Hochwasserereignisse vom Juli und August 2014

16.09.2014 - Hydrologischer Spezialbericht des Bundesamts für Umwelt BAFU vom 16. September 2014 „Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser“. Selten hat sich diese – unter Naturgefahren-Fachleuten bekannte – Aussage so bewahrheitet wie im verregneten Sommer 2014: Kaum waren die Abflüsse und Wasserstände der Schweizer Gewässer einmal gesunken, setzten nächste Niederschläge ein, welche die Pegel wieder stark ansteigen liessen. Ein Überblick über die Hochwasserereignisse im Juli und August 2014.

Hinweis: Alle erwähnten Messdaten sind provisorisch.


Selvatica im Valle Verzasca am 13. August 2014 (Foto: Philippe Gyarmati, BAFU)

Meist dauert ein Hochwasserereignis einen oder wenige Tage. Dass durch mehrere intensive Niederschlagsphasen über eine längere Zeit ein Ereignis dem anderen folgt und die einzelnen Ereignisse kaum voneinander abzugrenzen sind, ist eher selten. Im Folgenden werden einige Eckpunkte der Ereignisse herausgegriffen und die höchsten Abflussspitzen aufgezeigt. Eine ausführliche Ereignisanalyse des BAFU ist geplant und wird in den kommenden Monaten von den involvierten Fachstellen erarbeitet.


1. Zwei- bis dreimal so viel Regen wie normal

Der Juli 2014 wird vielen als sehr regenreich in Erinnerung bleiben. Tatsächlich dauerten die Niederschläge - mit Unterbrüchen - mehrere Wochen an. Es traten immer wiederkehrende Starkniederschläge auf, die lokal und von Gewittern begleitet auch sehr heftig waren. Im Juli 2014 fiel in grossen Teilen der Schweiz die doppelte, mancherorts sogar die dreifache Regenmenge, wie sonst im Juli üblich. Insbesondere westlich der Reuss wurden an zahlreichen Messstationen neue Rekordsummen für den Monat Juli gemessen. Aber auch in der Ostschweiz gab es punktuell neue Juli-Höchstwerte.

Räumliche Verteilung der monatlichen Niederschlagssummen im Juli 2014: Dargestellt sind die absoluten Werte (links) und die Abweichungen zum klimatologischen Normwert 1981-2010 (rechts). Quelle: MeteoSchweiz.

2. Abflusssituation: „Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser"

Während der Monate Juli und August hat der Bund fast täglich Naturgefahrenbulletins publiziert und Hochwasserwarnungen herausgegeben, wie in untenstehenden Zusammenstellungen sichtbar ist.

Trotz der ausgiebigen Niederschläge kam es in diesem Sommer zu keinem einzelnen Grossereignis wie z.B. in den Jahren 2005 oder 2007. Vielmehr gab es an den Fliessgewässern der Schweiz verbreitet immer wieder kleinere Hochwasser, wie sie statistisch gesehen alle 2 bis 5 Jahre vorkommen. Verbreitet wurden aber auch höhere Jährlichkeiten verzeichnet (siehe unten). Zudem waren die Seestände mancherorts erhöht. An einigen Flüssen wurden saisonale oder sogar absolute neue Rekorde verzeichnet. So zum Beispiel an der Gürbe oder an der Emme. Die grossen Abflussmengen haben lokal teilweise zu grossen Schäden geführt.


3. Die grössten Ereignisse des Sommers 2014

Nachfolgend werden einige besondere Beispiele herausgegriffen. Eine ausführlichere Zusammenstellung der maximalen registrierten Abflussmengen und Wasserstände sind in untenstehendem Dokument zusammengestellt.

