Wie geht es unseren Schmetterlingen?

17.09.2019 – Sie kündigen den Sommer an und sorgen für Farbtupfer in unserem Leben. Doch der Artenreichtum dieser Tagfalter ist auch in der Schweiz bedroht. Insbesondere die seltenen, spezialisierten Arten leiden unter dem anhaltenden Verlust an Magerwiesen und Feuchtgebieten. Auf dem Vormarsch hingegen sind die Generalisten und die «Klima-Profiteure».

Schmetterlinge haben oft klare Vorlieben für bestimmte Blüten.
© Keystone

Wer sind die Schmetterlinge? 

Schmetterlinge zählen zu den beliebtesten und bekanntesten Insekten. Und doch dürften die meisten von uns nur einen winzigen Bruchteil der rund 3700 Arten kennen, die in der Schweiz ansässig oder hier regelmässig zu Gast sind. Der grösste Teil davon sind Nachtfalter (3436 Arten); die Gruppe der Tagfalter besteht aus 239 Arten, wovon 229 heimisch sind.

Beobachten lassen sich Schmetterlinge fast überall: in Wäldern und Wiesen, in Auen und Mooren, an Strassenböschungen und in Gärten, ja sogar auf Gletschermoränen. Die grosse Mehrheit der Tagfalter aber besiedelt blumenreiche Wiesen und Weiden sowie die angrenzenden Säume, Hecken und Waldränder.  

Wärmeliebende Arten im Vormarsch 

Die Artenvielfalt und die Bestände der Tagfalter werden seit 2003 in einem feinmaschigen Beobachtungsnetz erfasst, das die ganze Schweiz umspannt (Box unten). Die Auswertungen des Biodiversitätsmonitoring Schweiz (BDM) zeigen, dass die Zahlen der Arten- und Individuen in den letzten 15 Jahren zugenommen haben.

Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass das BDM vor allem die häufigen Arten erfasst; die seltenen Arten werden gezielt in der Roten Liste der bedrohten Tagfalter untersucht. Auch basiert die positive Entwicklung auf einem bereits sehr tiefen Ausgangsniveau (2003), insbesondere im Mittelland. Ende des 19. Jahrhunderts waren hier die Schmetterlingsbestände deutlich grösser, wie Fachliteratur und alte Sammlungen belegen. 

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Gefährdete, seltene Arten nehmen ab, häufige Arten nehmen zu (Quelle: BDM-BAFU).
© BAFU

Ausserdem verlaufen die Entwicklungen, je nach Gruppe und Region, sehr unterschiedlich. Zugelegt haben in den letzten 15 Jahren vor allem die wärmeliebenden Arten. So profitiert z. B. der Kurzschwänzige Bläuling von den wärmeren Sommern, die ihm der Klimawandel beschert, und breitet sich nun im gesamten Mittelland aus. Die kälteliebenden Arten des Hochgebirges wie z. B. der Gletscherfalter sind hingegen auf dem Rückzug, geplagt von den hohen Temperaturen und bedrängt von Konkurrenten, die in die höheren Lagen vordringen.  

 

Die seltenen Tagfalter werden immer seltener

Während die häufigen Arten auf dem Vormarsch sind, zeigt sich bei den seltenen Schmetterlingsarten ein ganz anderes Bild: Ihre Situation hat sich in vielen Fällen weiter verschlechtert, wie die Untersuchungen für die jüngste Rote Liste zeigen. 35 Prozent aller Tagfalterarten der Schweiz gelten mittlerweile als „bedroht“, drei Arten als „ausgestorben“. In der Summe nimmt die Vielfalt unserer Tagfalter also ab. 

Die bedrohten Schmetterlinge sind nahezu alle Spezialisten, die eng an einen bestimmten Vegetationstyp gebunden und auf eine oder wenige Wirtspflanzen angewiesen sind. So brauchen zum Beispiel die Raupen des Grossen Wiesenvögelchens für ihre Entwicklung eine sehr hohe Feuchtigkeit, spezielle Futtergräser (z. B. Wollgras) sowie Grasbüschel zum Überwintern. Das finden sie in Mooren. Doch von den einst mächtigen Moorlandschaften der Schweiz sind nur noch kümmerliche Reste geblieben. Und viele dieser Restmoore trocknen aus, weil sie weiterhin entwässert oder nicht passend bewirtschaftet werden. 

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Magerwiese mit vielen Schmetterlingen links und monotone Fettwiese mit intensiver Landwirtschaft mit nur einem Schmetterling rechts.
© BAFU

Ausserdem gelangen über die Luft Stickstoffe in die Moore, was die Zusammensetzung der Pflanzen verändert. Das Grosse Wiesenvögelchen reagiert darauf äusserst empfindlich. Einst in der Schweiz relativ weit verbreitet, ist es im Mitteland, im Jurabogen und den westlichen Voralpen praktisch verschwunden.  

