Trockenheit Herbst 2011: Häufige Fragen zu Auswirkungen auf Natur und Umwelt

25.11.2011 - Die letzten Monate waren in weiten Teilen der Schweiz aussergewöhnlich trocken. Das BAFU beantwortet die häufigsten Fragen zu den Auswirkungen in seinem Zuständigkeitsbereich.

Fragen und Antworten zu den Auswirkungen der Trockenheit auf:


Meteorologie

Wie hoch - bzw. wie gering - waren die Niederschläge im langjährigen Vergleich für diese Jahreszeit?

Gemäss Angaben der MeteoSchweiz lagen die Niederschläge im August fast überall in der Schweiz teils deutlich unter dem langjährigen Monatsmittelwert. Die Monate September und Oktober brachten dann im Jura, in den Voralpen und den Alpen wieder normale bis überdurchschnittliche Niederschläge, anderswo aber blieb es verbreitet trocken. Insbesondere im Gebiet vom Wallis über die Zentralschweiz bis zum Bodensee fielen seit rund einem Monat nur unbedeutende Regenmengen.

Auf der Alpensüdseite und im Wallis wurde das Niederschlagsdefizit Anfang November durch heftige Regenfälle kompensiert.

Insgesamt ist die aktuelle Trockenzeit zwar selten, aber nicht einzigartig. Allerdings ist es bereits die zweite in diesem Jahr. Ab Anfang Februar bis gegen Ende April fielen ebenfalls sehr geringe Niederschlagsmengen. Vor allem in der Westschweiz und im Wallis gehört deshalb die Periode von Jahresbeginn bis heute zu den trockensten seit Aufnahme der regelmässigen Messungen im Jahr 1864.


Natur

Ist die gegenwärtige Trockenheit für die Tier- und Pflanzenwelt ein Problem?

Für die Vegetation hat die winterliche Ruhezeit bereits begonnen, und auch die Verdunstung ist im Herbst und Winter geringer als in den warmen Jahreszeiten. Für das, was die Pflanzen jetzt noch brauchen, reicht bereits der Tau am Morgen. Deshalb ist die gegenwärtige Trockenheit längst nicht so problematisch, wie wenn sie im Frühling oder im Sommer auftreten würde. Für die wildlebende Flora verursacht sie keine Probleme.

Dasselbe gilt für die landlebende Tierwelt. Nirgendwo in der Schweiz herrscht für sie akuter Wassermangel. Im vergangenen Frühling war dies anders. So trockneten zum Beispiel zahlreiche Tümpel schon zur Laichzeit der Amphibien aus, weshalb in manchen Populationen eine ganze Generation ausfiel. Im Spätsommer ist es indessen für zahlreiche Kleingewässer normal, dass sie trocken fallen. Den Amphibien macht dies nichts aus, denn sie haben bis dann schon längst ihre Landlebensräume aufgesucht.

Spürbare Auswirkungen hatten die beiden diesjährigen Trockenperioden auf die Pilzernte. Ende Juli gab es einen Steinpilzstoss, der viele Sammlerinnen und Sammler überaus glücklich machte. Möglicherweise hatte der warme Frühling die Pilze bereits mit der Wärmemenge versorgt, die sie benötigen, um Fruchtkörper zu bilden - was sie nach den Regenfällen im Juli dann auch massenhaft taten. In einzelnen Regionen - zum Beispiel in der Umgebung von Lausanne - schossen auch in der zweiten Oktoberhälfte noch viele Fruchtkörper verschiedenster Pilzarten aus dem Boden, und nach den Regenfällen vom 10. Oktober begannen insbesondere Mykorrhizapilze zu fruchten. Die kleinen Herbstpilze, die sehr unmittelbar auf Regen reagieren, fehlten heuer hingegen fast ganz. Insgesamt war 2011 kein gutes Pilzjahr.


Landwirtschaft und Wald

Wie ist die Landwirtschaft betroffen?

Weil die Vegetationsperiode vorbei ist, macht die gegenwärtige Trockenheit der Landwirtschaft wenig Kummer. Im Gegenteil: Sie hat den Vorteil, dass die Bäuerinnen und Bauern die Äcker sauber abernten und die Grünlandflächen gut beweiden lassen können, ohne dass Bodenschäden eintreten. Bewässert werden müssen allenfalls die Reben im Wallis, die sonst einzugehen drohen.

Und wie steht es um den Wald?

Für die Bäume und Sträucher hat die winterliche Wachstumsruhe ebenfalls bereits begonnen. Der Bedarf an Feuchtigkeit ist daher gering. Die Waldbewirtschaftung wird durch die gegenwärtige Trockenheit eher begünstigt, fällt doch diese in die Hochsaison der Holzernte. Trockene Böden sind dafür vorteilhaft: Die Rückgassen für den Holztransport können problemlos befahren werden, und die Erntemaschinen richten kaum Bodenschäden an.