  • 22. Juli: Der Abfluss der Kander erreichte nach starken Niederschlägen und gleichzeitig hoher Schneefallgrenze die Gefahrenstufe 5, die Lütschine Gefahrenstufe 4. Die Messstation Kander-Hondrich registrierte ein über 50-jährliches Hochwasser, die Station Lütschine-Gsteig ein Hochwasser welches im Schnitt weniger als einmal in 30 Jahren auftritt.
  • 24. Juli: Ein sehr heftiges, stationäres Gewitter am Oberlauf der Emme führte zu einem über 100-jährlichen Hochwasser (Gefahrenstufe 5). Bei der Station Emme-Eggiwil wurde ein neuer absoluter Höchstwert registriert. Weiter flussabwärts an der Emme bei Emmenmatt und Wiler wurde je ein 10-jährliches Hochwasser beobachtet. Auch an den Tagen danach stieg die Emme mehrmals stark an (siehe Grafik unten).
  • 1. August: Die Simme bei Oberried/Lenk erreichte nach einem stationären Gewitter die Gefahrenstufe 5 und einen Abfluss, der seltener als alle 100 Jahre erwartet wird.
  • 7. August: Ein Gletscherseeausbruch auf der Plaine Morte, führte bei schönem Wetter an der Simme bei Oberried/Lenk zu einem 10- bis 30-jährlichen Hochwasser der Gefahrenstufe 3. Dieses lokale Ereignis bot spektakuläre Bilder. Ähnliche Gletscherseeausbrüche sind auch beim Grindelwald- und vom Gornergletscher bekannt und können in den Sommermonaten immer wieder vorkommen.
  • 11. August: Die Gürbe erreicht eine Abflussmenge, die im Schnitt nur alle 50 bis 100 Jahre vorkommt (Gefahrenstufe 5). Innerhalb weniger Stunden fielen im Einzugsgebiet 50 bis 60 mm Niederschlag und die bereits gesättigten Böden konnten die Wassermassen nicht aufnehmen.
  • 13. August: Auch an der Albula bei Tiefencastel reichte ein Starkregen mit eingelagerten Gewitterzellen von wenigen Stunden aus, um ein Hochwasser der Gefahrenstufe 4 zu verursachen. Diese Abflussmenge tritt statistisch gesehen alle 50 bis 100 Jahre auf.
Hochwassersituation der Fliessgewässer im Juli und August 2014: Vergleich der maximalen Abflüsse mit der Hochwasserstatistik
Crue de l'Aar

Hochwasser an der Aare: Abfluss und Wasserstand der BAFU-Messstationen zwischen Thunersee und Bern sowie an der Gürbe von Juli bis Mitte August 2014.

Abflusswerte der BAFU-Messstationen zwischen vom Bielersee bis Murgenthal sowie bei Emme-Wiler von Juli bis Mitte August 2014.
Hochwasser an der Aare unterhalb des Bielersees

Hochwasser an der Aare unterhalb des Bielersees: Abflusswerte der BAFU-Messstationen zwischen vom Bielersee bis Murgenthal sowie bei Emme-Wiler von Juli bis Mitte August 2014.

Gleich mehrmals innerhalb weniger Wochen stieg der Fluss stark an. Abflusswerte der BAFU-Messstation Emme-Eggiwil von Juli bis August 2014.
Hochwasser an der Emme

Hochwasser an der Emme: Gleich mehrmals innerhalb weniger Wochen stieg der Fluss stark an. Abflusswerte der BAFU-Messstation Emme-Eggiwil von Juli bis Mitte August 2014.


4. Gesättigte Böden und kurze, heftige Gewitter

Einige Besonderheiten prägten die oben erwähnten Ereignisse:

  • Niederschläge über mehrere Wochen führten zu gesättigten Böden. Die Böden konnten kaum trocknen, bis wieder Regen fiel.
  • Wegen der gesättigten Böden ab der 2. Julihälfte reichten verhältnismässig kurze Gewitterregen aus, um weitere Hochwasser zu produzieren. Örtlich führten diese Gewitterregen zu teilweise starken Abflussanstiegen in kleineren Gewässern und erheblichen Schäden.
  • Nachfolgende Regenfälle konnten oft nicht mehr im Boden versickern, sondern flossen als so genannten Oberflächenabfluss direkt ab. Lokal entstanden daher Überschwemmungen und Schäden nicht nur durch Flüsse, die über die Ufer traten.
  • Die Hauptschadenplätze lagen in den Kantonen Bern, Luzern und St. Gallen. Besonders betroffen waren die Emmentaler Gemeinden Schangnau und Sumiswald sowie Altstätten (SG).
  • Aufgrund der langanhaltenden Wassersättigung der Böden und der grossen Niederschlagssummen und -intensitäten kam es lokal zu Hangrutschungen. Zahlreiche Strassen und Bahnlinien waren zeitweise unterbrochen (z.B. Bahnlinie bei Flamatt oder Zugsunglück bei Tiefencastel).
  • Die Regulierung der grossen Schweizer Seen spielte eine wichtige Rolle, um noch grössere Schäden zu verhindern. Bei Regenpausen konnte durch die Öffnung der Wehre am Bieler-, Thuner-, Zürichsee und teilweise am Vierwaldstättersee Wasser abgelassen werden, um so Platz zu schaffen für die kommenden Regenfälle. Oder es konnte durch Drosseln der Seeausflüsse vermieden werden, dass sich Hochwasserwellen überlagerten und zu noch grösseren Abflussmengen führten (z.B. Bielerseeausfluss und Emme-Hochwasser oder Thunerseeausfluss und Aare, siehe Grafiken oben).

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Letzte Änderung 16.09.2014

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