Strassenschächte als Belastungsquellen: Mit Aluplaketten gegen Fischsterben

Achtlos weggeschüttete Flüssigkeiten können Bäche und Flüsse verschmutzen und dadurch Wasserlebewesen gefährden. Eine Informationskampagne macht die Bevölkerung darauf aufmerksam, dass jeder dritte Strassenschacht nicht an eine Kläranlage angeschlossen ist, sondern direkt in ein Gewässer führt.

Text: Kaspar Meuli

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© VSA

Meldungen wie diese tauchen regelmässig in den Medien auf: «Im Bach Coppet bei Domdidier (FR) sind letzte Woche gegen 400 Forellen verendet. Das Fischsterben wurde durch giftiges Schmutzwasser ausgelöst. Die Ermittlungen ergaben, dass das Wasser nach Reinigungsarbeiten an einer Fassade in die Regenwasserkanalisation entleert worden war.»

In den meisten Fällen geschehen solche Umweltsünden nicht aus bösem Willen, sondern schlicht aus Unwissen. Vielen Konsumentinnen und Konsumenten ist nicht bewusst, dass sie es bei Putzmitteln mit Produkten zu tun haben, die für Wasserlebewesen giftig sind. Und wer weiss schon, dass Flüssigkeiten, die in Ablaufrinnen oder Strassenschächte geschüttet werden, direkt in den nächsten Bach oder Fluss gelangen können?

Putzmittel, Insektizide, Zigaretten

«Weil Ablaufgitter zu Unrecht auch Kanalisationsschächte genannt werden, kann der Eindruck entstehen, dass sie einer Abwasserreinigungsanlage angeschlossen sind», sagt Michael Schärer vom BAFU. «Dies ist aber nicht immer der Fall, was negative Folgen für die Umwelt haben kann.» So verursache Schmutzwasser, das unbehandelt in Gewässer gelange, regelmässig «bedeutende Verschmutzungen», stellt der Leiter der Sektion Gewässerschutz fest. Hochgiftig für die Wasserfauna und -flora sind neben Putzmitteln auch Insektizide oder Desinfektionsmittel. Schäden an den Ökosystemen im und am Wasser richten zudem Reinigungsmittel für Autos und Velos an, genauso wie Farben, Pinselreiniger oder Pflanzenschutzmittel. Nicht zu vergessen sind die achtlos in Ablaufgitter geworfenen Zigarettenstummel. Eine Studie der San Diego State University hat gezeigt, dass Filter nur langsam zerfallen und dabei Giftstoffe abgeben, die nicht nur für niedere Wasserlebewesen tödlich sein können, sondern auch für Fische. «Bei vielen Stoffen, die mit Schmutzwasser in unsere Bäche, Flüsse und Seen gelangen, handelt es sich um sogenannte Mikrovereinigungen, welche Wasserlebewesen bereits in sehr tiefen Konzentrationen schädigen können», erklärt Michael Schärer.

Jeder dritte Schacht betroffen

Nun aber will eine Informationskampagne des Verbands Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) mit dem weitverbreiteten Irrtum aufräumen, dass alle Ablaufschächte zu einer Kläranlage führen. Dazu bietet der VSA Aluminiumplaketten mit einem durchgestrichenen Putzeimer und der Aufschrift «Kein Schmutzwasser ins Gewässer» an. Damit sollen Strasseneinlaufschächte gekennzeichnet werden, die nicht an eine Abwasserreinigungsanlage (ARA) angeschlossen sind, was auf jeden dritten Schacht zutrifft. «Es ist zwar generell verboten, verschmutztes Wasser in Einlaufschächte zu schütten», sagt VSA-Direktor Stefan Hasler, «gemacht wird es jedoch trotzdem.» Etwa, weil Handwerker Lösungsmittel oder Farbresten nicht in einer frisch renovierten Wohnung entsorgen möchten und dies deshalb auf der Strasse täten oder weil Marktleute ihr Reinigungswasser loswerden wollten. Auch Abwasser aus der Fassadenreinigung oder sogar der Inhalt mobiler Toiletten würden hin und wieder via Strasseneinlaufschacht entsorgt.

Beliebte Hinweisplaketten

Die Anfang 2017 lancierten «VSA-Rondellen» finden laufend mehr Abnehmer. Innerhalb eines Jahres haben weit über 100 Gemeinden sowie Kantone in der ganzen Schweiz mehr als 16 000 dieser Hinweisplaketten bezogen. Sie haben einen Durchmesser von 10 Zentimetern und lassen sich einfach auf dem Strassenbelag montieren. Der Kanton Freiburg zum Beispiel bringt die Rondellen routinemässig bei Ablaufgittern an, wenn innerhalb des Siedlungsgebiets eine Kantonsstrasse saniert oder neu gebaut wird. Das betrifft eine beträchtliche Fläche, denn vom insgesamt 630 Kilometer langen Netz der Kantonsstrassen befindet sich mehr als ein Drittel in Bauzonen, und diese zählen knapp 10 000 Strassenabläufe.

