Beratung für KMU: Wie man Unternehmen helfen kann, weniger Ressourcen zu verbrauchen

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Dank dem Verein Reffnet.ch können sich Unternehmen kostenlos von Expertinnen und Experten dazu beraten lassen, wie sie ihre Produkte und Prozesse nachhaltiger gestalten. Aus den Empfehlungen ergeben sich konkrete Massnahmen. Wir stellen einige Beispiele vor.

Text: Sophie Woeldgen

Sie sind für fast die Hälfte der CO2-Emissionen der Marke Opaline verantwortlich: Glasflaschen. Wenn das Walliser Fruchtsaftunternehmen seine Umweltauswirkungen reduzieren will, muss es also seine Flaschen anpassen. «Wir haben zwei Varianten miteinander verglichen: Mehrwegflaschen mit einem Depot und Rec­y­cling», erklärt Alban Bitz, Ingenieur und Berater bei Reffnet.ch. Dazu berechnete er die Anzahl der Umweltbelastungspunkte (UBP, siehe Box), die mit jeder der beiden Lösungen eingespart werden könnte. Ergebnis: «Die Verwendung von Mehrwegflaschen könnte die Gesamtumwelt­belastung von Opaline um 20 bis 30 Prozent verringern», sagt Bitz. Opaline-Geschäftsführer Alexandre Fricker folgte dieser Empfehlung und führt nun ein Mehrwegsystem ein. «Die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft wenden wir bereits bei unserer Energieversorgung an, indem wir Biogas aus Fruchtfleisch und Strom aus Sonnenkollektoren nutzen. Daher passt auch das Mehrwegsystem für Flaschen perfekt zu uns.»

Als verantwortungsbewusstes Unternehmen will sich auch die Infanger Propeller AG positionieren, darum hat sich Geschäftsinhaber Urs Infanger ebenfalls von Reffnet.ch helfen lassen – umso bereitwilliger, als das Vorgehen vom BAFU finanziell unterstützt wird. «Als kleines Unternehmen wäre es schwierig, Mittel für solche Massnahmen bereitzustellen», erklärt er. Im November 2021 besuchte Simone Rieder, Expertin für Kreislaufwirtschaft und Beraterin bei Reffnet.ch, das auf Bootspropeller und Antriebssysteme spezialisierte Familienunternehmen. Einige ihrer Empfehlungen, wie die systematische Wiederverwendung alter Propeller aus Schiffswerften, gehen in die gleiche Richtung wie die Lösungen, die das Unternehmen bereits ins Auge gefasst hat. Andere sind hingegen völlig neu. «Simone hat zum Beispiel vorgeschlagen, die reparierten Propeller nicht mehr neu zu lackieren. Tatsächlich werden Propeller, die für den Einsatz im Süsswasser bestimmt sind, nur aus ästhetischen Gründen lackiert», sagt Infanger. Dank dieser Massnahme braucht die Produktion nun weniger Farbe und weniger Malermaterial. Dadurch müssen auch keine Metalleimer oder Pinsel verwendet werden, die gesundheits- und umweltschädigende Stoffe enthalten und gesondert entsorgt werden müssen.

Urs Infanger
Urs Infangers Familienbetrieb wertet alte Schiffspropeller auf. Dank Reffnet.ch konnte er seinen Betriebsablauf umweltfreundlicher machen – etwa, indem er auf einen Lackierungsschritt verzichtete.
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Die Führungsebene überzeugen

In den meisten Fällen besteht der schwierigste Schritt darin, die Unternehmen davon zu überzeugen, dass Massnahmen zur nachhaltigeren Gestaltung ihrer Prozesse durchaus sinnvoll sind. «Die Temperatur in einem Gebäude um ein Grad zu senken, ist nicht schwierig. Wenn es aber um die Änderung des Geschäftsmodells geht, muss das Management voll und ganz dahinterstehen – und das kann einige Zeit dauern», sagt Reffnet-Berater Alban Bitz. Um die Einführung nachhaltigerer Prozesse zu erleichtern, organisiert Simone Rieder in jedem von ihr begleiteten Unternehmen einen Workshop, in dem sie ihre Vorgehensweise erklärt. «Für die Kreislaufwirtschaft braucht es einen umfangreichen Wissenstransfer. Eine meiner Kernaussagen lautet, dass man sich nicht nur auf das Recycling konzentrieren sollte. Denn vielfach lässt sich ein Produkt bereits in einem vorherigen Schritt wiederverwenden, aufbereiten oder reparieren.» Recycling, sagt Rieder, sollte erst als letzte Option in Betracht gezogen werden.

