Ihren Keller unter Wasser setzen können.

Das Parlament will den Schutz der Bevölkerung verstärken und hat 2019 den Bundesrat beauftragt, den erforderlichen Ressourcenbedarf für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Systeme zur Warnung und Alarmierung bereitzustellen. So sollen neue Generationen von Unwetterwarnungen für unsere mobile und digitale Gesellschaft entwickelt werden. Ziel ist es, dass über die mobilen Geräte laufend aktualisierte, detaillierte und lokalisierte Informationen zu ausgewählten Standorten verfügbar gemacht werden. Im Weiteren soll eine Warnung vor Massenbewegungsgefahren realisiert werden. Das BAFU ist nun daran, ein entsprechendes System für Rutschungen und Hangmuren aufzubauen, das ähnlich wie die Dispositionswarnungen bei Lawinen funktioniert: Es gibt in verschiedenen Warnstufen Hinweise darauf, in welchen Gebieten und mit welcher Wahrscheinlichkeit Hänge aufgrund der aktuellen Wassersättigung instabil werden könnten. Auch die Überwachung der Rutschgebiete wird intensiviert. Mit der Satellitenradarinterferometrie (InSAR) ist es heute möglich, eine Vielzahl von Massenbewegungen zu überwachen und neue Bewegungen zu erkennen. Die regelmässige Auswertung von InSAR erlaubt für bestimmte Fälle auch eine Vorhersage von Niedergängen.

Mit Überwachungen, Warnungen und Schutzbauten allein lassen sich Schäden nicht komplett verhindern. Es braucht auch raumplanerische Massnahmen und eigen­verantwortliches Handeln, beispielsweise Investitionen in den Objektschutz oder eine der Gefahr angepasste Nutzung der Gebäude. Ob Hausbesitzer oder Mieterin, Bundes­bahn oder Elektrizitätswerk, Hotelier oder Garagistin, St. Galler oder Tessinerin – alle können von Naturgefahren betroffen sein. «Was alle angeht», so schrieb einst Friedrich Dürrenmatt, «können nur alle lösen.» Nur wenn sämtliche Akteure im Verbundsystem ihre Verantwortung übernehmen, lassen sich neue Risiken vermeiden und eine schweizweit vergleichbare Sicherheit für Menschen, Sachwerte und natürliche Lebensgrundlagen schaffen.

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Letzte Änderung 03.06.2020

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