In Repair-Cafés kann man unterstützt von ehrenamtlichen Helfenden kaputte Dinge flicken und so deren Lebensdauer verlängern. Auch die Reparaturwerkstatt im Zürcher Gemeinschaftszentrum Bachwiesen bietet solche Hilfe an. Mit Erfolg.
Text: Maja Schaffner
Draussen dunkelt es gerade ein. Auf den Strassen ist nicht viel los: In Zürich sind Ferien. Doch die Reparaturwerkstatt im Gemeinschaftszentrum (GZ) Bachwiesen hat offen, die Räume der Holzwerkstatt, in der repariert wird, sind hell erleuchtet. Schon kurz nach Türöffnung um 19 Uhr wird an verschiedenen Tischen eifrig «gewerkt». David zum Beispiel – hier sind alle per Du – ist mit seiner kleinen Tochter hergekommen, um einen schwarzen Herrenlederschuh zu flicken. Dessen Sohle hat sich vorne gelöst. Andreas, einer der vier ehrenamtlichen Helfer an diesem Abend, empfiehlt Kontaktkleber. Damit bestreicht David selbst Sohle und Obermaterial. Nach kurzem Antrocknen presst er beides zusammen und fixiert das Ganze mit Klebeband.
Ich finde es nicht okay, dass ich den Drucker jetzt wegwerfen müsste.
Reparieren ist sinnvoll
Reparieren statt wegwerfen liegt im Trend und ist aus Umweltsicht praktisch immer sinnvoll. An vielen Orten sind in den letzten Jahren Repair-Cafés entstanden: An sporadisch oder regelmässig stattfindenden Anlässen können Personen ihre kaputten Besitztümer reparieren – angeleitet von technisch versierten Freiwilligen. Auch im Gemeinschaftszentrum Bachwiesen ist das seit August 2022 in der sogenannten Reparaturwerkstatt möglich. Ins Leben gerufen hat sie GZ-Mitarbeiter Michael Rohner. Vollblutbastler Robi Schrott war der erste freiwillige Mitarbeiter. Jeden Dienstagabend unterstützt das Freiwilligen-Team zwei Stunden lang Ratsuchende kostenlos bei verschiedensten Reparaturen. Das neue Angebot kommt an. Laut interner Statistik nutzten es in den ersten acht Betriebswochen bereits 45 Reparierwillige. Viele davon mit Erfolg: Knapp 80 Prozent der Gegenstände und Geräte funktionierten danach wieder.
Ob das auch beim Tintenstrahldrucker von Annette der Fall sein wird? Das Gerät, dessen Garantie vor Kurzem abgelaufen ist, druckt nicht mehr richtig schwarz. Eine kostspielige Reparatur lohnt sich wegen des tiefen Anschaffungspreises nicht. «Ich finde es nicht okay, dass ich den Drucker jetzt wegwerfen müsste», ärgert sich die Besitzerin. Da sie das Gerät vorab angemeldet hatte, konnte Robi Schrott bereits im Internet vorrecherchieren. «Man muss wissen, wie und wo man sucht», sagt er. Nun hat er alles dabei, um die verstopften Düsen wieder flott zu kriegen: Druckertreiber, YouTube-Anleitungen für die Reinigung, eine Reinigungslösung, die er nach einer Anleitung im Netz gemischt hat, sowie Spritze und Schlauch, um die Düsen durchzuspülen. Vor Ort übernimmt Ciro, ein weiterer freiwilliger Mitarbeiter, den Fall. Er macht sich zuerst gemeinsam mit Annette mit Video-Anleitungen schlau.
Robi arbeitet derweil mit Manuela an ihrer defekten LED-Lichterkette. Auch sie hatte sich via E-Mail angemeldet. Dank mitgeschickter Fotos konnte Robi bereits die Art des abgebrochenen Steckers identifizieren – und ein Ersatzteil aus seinem privaten Fundus mitbringen. Den alten Stecker hat er ruckzuck abgeschnitten. «Ich muss noch etwas reinwachsen ins Anleiten», stellt er fest und lötet dann nur den ersten der beiden Kontakte an. Den zweiten lötet Manuela selber. Sie strahlt wie die wiederhergestellte Lichterkette. «Die Beratung war super. Und es ist mega schnell gegangen.»