Ziel der Kreislaufwirtschaft ist es, den Wert eines Gegenstands so gut wie möglich zu erhalten und auf diese Weise seine Lebensdauer zu verlängern. «Meist sind die CEOs nicht überzeugt davon, dass sich die Kreislaufwirtschaft im Unternehmen lohnt», sagt Rieder. «Daher hilft es uns enorm, wenn eine Person aus dem Team diese Idee vorantreibt. Als Beraterinnen können wir zwar Massnahmen vorschlagen, aber der Wille zur Veränderung muss aus dem Unternehmen selbst kommen.»

Reffnet.ch in der aktuellen Wirtschaftslage

Inzwischen sind CO2-Bilanzen ein bekanntes Konzept. Dennoch werden indirekte Emissionen selten berücksichtigt – etwa solche, die bei der Herstellung der verwendeten Materialien entstehen oder durch den Abfall, der in einem Produktionsprozess anfällt. Laut der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen machen diese Emissionen aber meist über 70 Prozent des CO2-Fussabdrucks eines Unternehmens aus. Dies war einer der Gründe für die Lancierung von Reffnet.ch. «Reffnet.ch entstand, weil es zuvor zwar zahlreiche Programme fürs Energiesparen gab, aber kaum welche zur Reduzierung des Umwelt-fussabdrucks von Rohstoffen», sagt Julien Boucher, Gründer und Direktor des Beratungsbüros Environmental Action sowie Berater und Vorstandsmitglied bei Reffnet.ch. «Ich arbeite seit fast zwanzig Jahren in diesem Sektor. Bei grossen Konzernen ist das Bewusstsein gewachsen, doch kleinere Unternehmen haben oft nicht die Mittel, um diesen Wandel zu bewerkstelligen. Es gilt jedoch, auch die KMU zu erreichen, um die nachhaltigen Konzepte in der Wirtschaft weiterzuverbreiten.» Indessen stellen die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen neue Herausforderungen und in vielen Bereichen führt kein Weg mehr an der Ressourceneffizienz vorbei. So sind Unternehmen, die von Lieferengpässen oder -verzögerungen betroffen sind, gezwungen, ihre Prozesse zu straffen. «Für ein Unternehmen ist es schlimmer, keine Produkte liefern zu können, als mit leicht höheren Kosten zu leben», erklärt Andreas Rothen, Co-Präsident von Reffnet.ch. «So billig wie möglich zu produzieren, ist Geschichte. Zumindest für den Moment.»

 Alexandre Fricker, Geschäftsführer Opaline
«Die Verwendung von Pfandflaschen könnte die Umweltauswirkungen von Opaline um 20 bis 30 Prozent reduzieren », erklärt Geschäftsführer Alexandre Fricker. Er hat sich an die Expertinnen und Experten von Reffnet.ch gewandt, um die Prozesse in seinem Unternehmen nachhaltiger zu gestalten.
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Der Mehrwert: ökologisch und finanziell

Bei Opaline etwa hat sich aufgrund eines höheren Glaspreises das Mehrwegsystem mit dem Auswaschen der Flaschen als rentabel erwiesen – obschon die Logistik­ketten derzeit noch nicht auf das Sammeln der Flaschen ausgelegt sind, berichtet Geschäftsführer Alexandre Fricker. Zum Glück befindet sich das Unternehmen, das die Flaschen reinigt, nur 15 Kilometer von der Abfüllanlage entfernt.

Und die Infanger Propeller AG hat keine Schwierigkeiten, ihre wiederverwerteten Propeller abzusetzen. «Zwischen 2008 und 2018 importierte ein Schweizer Händler taiwanesische Propeller, die er da noch zu einem Drittel des Preises lokaler Propeller verkaufte», erzählt Urs Infanger. «Aber seit sechs Monaten liegen dessen Preise – womöglich aufgrund von Lieferschwierigkeiten – über jenen des europäischen Markts.» Die Geschäftslage ist für die Infanger Propeller AG also günstig. Zudem ist die amerikanische Konkurrenz heute weniger stark, weil die Nachfrage in den USA seit der Covid-Krise gestiegen ist und darum einige Marken den europäischen Markt jetzt nur sporadisch beliefern können.

