19.05.2011 - In den ersten Monaten des Jahres 2011 fiel in weiten Teilen der Schweiz deutlich weniger Regen als für die Jahreszeit üblich. Dadurch liegen die Wasserpegel zum Teil so tief wie noch nie in dieser Jahreszeit. Regional herrscht auch nach dem Regen vom 14. Und 15. Mai noch immer Waldbrandgefahr. Zudem hat die Trockenheit Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Bewässerung und die Natur. Das BAFU beantwortet die häufigsten Fragen zu den Auswirkungen in seinem Zuständigkeitsbereich.
Fragen und Antworten zu den Auswirkungen der Trockenheit auf:
Gewässer
Wie sieht die Lage in den Schweizer Gewässern aktuell aus?
Flüsse:
- Die Niederschläge vom Wochenende des 14. und 15. Mai führten zu einem Anstieg der Wasserstände und damit zu einer kurzfristigen Entspannung der Niedrigwassersituation. Bei den kleineren und mittleren Fliessgewässern sind die Abflüsse aber schon wieder stark zurückgegangen. Die Abflüsse in den nicht durch Schmelzwasser beeinflussten Einzugsgebieten weisen Werte auf, die weit unterhalb der für die Jahreszeit üblichen Niveaus liegen. Sehr geringe Wasserführungen werden insbesondere für die Flüsse im Mitteland und Jura gemessen. Dort bewegen sich die Abflüsse nahe an den Minima, die im Mai in der Vergangenheit beobachtet wurden. An einzelnen Orten wurden in der Woche vom 9. Mai Tiefstwerte für den Mai gemessen.
- Aufgrund der für die Jahreszeit stark unterdurchschnittlichen Schneelage in den Alpen und der dadurch bedingten geringen Schneeschmelze zeigen selbst grössere Gewässer in den Alpen für die Jahreszeit unterdurchschnittliche Abflüsse. Nur in hochalpinen noch stärker schneebedeckten Einzugsgebieten entspricht die Wasserführung in den Fliessgewässern jahreszeitüblichen Werten.
Seen:
- Mitte Mai 2011 weisen die Jurarandseen (Neuenburger-, Murten- und Bielersee) sowie der Walensee Wasserstände auf, die weit unterhalb des langjährigen Monatsmittels liegen. Hier liegen die beobachteten Werte an oder unterhalb der bisher gemessenen Tiefstwerte für diese Jahreszeit
- Die Pegel von Bodensee und Zugersee zeigen ebenfalls für die Jahreszeit stark unterdurchschnittliche Wasserstände.. Beim Lago Maggiore und Lago die Lugano werden zurzeit ebenfalls leicht unterdurchschnittliche Pegelstände beobachtet.
- An den übrigen Seen werden durchschnittliche Wasserstände gemessen.
Das BAFU veröffentlicht zweimal wöchentlich ein hydrologisches Bulletin über die aktuelle Lage in den Schweizer Gewässern.
Wie lange dauert es, bis die Gewässer wieder auf einem normalem Stand sind?
Wie schnell die Wasserstände der Gewässer wieder auf ein durchschnittliches Niveau ansteigen, ist abhängig von der weiteren Wetterentwicklung. Prognosen für den Sommer sind noch nicht möglich. Es braucht aber eine länger andauernde Phase mit regelmässigen, ergiebigen Niederschlägen, um das Wasserdefizit (auch in den Böden und im Grundwasser) wieder auszugleichen.
Warum gibt es bei den Seen und Flüssen so grosse Unterschiede?
Der Wasserstand in den Seen und Flüssen hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Grösse des Einzugsgebiets: Je kleiner das Einzugsgebiet, desto schneller reagiert ein Gewässer auf gefallene oder ausbleibende Niederschläge (Bsp. Thur). Bei grösseren Einzugsgebieten sind mehr Wasserspeicher (u.a. Seen) vorhanden, die das Defizit zeitweise ausgleichen können (Bsp. Rhein).
- Höhe des Einzugsgebiets: Je höher ein Einzugsgebiet liegt, desto mehr werden die Gewässer an warmen Tagen von Schnee- und Gletscherschmelze gespiesen (Bsp. Lonza). Aktuell sind die Wasserstände und Abflüsse daher in den hoch gelegenen alpinen Gebieten noch im durchschnittlichen Bereich.
- Aktuelle Schneesituation: Wegen der unterdurchschnittlichen Schneemengen des letzten Winters sind weite Teile der Schweiz schon vollständig ausgeapert. Der sonst durch die Schneeschmelze bedingte Anstieg der Wasserstände im Frühling ist vielerorts stark vermindert oder ausgeblieben (Bsp. Bodensee).