Für die weitere Entwicklung von allfälligen Trockenheitsschäden oder für ein vermehrtes Auftreten von Schadorganismen im Wald sind die Niederschlagsverteilung und -menge bis zum Vegetationsbeginn im nächsten Frühling entscheidend. Problematisch werden könnte es, wenn die Niederschläge weiterhin weitgehend ausbleiben und zugleich der Boden gefriert. Nadelbäume, die auch im Winter an sonnigen Tagen Wasser verdunsten, könnten dann wegen einer so genannten Frosttrockenheit unter Stress geraten.

Besteht Waldbrandgefahr?

Die Kantone Tessin, Graubünden und St. Gallen haben umfassende oder lokale Feuerverbote beschlossen. In den anderen Kantonen wurden noch keine Massnahmen ergriffen. An südexponierten Lagen kann die Brandgefahr aber gross werden. Mehr und mehr Sorgen bereiten sonnige Hänge wie etwa im Wallis zwischen Siders und Fully. Dort wurden die Förster damit beauftragt, das Brandrisiko vor Ort abzuklären. Prekär werden könnte es gebietsweise, wenn Föhn aufkommt. Dies gilt auch für Wälder in den Kantonen Bern, Graubünden, St. Gallen und Tessin.

Im Tessin kam es am Wochenende vom 19. auf den 20. November zu diversen kleineren Flurbränden. Diese konnten aber rasch unter Kontrolle gebracht werden.

Den Anordnungen der lokalen Behörden ist unbedingt Folge zu leisten.


Flüsse und Seen

Wie wirkte sich die Trockenheit bisher auf die Wasserführung der Schweizer Bäche und Flüsse aus?

Die Wasserstände sind saisonal bedingt im November normalerweise eher tief, doch aufgrund der unterdurchschnittlichen Niederschläge in den letzten Monaten ist die Situation ausgeprägter. Im Mittelland und im Jura führen die kleinen und mittleren Fliessgewässer deutlich weniger Wasser als sonst zu dieser Jahreszeit. Der Abfluss liegt im Bereich der Werte, wie sie statistisch gesehen einmal alle 2 bis 5 Jahre gemessen werden. Lokal werden noch geringere Abflussmengen und damit noch seltener zu erwartende Werte registriert. Dies gilt etwa für die Thur (SG, TG, ZH), die Minster (SG), die Murg (LU) sowie die Sionge (FR). Auf der Alpensüdseite und in den Alpen sind die Wasserstände hingegen normal oder gar leicht über dem herbstlichen Durchschnitt.

Bei den grösseren Gewässern liegt die Wasserführung im Bereich des Novembermittels oder nur leicht darunter. Ausnahmen bilden die Aare unterhalb des Bielersees, die Rhône bei Chancy und der Rhein bei Basel. In ihnen fliesst deutlich weniger Wasser als dies im Herbst normalerweise der Fall ist. Bei der Aare und der Rhône spielt allerdings auch die Regulierung der Jurarandseen bzw. des Lac Léman eine Rolle.

Wie sind die Wasserstände der Seen?

Bei den grösseren Schweizer Seen auf der Alpennordseite sind die Wasserstände leicht unterdurchschnittlich. Starke Abweichungen vom normalen saisonalen Wasserstand sind insbesondere in den Jurarandseen und im Zürichsee zu beobachten, wo die Pegelstände bis nahe an die langjährigen Novemberminima gesunken sind. Die Tessiner Seen weisen hingegen normale Wasserpegel auf. Zu beachten ist dabei, dass mit Ausnahme des Bodensees der Wasserstand in allen grösseren Seen der Schweiz künstlich reguliert wird.

Welche Auswirkungen haben die niedrigen Wasserstände der Fliessgewässer auf die Wasserkraftproduktion und die Schifffahrt?

Betroffen von der geringen Wasserführung sind die Laufkraftwerke. Insbesondere in den Kantonen Aargau und Solothurn führt dies zu Produktionsverlusten.

Ein Problem mit dem niedrigen Wasserstand hat auch die Rheinschifffahrt. Im Basler Rheinhafen können die Frachtschiffe im Moment nur einen Teil ihrer regulären Ladung transportieren.

Sind negative Auswirkungen auf die Fische zu befürchten?

Bei vielen hiesigen Fischarten beginnt im Herbst die Fortpflanzungszeit. Für solche, die hierzu kleinere Fliessgewässer aufsuchen, kann der niedrige Wasserstand zum Problem werden, wenn geeignete Laichgründe trocken fallen. Dies betrifft namentlich die Forellen. Lokal mussten Gewässer ausgefischt werden. Anders als im Hitzesommer 2003, als nicht nur das Wasser vielerorts knapp wurde, sondern infolge der hohen Temperaturen auch der Sauerstoff, ist die Lage aber insgesamt nicht dramatisch. Im zurzeit kalten Wasser ist der Sauerstoffgehalt ausreichend.

Könnte sich die Situation bis in den kommenden Frühling verschärfen?

