Wasserqualität: Ein halbes Jahrhundert auf dem Weg zu sauberen Flüssen

21.12.2022 - Seit 50 Jahren sammelt das NADUF-Programm Wasserproben von Schweizer Flüssen. Das liefert wertvolle Hinweise über den Zustand der Umwelt. So lässt sich etwa die Menge an Nährstoffen oder an giftigen Schwermetallen überwachen.

Text: Trinidad Barleycorn

Die Station Porte-du-Scex oberhalb der Rhonemündung in den Genfersee: Die Rampe vorne rechts führt zur Tauchpumpe und verschiedenen Sensoren im Fluss
© Annette Boutellier/Lunax

In der Schweiz kann man in den meisten Flüssen ohne Gefahr einer bakteriellen Verunreinigung baden. Noch zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren war dies ganz anders: An vielen Orten war das Baden verboten. Algen- und Schaumteppiche bedeckten einige Gewässer und manchmal sah man tote Fische an der Wasseroberfläche treiben. Eine intensivere Analyse der chemischen Parameter in den Gewässern war offensichtlich mehr als notwendig geworden. Seit damals konnte die Wasserqualität dank verschiedenen nationalen Monitoring-Programmen von Oberflächengewässern stark verbessert werden. Ein wichtiger Teil davon ist das nationale Programm zur Daueruntersuchung von Fliessgewässern NADUF (siehe Box).

Dieses Programm startete 1972 mit fünf Stationen zur Probenahme. Später wurden es mehr, bis zu 24. Aktuell sind 15 Stationen in Betrieb. Ab 2011 kamen zu NADUF weitere Programme hinzu, die zusammen mit den Kantonen in der Nationalen Beobachtung der Oberflächengewässerqualität (NAWA) durchgeführt werden und sich auf ein grösseres Netzwerk von Messstellen stützen. So werden nun an rund 130 Orten in der ganzen Schweiz Wasserdaten gesammelt – mit dem Ziel, die Konzentrationen von Nährstoffen und Mikroverunreinigungen zu bestimmen.

Die Proben werden über sieben oder vierzehn Tage hinweg genommen. Zusätzlich wird kontinuierlich gemessen: Wasserstand, Abfluss, Temperatur, pH-Wert, Leitfähigkeit, Sauerstoff und Wassertrübung (abhängig vom Gehalt an Schwebstoffen). Die Daten und Analyseergebnisse von NADUF werden von kantonalen Organisationen, wissenschaftlichen Projekten und zur Berechnung von Umweltindikatoren wie etwa der «Wasserqualität der Flüsse» verwendet.

Die BAFU-Mitarbeitenden Florian Storck, Alessandra Riva und Lucas Passera (von links nach rechts) vor der Messstation Porte-du-Scex an der Rhone.
© Annette Boutellier/Lunax

Wassergesundheit gestern und heute

An diesen seit einem halben Jahrhundert gesammelten Daten lässt sich die Entwicklung zahlreicher Stoffe und Parameter verfolgen, vor allem die Menge an Nährstoffen und Schwermetallen. Durch die Daten lässt sich auch überprüfen, wie sich Massnahmen zum Schutz der Oberflächengewässer auswirken und ob weiteres Handeln nötig ist. Beispielsweise konzentrierte sich das NADUF-Programm ab 1972 auf die Bekämpfung von Nitraten und Phosphaten: Phosphathaltige Waschmittel wurden verboten, der Einsatz von Dünger limitiert und in die Kanalisation und Abwasserreinigung investiert. So liess sich die Verschmutzung stark reduzieren.

Weitere Erfolge gab es im Rhein bei Basel, wo die Stickstoffbelastung des Wassers in den 1990er-Jahren um etwa 30 Prozent zurückging. Auch die Belastung mit Blei, Kupfer und Quecksilber verringerte sich. In der Westschweiz führte die Rhone 1976 mehrere Kilogramm Quecksilber pro Tag in den Genfersee. Als die industriellen Einleitungen eingeschränkt wurden, senkten sich die Einträge bis ins Jahr 2000 auf meist weniger als 100 Gramm pro Tag.

Allerdings sind die Herausforderungen nach wie vor enorm. So haben sich die Stickstoffeinträge seit den 2000er-Jahren kaum verändert und das Reduktionsziel zum Schutz der Nordsee ist noch nicht erreicht. Und: Der Gehalt an Chlorid in der Rhone hat sich von 1975 bis heute fast verdoppelt. «Die Qualität des Oberflächenwassers in der Schweiz ist zufriedenstellend, aber sie entspricht nicht immer und nicht überall den gesetzlichen Mindestanforderungen», sagt Florian Storck, Chef der Sektion Hydrologische Grundlagen Gewässerzustand am BAFU und dort verantwortlich für NADUF.

Im Schaltschrank der Station werden die Daten technisch aufbereitet, die Signale übertragen und die Messtechnik gesteuert.
© Annette Boutellier/Lunax
Mit dem «Schöpfer», einer frequenzgesteuerten Kippvorrichtung, werden Wasserproben aus dem Becken entnommen. Die beschrifteten Kanäle führen zu verschiedenen Flaschen im Kühlschrank.
© Annette Boutellier/Lunax

Stickstoff und Phosphor ersticken Gewässer

Laut dem kürzlich vom BAFU veröffentlichten Bericht «Gewässer in der Schweiz – Zustand und Massnahmen» beeinträchtigen Pestizide aus der Landwirtschaft und Arzneimittel aus Siedlungsabwasser viele Flüsse und Bäche, vor allem im Mittelland. «Bestimmte Seen und Flüsse enthalten immer noch zu viel Phosphor und Stickstoff. So entsteht in einigen Seen ein Sauerstoffmangel, was zum Verschwinden bestimmter Pflanzen- und Fischarten führen kann», sagt Storck. «Hinzu kommt, dass die Schweizer Flüsse zu grosse Mengen an Stickstoff in die Meere transportieren.»