Grundsätzlich sollten Geräte so lange wie möglich verwendet und nötigenfalls auch repariert werden. Denn bereits bei Rohstoffgewinnung, Herstellung und Transport sowie später bei Recycling und Entsorgung verschlingen sie viel sogenannte graue Energie. Zudem verbraucht oder verschmutzt der Produktionsprozess natürliche Ressourcen, wie etwa Wasser. Und die Geräte enthalten sowohl Wert- als auch Schadstoffe. Wenn Geräte – gemessen an Energie und Ressourcen, die drinstecken – im Betrieb vergleichsweise wenig Energie verbrauchen, ist es besonders sinnvoll, sie viele Jahre zu nutzen. Das ist etwa bei Smartphones oder Laptops der Fall. Aber auch bei schweren Geräten: Sie bestehen oft aus viel Metall – dieses zu gewinnen, zu verarbeiten, zu transportieren und zu rezyklieren verschleisst besonders viel Energie- und Umweltressourcen. Daher sollten in vielen Fällen auch grosse, schwere Haushaltsgeräte so lange wie möglich genutzt und bei Bedarf repariert werden. Die einzige, aber wichtige Ausnahme von dieser Regel sind alte, wenig effiziente Geräte, die sehr viel Strom verbrauchen und oft in Betrieb sind. Diese durch weit sparsamere, langlebige Alternativen auszutauschen, lohnt sich aus Umweltperspektive häufig. Allerdings gilt es dabei stets den Einzelfall zu betrachten: So ist es nicht sinnvoll, einen kaum benutzen alten Backofen zu ersetzen – einen 15 bis 20 Jahre alten Kühlschrank im Dauerbetrieb aber durchaus.
Ersatzteile dringend gesucht
Wie Drucker und Lichterkette zeigen, sind Reparaturanleitungen und vor allem Ersatzteile entscheidend, wenn es darum geht, defekte Geräte selbst zu reparieren. Doch auch für professionelle Reparaturen sind Ersatzteile unerlässlich. Denn: «Beim Reparieren geht es meist darum, Komponenten auszutauschen», sagt Christophe Inäbnit, Co-Leiter des bekannten Westschweizer Reparaturunternehmens La Bonne Combine. Ersatzteile überhaupt oder zu einem vernünftigen Preis zu finden, gehört für ihn dabei zu den grössten Herausforderungen.
Inzwischen hat auch die Schweizer Gesetzgebung darauf reagiert, dass Ersatzteile essentziell sind, um Kaputtes wieder heil zu machen. So enthält die revidierte Energieeffizienzverordnung nicht mehr nur Richtlinien zur Energieeffizienz selbst, sondern – übernommen aus Verordnungen der Europäischen Union – auch solche zur Ressourceneffizienz. Seit 2021 müssen auch in der Schweiz für bestimmte Produktekategorien sieben bis zehn Jahre lang passende Ersatzteile sowie Reparaturanleitungen verfügbar sein. Heute betrifft dies Fernseher, Geschirrspüler, Waschmaschinen, Kühl- und Gefrierschränke sowie Schweissgeräte. Künftig sollen weitere Geräte wie Tumbler und Smartphones dazukommen.
Gerade günstigeren Dingen können selbst eingebaute Ersatzteile schlicht das Leben retten. Denn anders als bei teureren Anschaffungen lohnen sich für Geräte im unteren Preissegment grössere professionelle Reparaturen aus finanzieller Sicht häufig nicht. Vor allem, weil die Arbeitszeit der Reparierenden viel kostet. «Die Reparatur darf nicht teurer sein als ein neues Gerät», ist einer der Sätze, den Inäbnit von La Bonne Combine am häufigsten von Kundinnen und Kunden hört. Repair-Cafés, wo Besitzerinnen und Besitzer selbst reparieren, sieht er nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu professionellen Reparaturdienstleistern.