- Seeregulierung: Bei nicht regulierten Seen (Bsp: Bodensee, Walensee) besteht eine nicht beeinflussbare Beziehung zwischen Seestand und Ausfluss. Die Seestände entsprechen daher dort immer den Zuflussbedingungen.
Die meisten Seen der Schweiz sind aber reguliert (Bsp: Jurarandseen, Vierwaldstättersee, Lac Léman, Lago Maggiore, Lago di Lugano). Die Reglemente der Seeregulierungen legen je nach Jahreszeit und Seewasserstand geeignete Abflussmengen fest, die vielseitige Interessen berücksichtigen (Hochwasserschutz, Mindestwassermengen, Wasserkraftnutzung, Landwirtschaft, Schifffahrt, Fauna, Flora). Generell decken die Regulierreglemente eine breite Palette an Szenarien ab, zu welchen auch Trockenperioden gehören.
Wie misst das BAFU die Wasserstände, wenn die Messstationen im Trockenen liegen?
Die Messstationen des BAFU sind sowohl auf Hochwasser, Normalwasser wie auch auf Niedrigwasser ausgerichtet. Wenn es trotz allem vorkommt, dass die Messsonden wegen des tiefen Pegelstands nicht mehr im Wasser sind, werden Hilfspegel eingerichtet.
Wie ist die Lage beim Grundwasser?
Die Trockenheit wirkt sich auch auf das Grundwasser aus:
- Grundwasserstände und Quellschüttungen im Jura und Mittelland liegen verbreitet auf tiefem bis sehr tiefem Niveau .
- Grundwasserstände und Quellschüttungen in den Voralpen liegen infolge der niedrigen Schneeschmelze für die Jahreszeit aussergewöhnlich tief.
- Grundwasserstände und Quellschüttungen mit Einzugsgebiet in den Alpen liegen infolge der Schnee- und Gletscherschmelze im Hochgebirge nahe dem langjährigen Mittel.
- Grundwasserstände und Quellschüttungen auf der Alpensüdseite liegen derzeit auf tiefem bis mittlerem Niveau.
Es sind anhaltende Niederschläge notwendig, um die Grundwasserleiter wieder substanziell aufzufüllen. Die Schweiz verfügt aber auch in Trockenzeiten über ausreichende Wasserressourcen (Verbundnetze der Wasserversorgungen, mächtige Grundwasserleiter in Flusstälern, Seewasser).
Das BAFU veröffentlicht regelmässig ein Bulletin über die aktuelle Lage im Schweizer Grundwasser.
Waldbrand
Wo überall herrscht Walbrandgefahr und welche Massnahmen haben die Kantone ergriffen?
Die aktualisierte Übersicht zur Waldbrandgefahr ist zu finden unter:
Das BAFU rät zu vorsichtigem Umgang mit Feuer im Freien:
- Die kantonalen Feuerverbote und die Anweisungen der lokalen Behörden sind unbedingt zu befolgen, damit Brände vermieden werden können.
- Wo erlaubt, soll zum Beispiel nur auf festen Feuerstellen grilliert und nicht auf dem nackten Boden gefeuert werden.
Die generellen Regeln zur Vermeidung von Waldbränden lauten:
Welche Rolle spielt das Bundesamt für Umwelt im Bereich Waldbrand ?
Das BAFU koordiniert die Massnahmen der Kantone zur Vermeidung von Waldbränden und informiert Behörden und Bevölkerung über die Rolle und Zustand der Wälder. Im Rahmen der seit Anfang 2011 gültigen revidierten Alarmierungsverordnung ist das BAFU auf Bundesstufe neu zuständig für die Waldbrandprävention und die Koordination mit den Kantonen. Bei gesamtschweizerischen Lagen kann das BAFU Warnungen zuhanden der Behörden und der Bevölkerung verbreiten. Für die Bewältigung von Waldbrandereignissen sind die Kantone zuständig.
Der Bund empfiehlt den Kantonen, Präventionsmassnahmen wie Löschwassertanks, ein Hydrantennetz oder technische Vorrichtungen zur raschen Stauung von Bächen bereitzuhalten, damit bei einem Waldbrand genügend Löschwasser vorhanden ist.
Des weiteren ist das BAFU verantwortlich für die Publikation der nationalen Waldbrandstatistik. Zudem arbeitet es mit in der Waldbrandexpertengruppe der EU.
Der Bund leistet finanzielle Unterstützung für die Wiederherstellung der Waldbrandflächen und für Massnahmen zur Prävention vor Naturgefahren.