Angesichts des Klimawandels beschäftigt sich das NADUF-Programm auch mit den Schwankungen der Wassertemperatur, was für Wasserorganismen wichtig ist. Während der Hitzewelle im Jahr 2022 sorgten Bilder von Hunderten toten Fischen für Schlagzeilen und machten deutlich, dass «einige Arten zwar 28 Grad Celsius überleben konnten, doch andere empfindlicher reagierten, etwa die Forelle», erinnert sich Florian Storck. «Der Anstieg der Wassertemperatur betrifft auch die Voralpenflüsse, wenn auch in einem geringeren Ausmass», sagt Manfred Stähli, der bei der WSL für die NADUF-Messungen in den Einzugsgebieten des Alpthals zuständig und für die Datenauswertung mitverantwortlich ist. «Unsere Wildbäche führen sehr sauberes Wasser. In den letzten 20 Jahren ist die Temperatur in diesen Bächen auf 1000 bis 1500 Metern Höhe über Meer allerdings um 0,4 Grad Celsius gestiegen. Im Sommer 2022 waren sie fast ausgetrocknet.» Diese Situation sei zwar nicht neu, fügt Stähli hinzu und verweist auf die Hitzewellen in den Jahren 2003 und 2018. «In Zukunft dürfte dies aber immer häufiger vorkommen.» Dank technischer Verbesserungen in den letzten Jahrzehnten verfügt NADUF inzwischen über ein effizientes Instrumentarium. Heute werden Proben schneller und automatisiert entnommen, und die Messmethoden ermöglichen es, mehrere Parameter auf einmal zu quantifizieren.

Zusammenarbeit mit Nachbarn

Da Flüsse über Landesgrenzen hinaus fliessen, ist auch die europäische Zusammenarbeit entscheidend. So tauscht das BAFU Daten mit der Europäischen Umweltagentur und den internationalen Gewässerschutzkommissionen für den Rhein, den Bodensee, den Genfersee oder den Lago Maggiore aus. «NADUF ermittelt nicht nur punktuell die Konzentrationen von Stoffen, wie es andere Länder tun, sondern misst auch sogenannte Frachten», sagt Florian Storck. Eine Fracht ist die Menge eines Stoffs pro Zeiteinheit, also etwa, wie viel davon innerhalb eines Jahres eine bestimmte Gewässerstelle durchfliesst. «Das ist unsere Stärke, denn diese Daten werden im Ausland selten gemessen oder nur grob geschätzt.»

Zudem arbeiten das BAFU und seine Partnerinstitutionen bereits daran, die gesammelten Daten noch besser zu nutzen: «Die Ermittlung der Stofffrachten hat bei Nährstoffen und Metallen bereits wertvolle Hinweise in Bezug auf die erforderlichen Massnahmen und deren Evaluation geliefert», erklärt Storck. «Wir können uns deshalb vorstellen, neben Schwermetallen und Seltenerdmetallen auch Mikroschadstoffe, die immer häufiger auftreten, laufend zu untersuchen. Dafür wird ein intensiver Austausch mit den wissenschaftlichen Partnern, den Kantonen und den Verantwortlichen der anderen nationalen Monitoring-Programme notwendig sein.» Schwermetalle und Nährstoffe bleiben gerade im Klimawandel wichtige Themen, um die Einträge der Fliessgewässer in die grossen Seen besser zu verstehen. Denn die höheren Temperaturen verändern das Zirkulationssystem der Seen. Zudem führt die Gletscherschmelze dazu, dass mehr Feststoffe freigesetzt werden – auch das kann sich auf die Seen auswirken.

Analysierte Parameter

Die gesammelten Wasserproben werden auf folgende Stoffe und Eigenschaften analysiert: Nitrat, ortho-Phosphat, Gesamtphosphor und Gesamtstickstoff, totaler und gelöster organischer Kohlenstoff, Gesamthärte, Alkalität, Schwebstoffe, Chlorid, Sulfat, Kieselsäure, Calcium, Natrium, Magnesium, Kalium, Zink, Kupfer, Chrom, Cadmium, Nickel, Quecksilber und Blei. Andere Parameter können in punktuellen Messkampagnen ebenfalls ermittelt werden.

Ergebnis einer Zusammenarbeit

Hinter dem Kürzel NADUF (Nationale Daueruntersuchung Fliess­gewässer) stehen drei Einrichtungen, die eng zusammenarbeiten: das BAFU, die Eawag (Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs) und seit 2003 die WSL (Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft). Das BAFU koordiniert das Programm, legt in Zusammenarbeit mit seinen Partnern die Monitoring-Strategie fest, führt die Probenahmen in grossen und mittleren Gewässern durch, wertet die Daten aus und sorgt für die Verbreitung der Ergebnisse. Die Eawag übernimmt die Laboranalysen, die Auswertung und die wissenschaftliche Publikation eines Teils der Daten und die WSL überwacht mit Messstationen die kleinen Flüsse im Alpthal. 

Für die Interpretation der Ergebnisse und die wissenschaftliche Diskussion sind die drei Partner gemeinsam zuständig. Zu den Nutzniessern der Probenahme-Infrastruktur gehören Forschungsinstitute sowie kantonale und nationale Organisationen.

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Letzte Änderung 21.12.2022

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