Hydrometrische Messstationen: Für die Zukunft gewappnet

Informationen über Wasserstand und Temperatur von Flüssen, Seen und Grundwasser sind wichtige Grundlagen für deren Schutz und nachhaltige Nutzung sowie für die Hochwasserprävention. Die hydrologischen Messstationen des Bundes stellen diese Daten rund um die Uhr zur Verfügung. Nun wurden sie auf den neusten Stand der Technik gebracht.

Text: Lukas Denzler

In Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS) erneuert das BAFU die hydrologischen Messstationen – darunter auch die Datenlogger, welche die gemessenen Werte der Sensoren speichern und weiterleiten.
© Manuel Fercher

Robert Lukes, Leiter der Sektion Hydrometrie beim BAFU, schliesst die Türe des kleinen rundum versprayten Gebäudes auf. Damit Tageslicht ins Innere der fensterlosen Messstation Schönau in Bern gelangt, öffnet er die Balkontüren zur Aare hin. Das Häuschen gleich gegenüber dem Tierpark Dählhölzli ist Teil des hydrologischen Messnetzes des BAFU. Es dient dazu, Temperatur, Wasserstände und Abflussmengen sowie weitere Kenngrössen an Schweizer Gewässern zu überwachen. An rund 200 Stellen wird fortlaufend die abflies­sende Wassermenge bestimmt, und an etwa 70 Stationen erfolgen Temperaturmessungen.

Erhebung des Wasserstandes

Bei der Station Bern-Schönau überspannen drei Drahtseile den Fluss. Sie gehören zur Seilkrananlage, welche die Messung des Abflusses mit speziellen Instrumenten ermöglicht. Aus den Fliessgeschwindigkeiten der Aare an mehreren Stellen und dem Flussquerschnitt ergibt sich die im Moment abfliessende Wassermenge. Die an verschiedenen Tagen ermittelten Abflussmengen lassen sich mit den entsprechenden Wasserständen in Beziehung setzen. Für die laufenden Messungen genügt es deshalb, nur den Wasserstand zu erheben. In der Station Bern-Schönau geschieht dies mittels Drucksensoren. Je höher der Wasserstand und damit die Wassersäule, desto grösser ist auch der Wasserdruck und somit der Abfluss.

Datenübermittlung via Internet

In Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS) startete das BAFU 2016 ein Projekt zur Erneuerung wesentlicher messtechnischer Komponenten der Messstationen. Es kostet rund 4,5 Millionen Franken und wird 2019 abgeschlossen. «Wir mussten mehrere Komponenten ersetzen – darunter auch die Datenlogger, welche die gemessenen Werte der Sensoren speichern und weiterleiten», sagt Robert Lukes vom BAFU. Ein Antrieb für das Projekt war zudem die Ankündigung der Swisscom, die bisherigen analogen Geräte der Datenübermittlung könnten nach 2018 nicht mehr verwendet werden. Früher waren die Stationen mit einem Modem ausgestattet, wie es aus den Anfängen des Internets bekannt ist. Heute hingegen erfolgt die gesamte Kommunikation digital auf der Basis des sogenannten Internet-Protokolls (IP-Kommunikation). Neu können die Fachleute damit via Internet direkt auf die Geräte der Stationen zugreifen. Damit lassen sich Kosten sparen, weil man Störungen meistens aus der Ferne beheben kann, sodass eine Anreise entfällt.

Stationsbeobachter, die in der Messstation einmal pro Woche zum Rechten sehen, braucht es freilich auch im digitalen Zeitalter. Denn um korrekte Daten zu gewährleisten, sind die automatisierten Messungen von Zeit zu Zeit vor Ort zu überprüfen.

Sichere Notstromversorgung

Die Messstation Bern-Schönau ist seit Mai 2016 modernisiert. In allen umgerüsteten Stationen sehen die blauen Elektronikschränke praktisch gleich aus. Muss ein Techniker Anpassungen vornehmen, trifft er also künftig überall dieselben Komponenten an. «Ein gros­ser Vorteil besteht auch darin, dass wir das System bei Bedarf erweitern und anpassen können», sagt Robert Lukes. Für die Datenübermittlung stehen mit dem Fest- und Mobilfunknetz zwei voneinander unabhängige Varianten zur Verfügung. Ein weiteres Plus ist die optimierte Notstromversorgung. Bei einem Unterbruch der Netzstromzufuhr reichten die Batterien der Stationen bislang nur für den Betrieb von sechs Stunden. «Jetzt sind Akkus eingebaut, die den Weiterbetrieb der elementaren Komponenten während zweier Tage gewährleisten», erläutert Robert Lukes. Zudem lässt sich die Akkuleistung bei Bedarf durch eine mobile Stromversorgung erweitern.

Meldungen an die Polizei

Die Messstationen müssen insbesondere auch während Hochwasser- und Unwetterereignissen ihren Dienst zuverlässig erfüllen. Wird beispielsweise in Bern-Schönau ein bestimmter Pegel überschritten, so erhalten Polizei und Feuerwehr automatisch eine Meldung. Damit können die Wehrdienste rechtzeitig Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung treffen.