Der Druck, dass Dinge reparierbar sein sollen, kommt vonseiten der Konsumentinnen und Konsumenten
Viele kennen solche Probleme: Plötzlich gibt es für ältere Gerät keine Software-Updates mehr oder fürs kaputte Smartphone nirgends Ersatzteile zu kaufen. Das soll sich künftig ändern: Im Zuge des «Grünen Deals für Europa» und des Aktionsplans für eine Kreislaufwirtschaft hat die Europäische Kommission mehrere Vorschläge für rechtliche Anpassungen vorgelegt, um das «Recht auf Reparatur» zu verbessern. Diese sollen beispielsweise sicherstellen, dass Software-Updates und Ersatzteile für Smartphones länger verfügbar sind. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen zudem bessere Informationen über die Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten erhalten und auch besser vor unlauteren Geschäftspraktiken wie Greenwashing geschützt werden. Diese und weitere Gesetzesvorschläge werden in einem nächsten Schritt vom Europäischen Parlament und Rat diskutiert.
In der Schweiz befassen sich verschiedene politische Vorstösse mit dem «Recht auf Reparatur», darunter die parlamentarische Initiative «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken», die Anfang 2023 im Nationalrat diskutiert werden soll. Gemäss dem Entwurf der Umweltkommission des Nationalrats wäre es damit künftig möglich, für die Schweiz vorteilhafte neue Anforderungen zu Ökodesign und Produktinformationen aus der EU zu übernehmen.
Genaue Diagnose hilft
Manchmal reicht allerdings bereits eine seriöse Diagnose, um einem Gerät wieder Leben einzuhauchen. So berichtet Robi von einer Brotbackmaschine, die vom Kundendienst des Verkäufers als nicht reparierbar eingestuft worden war. «Als wir sie aufgeschraubt haben, stellten wir fest, dass einfach ein Antriebsriemen abgerutscht war», erzählt er. Als dieser zurück an seinem Platz war, lief das Gerät wieder einwandfrei. Auch an diesem Abend hagelt es in der Reparaturwerkstatt Diagnosen: Ursulas Koffer, dessen ausziehbarer Griff sich vorher nur noch mit Gewalt bewegen liess, dürstete lediglich nach etwas Schmiermittel. Auch bei Ursulas Mixer wird rasch klar, was das Problem ist: Das Gerät funktioniert an sich einwandfrei. Allerdings ist bei der Glasabdeckung, die sie zu Hause gelassen hat, vermutlich der Nocken abgebrochen, der beim Schliessen den internen Schalter betätigt, der wiederum den Motor zum Laufen bringt. Bei Ursulas älterem Espressokocher, der unter Druck aufgeplatzt war, diagnostiziert Reparateur Willi als Unfallursache den Dichtungsring: Das Ersatzteil ist zu dick. Deshalb war der Kocher, bevor er aufgeplatzt ist, wohl nicht richtig eingerastet. In etwas grösserer Runde bekommt die Besitzerin Tipps, wo sie einen passenden Dichtungsring herbekommen könnte. «Ich gehe total glücklich nach Hause!», strahlt Ursula. «Sonst hätte ich ja all diese Dinge neu kaufen müssen.» Ciro und Annette haben unterdessen die verstopften Druckerdüsen durchgespült. Der erste Probeausdruck überzeugt noch nicht: Schwarz fällt noch immer teilweise aus. Dann erscheint es eher grau; die Buchstaben verschwimmen. Doch mit jeder Testseite wird das Ergebnis besser. Am Schluss spuckt das Gerät ein perfektes Testbild aus.
Schwierig bis unmöglich werde eine Reparatur allerdings, wenn Gehäuse von Geräten fest verklebt sind, betont Robi. Dies ist auch ein Thema beim Reparierbarkeitsindex, den die EU zurzeit diskutiert und etwa für Handys und Tablets einführen will. Ob ein Gerät verschraubt oder verklebt ist, ist einer der Indikatoren dafür, wie einfach ein Gerät reparierbar ist.