 
 

Rote Liste der Tagfalter und Widderchen

Cover Rote Liste der Tagfalter und Widderchen

Papilionoidea, Hesperioidea und Zygaenidae. Gefährdete Arten der Schweiz, Stand 2012. 2014

Schwindende Lebensräume 

Ein Grossteil der bedrohten Arten ist auf Magerwiesen und –weiden angewiesen. Doch viele Blumenwiesen wurden in den letzten Jahrzehnten überbaut (insbesondere an südexponierten Hanglagen) oder für die Intensivlandwirtschaft umgenutzt. Auch die Feuchtgebiete – wichtiger Lebensraum für eine Vielzahl von Insekten – sind grösstenteils verschwunden. In den ausgeräumten Äckern und im gedüngten Grünland finden die Schmetterlinge kaum noch Nahrung und auch keine geeigneten Plätze für die Eiablage. Ausserdem sind sie hier Insektiziden sowie gefährlichen Rotations- und Schlegelmähern ausgesetzt – und das gleich mehrmals pro Jahr. 

Nachdem im Unterland fast alle Magerwiesen und- weiden verschwunden sind, erfasst die intensive Landwirtschaft nun zunehmend auch das Berggebiet. Ehemals nur mit ein wenig Mist gedüngte Wiesen und Weiden werden nun intensiv gedüngt und gewässert, was zusätzliche Schnitte ermöglicht und die Erträge erhöht. Gleichzeitig zieht sich die Landwirtschaft aus schwierig zu bewirtschaftenden Lagen zurück. In der Folge breitet sich der Wald aus, und die Schmetterlinge verlieren weitere Lebensräume. In den Südalpen gilt der Rückzug der Landwirtschaft in Höhenlagen als Hauptgrund für die dort sinkenden Artenzahlen. 

Das Tagfalter-Monitoring des Bundes weist aber auch Erfolgsgeschichten aus: So scheinen einige Magerwiesen-Spezialisten wie z. B. der Schachbrettfalter von der Biodiversitätsförderung in der Landwirtschaft, den neu geschaffenen Blumenstreifen und Brachflächen zu profitieren.

Jeder und jede kann etwas für die Schmetterlinge tun

Wir alle können zum Wohl der Schmetterlinge beitragen. Eine wichtige Chance bietet sich beim Einkauf von Lebensmitteln. Der biologische Landbau verzichtet auf chemisch-synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel, die einen grossen Druck auf die Insekten ausüben. Aber auch im eigenen Garten oder auf dem Balkon kann man die Schmetterlinge fördern und dabei gleich selber von den attraktiven und aromatischen Pflanzen profitieren.

 
Was wir machen können
Was wir für die Schmetterlinge pro Lebenszyklus tun können.
© BAFU

Als Raupenfutter für viele Arten eignen sich zum Beispiel Labkraut, Blutweiderich, Grosse Brennnesseln, Dost, Weidenröschen, Disteln und Skabiose. Exotische Zierpflanzen und Hecken sind für die einheimischen Raupen wertlos, manchmal sogar giftig. Ausserdem brauchen die Raupen ruhige Plätze zum Verpuppen: alte Gräser, Asthaufen, dürre Sträucher oder Kletterpflanzen. Die ausgewachsenen Falter schliesslich benötigen von Frühling bis Herbst Blüten mit Nektar. Als Nektarspender eigenen sich beispielsweise Lavendel, Wasserdost, Thymian, Wilder Dost, Schwarze Heckenkirsche, Rüebli, Katzenminze, Nelken und Skabiosen. 

Die Falter belohnen unsere Hilfe dafür mit ihrer farbenprächtigen Präsenz. Mit etwas Glück lässt sich die faszinierende Metamorphose einer Raupe in einen Schmetterling sogar unmittelbar verfolgen. Die Schmetterlinge bringen aber nicht nur Farbe in unser Leben, sie sind auch wichtige Bestäuber: Auf der Suche nach Nektar tragen die Vielflieger Pollen von Blüte zu Blüte. Zudem bilden sie die Basis der Nahrungspyramide: Zahlreiche Tiere ernähren sich von den proteinreichen Raupen und Faltern, u.a. Käfer, Spinnen, Wespen, Igel, Eidechsen und Vögel.  

Aktionsplan zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität

Die Vielfalt an Tieren und Pflanzen, an Lebensräumen und ihr Zusammenspiel bilden die Lebensgrundlage unserer Gesellschaft. Leider steht die Biodiversität in der Schweiz zunehmend unter Druck. Damit alle für das Ökosystem wichtigen Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz gute Lebensbedingungen vorfinden, hat der Bundesrat im September 2017 den Aktionsplan zur Strategie Biodiversität Schweiz verabschiedet.
Im Zentrum steht der Auf- und Ausbau eines Lebensnetzes für die Schweiz. Dieses Netzwerk aus Kern- und Vernetzungsgebieten soll das langfristige Überleben der Arten garantieren. Neben Massnahmen zur Aufwertung und Vernetzung bestehender Lebensräume, umfasst der Aktionsplan Massnahmen zur Förderung der Biodiversität in anderen Politikbereichen, wie der Landwirtschaft oder der Raumplanung. Den dritten Pfeiler des Aktionsplans bildet die Vermittlung von Biodiversitätswissen in Wirtschaft und Gesellschaft.

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Letzte Änderung 17.10.2019

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