Das hängt von der weiteren meteorologischen Entwicklung ab. Wird der Winter kalt, dürfte die Wasserführung der Fliessgewässer weiter sinken, denn die Niederschläge werden dann im Schnee gelagert. Manche Bäche und Flüsse würden in diesem Fall mit sehr wenig Wasser in den Frühling starten und erst ab Beginn der Schneeschmelze wieder stärker sprudeln. Wird der Winter hingegen mild und regnerisch, könnten die Niederschläge bis zum Frühling für normale Abflüsse sorgen.


Grundwasser

Wie steht es zurzeit um die hiesigen Grundwasservorkommen und die Quellen?

In der Westschweiz sind die Grundwasserstände und Quellschüttungen derzeit verbreitet sehr tief. Neue Novemberminima wurden insbesondere im Gebiet um Freiburg und im Broyetal beobachtet. In der Ostschweiz und in den Alpen liessen dagegen die überdurchschnittlichen Niederschlagsmengen im Oktober die Grundwasserstände wieder ansteigen. Hier liegen diese momentan im saisonalen Normalbereich. Dasselbe gilt nach den Starkregen Anfang November für das Tessin und das Wallis.

Zu beachten ist, dass sowohl Grundwasserleiter wie auch Quellen vielfach verzögert auf die Niederschlagsverhältnisse reagieren. Dies betrifft namentlich diejenigen unter Festgestein, wie sie im Mittelland verbreitet sind.

Sind kurzfristig Engpässe bei der Trinkwasserversorgung zu befürchten?

Dass einzelne kleine Quellen vorübergehend versiegen, ist gut möglich. Doch das kommt lokal im Spätsommer und Herbst öfters vor. Selbst wenn die Trockenheit auch im Winter anhält, wird die Trinkwasserversorgung aber weiterhin gewährleistet sein, denn sie erfolgt über vernetzte Trinkwasserverbundsysteme.


Klimawandel

Die aktuelle Trockenperiode ist schon die zweite im laufenden Jahr. Ist dies ein Zeichen für den Klimawandel?

Die Trockenheit im Frühjahr war ein Extremereignis, der niederschlagsarme Herbst eine signifikante Abweichung von der Norm. Einzelereignisse - auch extreme - können auch unter heutigen Klimabedingungen auftreten. Aus ihnen allein lassen sich keine Rückschlüsse auf eine Änderung des Klimas ableiten.

Wie wird der Klimawandel die Niederschlagsverhältnisse und das Abflussregime der Fliessgewässer verändern?

Die neusten Klimamodelle prophezeien für die Schweiz nebst steigenden Temperaturen tendenziell auch längere und häufigere Trockenperioden im Sommer. Es kann zu einer jahreszeitlichen Umverteilung der Niederschläge kommen. Unter der Voraussetzung, dass sich die Temperaturzunahme auf 2 Grad Celcius beschränken wird, sind ganzjährig gesehen aber keine massgeblichen Veränderungen der Niederschlagsmengen zu erwarten.

Noch ist viel Wasser in den Gletschern gespeichert. Diese werden mittelfristig weiter abschmelzen und die Fliessgewässer speisen. Längerfristig wird sich aber bei den Gletschern wieder ein Gleichgewicht zwischen Eisbildung und Abschmelzen in deutlich höheren Lagen als heute einstellen. Da zudem die winterlichen Niederschläge mehr in Form von Regen fallen und damit weniger als Schnee zwischengelagert werden, wird sich das Abflussregime der Fliessgewässer verändern. Es sind dann auch vermehrt sommerliche Niedrigwasser zu erwarten.

Könnte es deswegen längerfristig doch zu Problemen bei der Trinkwasserversorgung kommen?

Die Schweiz ist ein wasserreiches Land - das Wasserschloss Europas. Sie wird dies auch bleiben - zumal ja unter dem Strich kein Rückgang der Niederschläge zu erwarten ist. In der Schweiz werden derzeit nur wenige Prozente des jährlich verfügbaren Wassers genutzt. Trotzdem dürfte lokal und saisonal zunehmend Wasserknappheit auftreten. Grossräumig wird aber die Trinkwasserversorgung dank Vernetzung und Regionalisierung ungefährdet bleiben, zumal bei Bedarf auch neue Ressourcen - zum Beispiel aufbereitetes Seewasser - erschlossen werden können.

Anders stellt sich die Frage beim Brauchwasser. Hier braucht es neue Konzepte und Lösungen. Stehen kleinere und mittlere Gewässer wegen der minimalen Wasserführung beispielsweise für die landwirtschaftliche Bewässerung nicht mehr zur Verfügung, können mehrere Optionen verfolgt werden:

  • die Verbesserung der Bewässerungstechnik
  • der Anbau von Kulturen mit weniger Wasserbedarf;
  • der Aufbau von Infrastrukturen für einen regionalen Wassertransfer.

Dies bedingt allerdings eine Wassermengenbewirtschaftung im Einzugsgebiet, die alle betroffenen Sektoren einbezieht. Die Wasser-Agenda 21 unter der Leitung des BAFU hat dazu im Januar 2011 ein Leitbild für die integrale Bewirtschaftung des Wassers in der Schweiz veröffentlicht.

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Letzte Änderung 25.11.2011

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