Schwierig wird eine Reparatur, wenn Gehäuse von Geräten fest verklebt sind
In einem Fablab (Fabrication Laboratory) haben die Mitglieder Zugang zu gemeinsam genutzten Geräten wie 3-D-Druckern, mit denen sie Gegenstände reparieren oder aufwerten können. Indem man Fablabs zudem mit Repair-Cafés verbindet, lässt sich das Problem von nicht mehr erhältlichen Ersatzteilen lösen. Für eine solche Verbindung hat sich das erste offizielle Repair-Café der Schweiz, das in Zürich entstanden ist, entschieden. Es arbeitet nun mit dem Fablab Zürich zusammen. «Manchmal benutze ich eine Software, um ein kaputtes Geräteteil zu modellieren, bevor ich es in 3-D ausdrucke», erzählt Thomas Amberg vom Fablab Zürich. «Kürzlich habe ich auf diese Weise ein Ersatzteil für einen Geschirrspüler hergestellt.»
Immer mehr Repair-Cafés
«Der Druck, dass Dinge reparierbar sein sollen, kommt vonseiten der Konsumentinnen und Konsumenten», weiss Nicolas Schmidt, Mitarbeiter der Sektion Konsum und Produkte beim BAFU. «Diese bekunden bei entsprechenden Umfragen stets viel Sympathie fürs Reparieren.» Auch das Angebot an Reparatur-Dienstleistungen wie Repair-Cafés hat in den letzten Jahren zugenommen. Laut der Website repair-cafes.ch gibt es bereits über 200 solche Reparierwerkstätten. Sicherlich ist Reparieren nicht allen so wichtig wie den Besucherinnen und Besuchern der Reparaturwerkstatt. Vielfach werden nämlich Dinge entsorgt, die noch funktionieren: Wie eine noch nicht publizierte Studie des Instituts für Wissen, Energie und Rohstoffe Zug der Ostschweizer Fachhochschule zeigen konnte, sind von den Altgeräten, die an öffentlichen Sammelstellen anfallen, knapp die Hälfte noch funktionstüchtig.
Ein erfolgreicher Abend
Unterdessen neigt sich der Abend in der Reparaturwerkstatt dem Ende zu. Willi arbeitet noch mit Claire an deren defektem Holz-Wäscheständer, bei dem Scharniere verbogen und Schrauben ausgerissen waren. Nachdem er sich um die Metallteile gekümmert hat, schraubt sie das sperrige Teil mit vollem Körpereinsatz zusammen. «Einfach war’s nicht», sagt sie, als sie fertig ist. Sie wirkt erschöpft, aber zufrieden und verschwindet rasch in die Nacht.
Auch Robi Schrott ist noch beschäftigt. Er tauscht mit Marianne den Schalter ihrer älteren Nachttischlampe aus, der «schon ewig» einen Wackelkontakt hat. Das Ersatzteil hat sie von zu Hause mitgebracht. Als «nicht reparierbar» und damit reif für die fachgerechte Entsorgung deklariert der Bastler allerdings Mariannes Solar-Funkwecker. «Heutige Miniatur-Elektronik ist schwierig zu reparieren», erklärt er, «und ohne detaillierte Schaltungsunterlagen überhaupt nicht.» Die gute Nachricht: Der Wecker ist der einzige hoffnungslose Fall des ganzen Abends.
Fazit
Geräte lange zu verwenden und auch zu reparieren, lohnt sich aus Umweltsicht praktisch immer. Möglich ist das vor allem dann, wenn Ersatzteile, Reparaturanleitungen und Schaltungsunterlagen zur Verfügung stehen – und wenn motivierte Menschen den Mehraufwand auf sich nehmen.
Sie möchten etwas reparieren?
In Repair-Cafés erhalten Sie Hilfe zur Selbsthilfe:
Auf reparaturführer.ch finden Sie Reparaturprofis sowie zahlreiche Reparaturanleitungen:
Weiterführende Informationen
Letzte Änderung 15.03.2023