Natur
Wie wirken sich die tiefen Wasserstände auf die Fische und Wasserlebewesen aus?
Für die Fische in den kleineren Bächen könnte es kritisch werden, wenn diese kaum mehr fliessendes Wasser aufweisen und in den verbleibenden Rinnsalen die Wassertemperaturen für die Jahreszeit zu stark ansteigen. Stresssymptome und ein grösseres Risiko für Krankheiten sind die Folgen.
Wo die Wasserstände der Fliessgewässer zu tief sinken, können die verantwortlichen Fischereifachstellen oder -vereine in Einzelfällen Flussabschnitte ausfischen und die Fische in Gewässer mit mehr Wasser umsiedeln.
Im Flachland hat die Trockenheit die Laichplätze für früh laichende Amphibienarten wie Grasfrosch und Erdkröte und auch Fischen vielerorts reduziert. Viele Mulden entlang von Fliessgewässern und nahe von Seen sind trocken. Einige Tage anhaltender Regen kann die Situation für die Natur wieder normalisieren.
Welche sonstigen Auswirken auf die Natur sind zu erwarten?
Im Wald können wegen der Trockenheit Keimlinge schneller verdorren und gepflanzte Jungbäume häufiger ausfallen. Die Verjüngung des Waldes wird so erschwert.
Viele Bäume sind zudem einem Trockenstress ausgesetzt, was sie anfälliger macht auf Schädlinge wie Borkenkäfer.
Bewässerung
Landwirtschaftliche Kulturen leiden unter der Trockenheit. Welche Regeln gelten für die Bewässerung von Feldern?
In der Schweiz sind die Kantone für die Bewilligung von Wasserentnahmen zuständig. Das Gewässerschutzgesetz gibt den Kantonen in Notsituationen die Möglichkeit, die gesetzlich vorgegebenen Mindestwassermengen zu unterschreiten, namentlich auch für die Bewässerung von landwirtschaftlichen Kulturen. Die kantonalen Behörden müssen bei ihrem Entscheid die Interessen einer intakten Ökologie mit den Interessen der landwirtschaftlichen Nutzung abwägen.
Die Kantone sind nicht verpflichtet, ihre Entscheide dem Bund zu melden. Das Bundesamt für Umwelt hat deshalb auch keinen abschliessenden Überblick über die Lage in den Kantonen.
Welche Empfehlungen gibt das BAFU den Kantonen für die Wasserentnahmen ab?
In seinem Bericht «Auswirkungen des Hitzesommers 2003 auf die Gewässer» schreibt das BAFU unter anderem:
Die Wasserentnahmen für landwirtschaftliche Bewässerungen haben auch im Trockensommer 2003 verschiedentlich zu Problemen geführt. Der grosse Ermessensspielraum der Kantone beim Aussprechen von Bewilligungen bzw. beim Verfügen von Verboten führte zu unterschiedlichen Erfahrungen im Umgang mit den Interessenkonflikten zwischen Landwirtschaft und Gewässerschutz.
Ein Verbesserungspotenzial gibt es bei der Information und bei den interkantonalen und internationalen Absprachen in den Grenzgebieten. Um Unsicherheiten bei den Nutzern zu vermeiden, sollten auf beiden Seiten eines Grenzgewässers zum gleichen Zeitpunkt ähnliche Regeln gelten.
Wichtig für die Behörden sind
- gute Entscheidungsgrundlagen (Kenntnis der Gewässer, des effektiven Wasserbedarfs der landwirtschaftlichen Kulturen, der Auswirkungen von zu wenig Wasser, etc.)
- ein geeignetes Notfallkonzept (wo soll Wasser entnommen werden und wo nicht, wann soll bewässert werden, etc.)
- sowie die gute Kommunikation der getroffenen Entscheide.
Handlungsbedarf zeichnet sich vor allem in Regionen ohne Seen und grosse Fliessgewässer ab: Als Folge des Wasserbedarfs der Landwirtschaft durften bei vergleichbaren Witterungsverhältnissen die im Jahr 2003 beobachteten Konflikte auch in Zukunft auftreten.
Gibt es gute Beispiele für den Umgang mit Wasserentnahmen?
Die Publikation des ehemaligen BUWAL aus dem Jahr 1997 «Restwassermengen in Fliessgewässern - Wasserentnahmen, die insbesondere der Bewässerung dienen» zeigt, wie die Kantone vorgehen können, damit sie die Restwasserbestimmungen auch in Trockenperioden einhalten können:
Braucht die Schweiz eine Wasserstrategie?
Das Parlament hat diese Frage bejaht. Am 1. Oktober 2010 wurde das Postulat Walter «Wasser und Landwirtschaft» vom Nationalrat überwiesen. Es fordert eine Nationale Wasserstrategie aus der Sicht der wichtigsten Nutzungen.
