21.09.2020 - Starke Niederschläge führten am letzten Augustwochenende 2020 in zahlreichen Flüssen der Süd-, Zentral- und Ostschweiz zu Hochwasser. Trotz sehr hoher Regenmengen wurde aber maximal die Gefahrenstufe 3 erreicht.
Vom 28. bis 30. August fielen auf der Alpensüdseite und in Teilen der Alpen ergiebige Niederschläge, die teilweise mit Gewittern durchsetzt waren. Am meisten Regen verzeichneten das Tessin, Graubünden sowie die Zentral- und Ostschweiz (siehe Auswertungen von MeteoSchweiz unter «Links»).
Die Regensumme über die zwei Tage vom Morgen des 28. bis am Morgen des 30. August betrug auf der Alpensüdseite über 150 mm, im Maggiagebiet lokal über 260 mm. In Gebieten von Nord- und Mittelbünden waren es 90 bis 140 mm. Am 29. und 30. August griffen die starken Niederschläge auch auf den östlichen Alpennordhang über. Dort wurden in zwei Tagen Summen von 80 bis 100 mm gemessen, lokal auch mehr. Die Schneefallgrenze lag anfangs über 3000 m ü.M. und sank erst gegen Ende des Ereignisses auf rund 2000 m ü.M., lokal deutlich tiefer (1400 bis 1700 m ü.M.).
Gefahrenstufen 2 und 3 in zahlreichen Flüssen
Ab Freitagmittag, 28. August, stiegen die Wasserstände vieler Flüsse im Tessin und Graubünden stark an. Im Verlaufe des Samstags überschritten die Abflüsse in mehreren Gebieten die Grenze zur Gefahrenstufe 2. So etwa im Hinterrhein bei Fürstenau, in der Moesa bei Lumino, aber auch im Rom bei Müstair und im Inn bei Martina. An einigen Messstationen wurden Abflüsse der Gefahrenstufe 3 beobachtet, z.B. in der Calancasca bei Buseno. Im Einzugsgebiet der Maggia traten die grössten Abflussspitzen am Sonntag, 30. August, auf. In Bignasco erreichte die Maggia die Gefahrenstufe 3, in Locarno die Gefahrenstufe 2.
Mit dem Übergreifen der Niederschläge auf die Alpennordseite in der zweiten Phase des Ereignisses ab Samstag, verlagerte sich das Hochwassergeschehen zunehmend in die Zentral- und Ostschweiz. Ab dem Mittag des 30. August überschritten mehrere Flüsse dieser Regionen die Schwellenwerte zur Gefahrenstufe 2, z.B. die Muota in Ingenbohl, die Lorze in Zug oder die Murg in Wängi. In St. Gallen stieg die Sitter in die Gefahrenstufe 3 an. Auch die Thur schwoll im Verlaufe des Sonntags stark an und erreichte an allen BAFU-Messstationen (Jonschwil, Halden und Andelfingen) Gefahrenstufe 3.
Der Wasserstand des Alpenrheins war aufgrund der grossen Zuflüsse aus dem Bündnerland bereits am Mittag des 29. August sehr rasch angestiegen und verharrte bis zum nächsten Mittag auf erhöhtem Niveau. Danach nahm er nochmals deutlich zu und der Abfluss überschritt gegen Sonntagabend den Schwellenwert zur Gefahrenstufe 3.
Auch die Napfregion war in der zweiten Phase vom Hochwasser betroffen. Sowohl in der Emme wie in der Kleine Emme wurden Abflüsse der Gefahrenstufe 2 beobachtet.
Aufgrund der hohen Zuflüsse sind auch einige Seen stark angestiegen. Die Pegel blieben aber überall unterhalb der Gefahrenstufe 2.
Detaillierte Angaben zu den höchsten Messwerten, den Wiederkehrperioden und den maximal erreichten Gefahrenstufen sind folgender Zusammenstellung zu entnehmen:
Vergleich der maximalen Abflüsse und Wasserstände mit den Gefahrenstufen für Hochwasser (provisorische Daten)
Vom Niedrigwasser zum Hochwasser und zurück
Es mag erstaunen, dass die Flüsse und Seen in den betroffenen Gebieten trotz der enormen Regenmengen nicht stärker angestiegen sind und keine noch grösseren Hochwasserspitzen gemessen wurden. Obwohl MeteoSchweiz eine Warnung für Starkregen der Stufe 5 herausgab, waren «nur» Hochwasserwarnungen der Stufen 2 bis 3 notwendig.
Folgende Faktoren dürften dazu beigetragen haben:
- Die Wochen vor dem Ereignis waren auf der Alpensüdseite ausgesprochen trocken. Die Böden waren ausgetrocknet, die Gewässer führten vielerorts Niedrigwasser.
- Der Lago Maggiore beispielsweise war mit einem Wasserstand von rund 192.32 m ü.M. bis am 28. August ausserordentlich tief. Der See wies daher genügend Kapazität auf, die grossen Zuflüsse aufzunehmen. Der Pegel blieb trotz des starken Anstiegs um 1,30 m rund 90 cm unter der Gefahrenstufe 2. Nach dem Ereignis lag der Lago Maggiore nur leicht über dem langjährigen Durchschnittswert für Ende August (siehe Grafik unten).
- Auch am Alpenrhein war die Ausgangslage günstig. Im Juli und bis zum Ereignis Ende August waren die Niederschlagsmengen unterdurchschnittlich und die Böden trocken. Die Schneefallgrenze war hoch, aber die grossen Regenmengen fielen nicht auf Schnee, so dass kein zusätzliches Schmelzwasser die Abflüsse erhöhte. Allerdings sank die Schneefallgrenze erst gegen Ende des Ereignisses markant ab. Ein früheres Absinken hätte die Abflussspitzen noch weiter abdämpfen können.
- Das Niederschlagsereignis verlief über mehrere Tage mit wechselnden Intensitäten. Die Gewitter zogen einmal mehr südlich, dann wieder nördlicher über das Tessin und den Kanton Graubünden hinweg. Somit gab es in den einzelnen Gebieten immer wieder kürzere Niederschlagspausen. In der Folge lassen sich in vielen Abflussganglinien mehrere aufeinanderfolgende Hochwasserspitzen erkennen, jeweils unterbrochen durch zwischenzeitliche Abflussrückgänge.
Trotz dieser grossen Regenmengen lagen einige Flusspegel im Tessin und Graubünden zwei bis drei Tage nach den Regenfällen bereits wieder auf einem Wert deutlich unter dem langjährigen Mittel.
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Letzte Änderung 21.09.2020