Die Daten sind insbesondere Grundlage für die Abflussvorhersagen des BAFU, bei denen man in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt hat. Die Auswertungen des katastrophalen Hochwassers vom August 2005 haben nämlich aufgezeigt, dass die Schäden mit besseren Abflussvorhersagen und entsprechenden Warnungen deutlich geringer ausgefallen wären. Damals wie auch im Spätsommer 2007 waren unter anderem das Berner Mattequartier sowie Thun und Biel stark betroffen.

In der Messstation Bern-Schönau steht neben dem blauen BAFU-Schrank auch ein orangefarbener Kasten. Dieser wird vom Amt für Wasser und Abfall (AWA) des Kantons Bern genutzt und dient zur Steuerung der Schleusen in Thun und somit zur Regulierung des Thunersees. «Seit Inbetriebnahme des Hochwasserentlastungsstollens in Thun im Jahr 2009 hat diese Messstation für uns noch grössere Bedeutung erhalten», erläutert Bernhard Wehren, Leiter der Seeregulierung beim AWA. Mit dem Stollen können – zusätzlich zum Abfluss der Aare – bis zu 100 Kubikmeter Wasser pro Sekunde aus dem Thunersee entlastet werden. Damit lassen sich Überschwemmungen von seeufernahen Quartieren deutlich reduzieren. Bis Ende August 2018 ist der Entlastungsstollen 17 Mal mit gutem Erfolg zum Einsatz gekommen. Den Prüfstein eines wirklich grossen Hochwassers hatte er allerdings noch nicht zu bestehen.

Es geht nur zusammen

Im Ernstfall gilt es zu verhindern, dass Unterlieger – wie etwa die Stadt Bern – durch die zusätzlich abgeleiteten Wassermengen zu Schaden kommen. «Überschreitet der Pegel in Bern einen bestimmten Wert und drohen gemäss den Prognosen weiterhin hohe Abflüsse, wird weniger Wasser durch den Stollen aus dem Thunersee abgelassen», erklärt Bernhard Wehren. Je präziser dieses Zusammenspiel erfolgt, desto besser ist das Ergebnis. Laut dem Fachmann fliessen die bei der Messstation Bern-Schönau erfassten Werte direkt und automatisch in die Steuerung der Seeregulierung ein. Die Mitarbeitenden des AWA stützen sich dabei auf Daten von zwölf Pegel- und Abflussmessstationen ab. Sieben davon betreibt der Kanton Bern und weitere fünf das BAFU, wobei letztere gleichzeitig Teil des nationalen Messnetzes sind.

Vielfältiger Nutzen

Für die laufende Beurteilung der Hochwassergefährdung in Bern spielen – neben dem Ausfluss der Aare aus dem Thunersee – vor allem auch die Zuflüsse der Aare unterhalb von Thun eine wichtige Rolle. Während eines Ereignisses ist die zuverlässige Datenverfügbarkeit ohne Zeitverzug entscheidend. Deshalb erfolgen Messungen, Aufzeichnung und Datenübermittlung jeweils über mindestens zwei voneinander unabhängige Arten. «Bei den Messungen stützen wir uns teilweise sogar auf drei Sensoren ab», sagt Bernhard Wehren. Zeigten nämlich zwei Sensoren unterschiedliche Werte an, so bringe der dritte oft Klärung, welcher Wert wahrscheinlich falsch sei.

Neben den Behörden profitiert auch die Wirtschaft von den hydrologischen Messdaten des Bundes. So sind die Daten etwa für die Schifffahrt entscheidend (siehe Box). Aber auch Kanufahrende oder Passionierte des Flussschwimmens interessieren sich für die Informationen, wobei ihnen entsprechende Apps zur Verfügung stehen, die auf Daten des BAFU zurückgreifen.

Sobald das Projekt zur Umrüstung der Messstationen abgeschlossen ist, wird das BAFU ein Konzept zur Information der Bevölkerung vor Ort erarbeiten. Dies bietet sich geradezu an, befinden sich doch zahlreiche Messstationen direkt an Wanderwegen.

«Ohne Pegelangaben geht gar nichts»

Messungen des Wasserstandes und Abflussvorhersagen sind auch für die Rheinschifffahrt zentral. «Ohne Pegelangaben geht gar nichts», sagt Jelena Dobric von den Schweizerischen Rheinhäfen in Basel. Problematisch sind dabei sowohl sehr hohe Wasserstände als auch sehr tiefe. Bei Hochwasser muss der Rhein gesperrt werden, weil die Schiffe in Basel nicht mehr unter der Mittleren Brücke hindurchkommen. Meistens ist das während eines Hochwassers aber nur während ein bis zwei Tagen der Fall. Bei Niedrigwasser wiederum können die Schiffe weniger laden. Laut Jelena Dobric musste die Schifffahrt in Basel allerdings noch nie ganz wegen tiefer Wasserstände gesperrt werden. Die Situation im Sommer und Herbst 2018 mit sehr tiefem Wasserstand über Monate hinweg sei aber schon aussergewöhnlich gewesen. Um solche Situationen künftig besser meistern zu können, wird in Basel derzeit die Schifffahrtsrinne vertieft.

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Letzte Änderung 06.03.2019

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