- Es sollen Verteilregeln für Wasser in Zeiten der Knappheit sowohl kurzfristig für Trockenperioden (wie das Jahr 2003) als auch langfristig unter dem Aspekt des Klimawandels entwickelt werden.
- Gleichzeitig muss aufgezeigt werden, wie mit den Schutz- und Nutzungskonflikten umgegangen werden kann.
- Das Postulat schliesst die Frage von Gesetzesanpassungen mit ein, sollte sich dies für die Umsetzung einer solchen Strategie als notwendig erweisen.
Die Federführung für die Beantwortung des Postulates liegt beim BAFU. Die Strategie muss in einem partizipatorischen Prozess mit den Nutzern entwickelt werden.
Hitzesommer / Sommersmog
Droht wegen des trockenen Frühlings nun ein Hitzesommer ähnlich wie 2003 oder 1976 ?
Diese Frage lässt sich nicht beantworten:
- bedeutet grosse Trockenheit noch nicht automatisch grosse Hitze
- hängt die Entwicklung vom Wetter ab, welches nur auf einige Tage vorhergesagt werden kann.
Eine längerdauernde Phase mit regelmässigen ergiebigen Niederschlägen kann das Wasserdefizit wieder ausgleichen.
Steigen wegen des warmen Wetters die Ozonwerte? Droht uns ein Ozonsommer?
Der starke Sonnenschein und das teils windstille Wetter heizen die Ozonproduktion an. Ob im Sommer die Ozonwerte hoch sein werden, lässt sich jetzt noch nicht sagen.
Das hängt von der Entwicklung des Wetters ab. Die letzten Jahre waren die Sommer dominiert von Westwindlagen, welche dank regelmässiger Wetterumschwünge und Niederschläge die Ozonbildung vermindern konnten.
Antworten auf die häufigsten Fragen zum Thema Ozon sind zu finden unter:
Klima
Ist die grosse Trockenheit im Frühling ein Vorbote des Klimawandels?
Das Jahr 2011, wie es sich bislang entwickelt hat, fällt unter die zehn trockensten Jahre seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen im Jahr 1864. Die momentane Trockenheit ist als Extremereignis zu betrachten, welches auch unter den heutigen Klimabedingungen in seltenen Fällen auftreten kann.
Aus einem solchen Einzelereignis lassen sich allerdings keine Rückschlüsse auf eine Änderung des Klimas ableiten. Hingegen zeigen Klimamodelle, dass sich das Klima bis Ende des Jahrhunderts signifikant vom bisherigen Klima unterscheiden wird: Aufgrund einer Erwärmung in allen Jahreszeiten werden geringere Niederschlagsmengen und tendenziell längere und häufigere Trockenperioden im Sommer erwartet.
Wie stellt sich die Schweiz langfristig auf eine Zunahme der Trockenheit ein?
In der Schweiz werden im Durchschnitt nur wenige Prozente des jährlich verfügbaren Wassers genutzt und grosse Vorräte sind in Gletschern, Seen und Grundwasser vorhanden. Trotzdem dürfte zunehmend lokal und saisonal Wasserknappheit auftreten.
Die Frage der Wasserverteilung unter sich konkurrenzierenden Nutzungen (Landwirtschaft, Energieproduktion, Kühlung) ist deshalb zentral für die Klimaanpassungsstrategie der Wasserwirtschaft. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Trink- und Brauchwasser.
Die Trinkwasserversorgung kann durch Vernetzung und Regionalisierung sowie das Erschliessen neuer Ressourcen (Aufbereitung von Seewasser) Engpässe überwinden.
Für Brauchwasser sind neue Konzepte und Lösungen gefragt. Stehen kleinere und mittlere Gewässer wegen der minimalen Wasserführung als Ressourcen z.B. für die landwirtschaftliche Bewässerung nicht mehr zur Verfügung, können mehrere Optionen verfolgt werden:
- die Verbesserung der Bewässerungstechnik
- der Anbau von Kulturen mit weniger Wasserbedarf
- sowie der Aufbau von Infrastrukturen für einen regionalen Wassertransfer.
Dies bedingt allerdings eine Wassermengenbewirtschaftung im Einzugsgebiet, welche alle Sektoren der Wasserwirtschaft mit einbezieht. Die Wasser-Agenda 21 unter der Leitung des BAFU hat dazu im Januar 2011 ein Leitbild für die integrale Bewirtschaftung des Wassers in der Schweiz veröffentlicht:
Letzte Änderung 19.05.2011