Sehr aktiv ist auch die Gemeinde Weiningen im Zürcher Weinland, wo 2017 eine Verschmutzung des Länggenbachs zum Tod von Edelkrebsen führte. Als Reaktion auf diesen Vorfall mit einer giftigen Flüssigkeit werden im Dorf mit seinen knapp 5000 Einwohnern nun alle Ablaufschächte, die nicht in die ARA entwässern, mit der Hinweistafel «Kein Schmutzwasser» markiert.

Die bisher wohl grösste Markierungsaktion ist in der Stadt Bern geplant. Auf dem ganzen Stadtgebiet wollen die Behörden in einem Quartier nach dem anderen bei kritischen Ablaufschächten die Hinweisplaketten montieren. Die Bevölkerung wird an speziellen Anlässen auf die Folgen des nachlässigen Umgangs mit Schmutzwasser für die Gewässer aufmerksam gemacht. Um der Aktion gewissermassen einen amtlichen Stempel aufzudrücken, wurde eigens eine Version mit dem Stadtwappen entworfen. Spezielles Augenmerk verlangt das Montieren die Rondelle in der Berner Altstadt. Sie zählt zum Unesco-Welterbe, weshalb auch die Denkmalpflege grünes Licht für die Plaketten geben muss.

Bevölkerung sensibilisieren

Das Kennzeichnen von Ablaufgittern und die damit verbundene Sensibilisierung der Bevölkerung sind Teil einer ganzen Palette von Massnahmen, mit denen die Schweiz das Problem von Mikroverunreinigungen in den Gewässern angehen will. Dies geschieht am besten an der Quelle, damit die Schadstoffe gar nicht erst ins Wasser gelangen. «Die Reduktion der Belastung der Gewässer mit Mikroverunreinigungen ist heute eine der grössten Herausforderungen für den Gewässerschutz», heisst es in einem 2017 veröffentlichten Bericht des Bundesrats. Er zeigt auf, wie sich der Eintrag dieser Stoffe reduzieren lässt. Die Quellen und Eintragspfade von Mikroverunreinigungen fasst der Berichtso zusammen: landwirtschaftliche Tätigkeiten, Aktivitäten von Haushalten und Betrieben im Siedlungsbereich – oft im Freien – sowie der Umgang mit teils problematischen Stoffen in Industrie und Gewerbe. In die Gewässer gelangen die Stoffe durch «diffuse Einträge». Das heisst, sie versickern, werden abgeschwemmt oder durch Drainagen aus landwirtschaftlich genutztem Gebiet in Bäche geleitet. Bei den «punktuellen Einträgen» spielt die Infrastruktur der Siedlungsentwässerung eine zentrale Rolle, also unter anderem die Einlaufschächte auf Strassen.

Massnahmen an der Quelle

Mikroverunreinigungen weist jedoch auch das in Kläranlagen gereinigte Wasser auf, das wieder in die Gewässer abgeleitet wird. Diese problematischen Stoffe stammen vor allem aus Haushalten, aber auch aus Industrie- und Gewerbebetrieben sowie Spitälern. Grund für die Belastungen ist, dass konventionelle Kläranlagen Mikroverunreinigungen nur unzureichend abbauen oder zurückhalten können. Deshalb hat das Parlament beschlossen, die ARAs technisch aufzurüsten. In den kommenden 20 Jahren werden die rund 100 wichtigsten von etwa 800 Schweizer Kläranlagen so ausgebaut, dass sie auch Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser entfernen können.

Diesem bereits angelaufenen Ausbau zum Trotz sei es wichtig, die Massnahmen an der Quelle zu verbessern, hält der Bundesrat fest. Die Behörden setzen dabei vor allem auf bessere Information. So will der Bund das umweltbewusste Verhalten in Haushalten und bei der Wirtschaft fördern. Verbessert werden sollen insbesondere die umweltschonende Anwendung und Entsorgung von Produkten wie Medikamenten und Pestiziden. Dazu tragen nicht zuletzt die Aluplaketten des VSA bei.

Illegaler Einsatz von Herbiziden

Doch noch bleibt viel Aufklärungsarbeit zu leisten. «Den Konsumentinnen und Konsumenten fehlt es beim Umgang mit Alltagsprodukten, die Gewässer schädigen können, an Problembewusstsein», sagt der BAFU-Gewässerschutzexperte Michael Schärer. «Medikamente und Haushaltchemikalien werden noch viel zu oft einfach ins WC gekippt, statt in den Sonderabfallstellen entsorgt, die es in den meisten Gemeinden gibt.»

Schlicht gesetzeswidrig ist der Griff zu einem Unkrautvertilgungsmittel, wenn auf Kieswegen oder zwischen Steinplatten Pflanzen spriessen. Auf Strassen, Wegen und Plätzen sowie auf Dächern und Terrassen ist der Einsatz von Herbiziden nämlich untersagt. Grund für dieses Verbot ist, dass die Mittel von diesen Flächen sehr schnell abfliessen können und ins Grundwasser versickern oder über die Kanalisation in Seen, Flüsse und Bäche gelangen. Alternativen zum verbotenen Einsatz von Unkrautvertilgungsmitteln gibt es viele. Die effektivste Methode ist das Jäten. Aber auch ein guter Besen erfüllt seinen Zweck: Regelmässiges Wischen entfernt Humus und Samen und verhindert das Keimen von Pflanzen.

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Letzte Änderung 28.11.2018

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