«Diese Projekte sind gute Beispiele, aber es müsste eine Möglichkeit geschaffen werden, die Ansätze jeweils auf die gesamte Branche auszuweiten», sagt Julien Boucher von Environmental Action. Das weiss auch Alexandre Fricker von Opaline: «Früher oder später müssen wir uns mit unserer Konkurrenz zusammensetzen mit der Idee, ein Kreislauf­system auf regionaler Ebene aufzubauen. Die Gemeinden müssten mit dabei sein und weitere Partnerfirmen, die zum Beispiel Bier oder Kombucha herstellen. Letztendlich wird es darum gehen, ein Mehrwegdepotsystem einzuführen, wie es schon vor dreissig oder vierzig Jahren existierte.» 

«Die Arbeitswelt muss sich grundlegend ändern»

In der Schweiz mangelt es an Fachkräften für erneuerbare Energien. Es werden sich aber auch alle Berufe in Richtung mehr Nachhaltigkeit entwickeln müssen.

Text: Adèle Thorens Goumaz

«In einigen nachhaltigkeitsrelevanten Branchen – insbesondere im Bauwesen und im Energiebereich – herrscht derzeit ein akuter Mangel an qualifizierten Fachkräften. Wenn wir die Ziele des Klimaübereinkommens von Paris erreichen wollen, müssen wir den Anteil der jährlich sanierten Gebäude mindestens verdreifachen. Aktuell wird pro Jahr nur ein Prozent aller Gebäude saniert. Allerdings braucht es für die Isolierarbeiten, den Austausch von Fenstern oder den Ersatz von Elektro- und Ölheizungen durch Anlagen, die auf erneuerbaren Energien basieren, viele Arbeitskräfte. Ausserdem mangelt es an qualifiziertem Personal für den Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Photovoltaik. Vor Kurzem wurde darum ein Lehrgang für Installateurinnen und Installateure mit Spezialisierung in diesem Bereich geschaffen.

Die wichtigste Veränderung findet jedoch woanders statt: Alle heutigen Berufe werden sich weiterentwickeln, um Umwelt- und Nachhaltigkeitskompetenzen zu integrieren. Die Geschäftsmodelle werden sich grundlegend ändern müssen. Unternehmen sollten in Zukunft darauf setzen, eine geringere Anzahl von Produkten zu verkaufen, die zwar in der Anschaffung teurer sind, dafür aber länger behalten werden können und anpassungsfähig, reparierbar und wiederverwendbar sind. Die Märkte fürs Teilen, Wiederverwenden und Reparieren werden wachsen, und zwar noch stärker als der Markt für Recycling, das erst am Ende des Lebenszyklus zum Tragen kommt. Es handelt sich um ein neues, umweltfreundliches Konzept von Produktion.

Auch die Schule wird eine Rolle spielen. Sie muss Schülerinnen und Schüler bestmöglich auf diesen Wandel vorbereiten und die neu erforderlichen Kompetenzen in die Bildung integrieren. Zurzeit laufen Kampagnen zur Förderung von Berufen im Bauwesen und im Energiebereich. Nötig wird das auch in der Landwirtschaft, denn biologische Methoden und Agrarökologie benötigen mehr Arbeitskräfte als intensive Landwirtschaft. Auf www.umweltprofis.ch finden Jugendliche alle Informationen über Ausbildungen im Zusammenhang mit dem ökologischen Wandel.

Viele der Berufe, die heute gebraucht werden, entspringen praktischen und technischen Lehrgängen. Man muss nicht unbedingt an die Universität gehen, um zum Wandel beizutragen. Aber wenn man will, dass junge Menschen in diesen Bereichen ausgebildet und berufstätig werden, muss man ihnen sicherlich attraktivere Bedingungen bieten. Auch Weiterbildungen sind wichtig, damit die Menschen, die bereits auf dem Arbeitsmarkt sind, ihre Kompetenzen anpassen können. Der gegenwärtige Fachkräftemangel ist ein echtes Alarmsignal.»

Fazit

Das Programm Reffnet.ch hilft Unternehmen, Ressourcen besser zu nutzen. Dank dessen Empfehlungen führt etwa das Unternehmen Opaline ein Flaschenpfandsystem ein, um seine Umweltbelastung zu reduzieren. Das Programm erreicht auch kleinere KMU, die weniger Mittel für nachhaltigen Lösungen haben.

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Letzte Änderung 15.03.2023

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