Gelungene Sanierungen: Entlastet in die Zukunft

Alte Gewerbeareale sind für die Entwicklung von Städten interessant. Doch die gewerbliche Tätigkeit hat häufig Spuren in Form von belasteten Standorten hinterlassen. Wenn solche Areale eine Gefahr für die Umwelt darstellen, müssen sie saniert werden, bevor sie zum Standort neuer Siedlungen werden können.

Text: Lucienne Rey

Altlasten
Rückbau einer Halle der Firma Bultech Précision in Bulle (FR)
© Amt für Umwelt Kanton Freiburg

Von Bäumen gesäumte Strassen, weitläufige Sportanlagen und mit dem Bois de Bouleyres auch ein Wald in unmittelbarer Nachbarschaft – das Quartier im Osten des Städtchens Bulle (FR) bietet fraglos beste Wohnqualität, zumal es nur einen Katzensprung vom historischen Zentrum entfernt liegt. In dieser attraktiven Gegend entstehen zurzeit drei Blöcke mit rund 80 neuen Wohnungen. Noch im Lauf dieses Jahres sollten sie bezugsbereit sein, und spätestens mit dem Einzug der Mieterinnen und Mieter wird dann auch ein Schlussstrich unter die längere Auseinandersetzung rund um das Bauterrain der Wohnblöcke gezogen.

Noch vor Kurzem standen auf dieser Parzelle am Ende des Chemin de Bouleyres die Gebäude der Firma Bultech Précision: ein unscheinbarer gelblicher Block mit einem geduckten Anbau in Waschbeton-Optik und einige Nebenbauten. Das Unternehmen stellte massgefertigte Metallteile her. Hier wurde geklebt, gelötet, geschweisst und gleitgeschliffen – und dabei kamen Hilfsmittel zum Einsatz, die noch heute Gefahren für Umwelt und Gesundheit bergen. Zum Beispiel flüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe wie etwa Trichlorethylen, das in vielen Lösungsmitteln enthalten war und bereits in kleinen Mengen als krebserregend gilt.

Alter macht verdächtig

Da hier schon seit 1954 Metall bearbeitet wurde, weckte allein das Alter der Produktionsanlage den Verdacht, das Grundstück könnte belastet sein: «Wir müssen davon ausgehen, dass bei gewerblichen Bauten, die vor Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes im Jahr 1985 errichtet wurden, die vorsorglichen Massnahmen oft nicht ausreichen, um eine Gefährdung der Umwelt auszuschliessen», stellt Romano Dalla Piazza fest. Er ist im Amt für Umwelt des Kantons Freiburg (AfU) für die Sanierung von Altlastenstandorten zuständig.

In Bulle wurde diese Befürchtung zur Gewissheit, als am Chemin de Bouleyres eine benachbarte Firma ihren Standort im Hinblick auf einen Eigentümerwechsel auf allfällige Belastungen prüfen liess. Die Untersuchung ergab, dass das Grundwasser, das unter dem Gelände fliesst, belastet war – und dass diese Verschmutzung von der Parzelle der Firma Bultech ausging.

Im Anschluss wurden der genaue Hintergrund und der Umfang der Belastung am Sitz der Bultech ermittelt. Am Anfang dieser Recherchen stand 2004 die Aufarbeitung der Firmengeschichte. Dabei stellte sich heraus, dass an der Verschmutzung nicht in erster Linie das Unternehmen selbst schuld war. Bis 1989 gehörten die Bultech-Gebäude nämlich der Bankrott gegangenen Firma Decobul, und der grösste Teil der Verunreinigung ist deren Aktivitäten in der Metallverarbeitung zuzuschreiben.

Im Juni 2013 schliesslich stand fest, wo genau sich die Altlast befand. Die Verschmutzung wurde unter einem ehemaligen Lagergebäude der Bultech lokalisiert – in einer Bodenschicht zwischen vier und neun Metern unter der Oberfläche. Dort war zeitweise Grundwasser hochgestiegen, das Lösungsmittel aufgenommen hat in Konzentrationen, die den von der Altlasten-Verordnung (siehe Box) festgehaltenen Grenzwert um mehr als das Dreifache überstiegen. «Das ist keine sehr gravierende Verschmutzung», relativiert Christiane Wermeille, Chefin der Sektion Altlasten im BAFU. «Es mussten schon Standorte saniert werden, wo die Grenzwerte um das 100 000-Fache überschritten wurden.» Doch auch geringfügigere Belastungen können auf Dauer Schaden anrichten – zumal, wenn das Grundwasser in Zukunft einmal als Trinkwasser genutzt werden sollte.

Den Boden durchlüften

Um den besten Ansatz für die Sanierungsarbeiten zu wählen, stützte sich der Kanton auf verschiedene Vollzugshilfen des Bundes, insbesondere auf diejenige zur «Erstellung von Sanierungsprojekten für Altlasten» aus dem Jahr 2001 und zur «Evaluation von Sanierungsvarianten» von 2014. Bei der jüngeren Publikation handelt es sich «um eine Anleitung, die sehr viele Kriterien berücksichtigt, beispielsweise auch den für die Sanierungsmassnahme erforderlichen Energieverbrauch sowie das Verhältnis zwischen Sanierungsaufwand und -ertrag», sagt Romano Dalla Piazza vom Freiburger AfU.

Die konsultierten Vollzugshilfen legten ein zweistufiges Vorgehen nahe: «Wir haben zunächst Pumpen eingerichtet, um zu verhindern, dass allenfalls hochsteigendes Grundwasser die Schadstoffe weiterhin ausspülen könnte», so der Altlastenexperte. Anschliessend kam ein Venting genanntes Verfahren zum Einsatz. Dabei wurde der belasteten Bodenschicht Umgebungsluft zugeführt, die dann wieder aufgefangen und in einem Aktivkohlesystem gereinigt wurde. Insgesamt entzog man dem Untergrund so rund zehn Kilogramm der problematischen flüchtigen organischen Verbindungen.

Der Bund zahlt mit

Für das Entfernen von zehn Kilogramm Schadstoffen aus der Umwelt mussten gut drei Millionen Kubikmeter Luft sowie 140 000 Kubikmeter Wasser behandelt werden. Die Gesamtkosten für die rund zwei Jahre dauernde Sanierung beliefen sich auf etwa 350 000 Franken. «35 000 Franken pro Kilogramm Schadstoff sind viel Geld», hält Romano Dalla Piazza fest, dem es ein Anliegen ist, öffentliche Mittel sparsam einzusetzen.

Gesamthaft investieren Kantone und Bund grosse Beträge in die Behebung von Altlasten. Artikel 32 des Umweltschutzgesetzes hält fest, die Kantone hätten die Kosten für die Entsorgung von Verunreinigungen zu übernehmen, falls deren Urheber wegen Zahlungsunfähigkeit dazu nicht in der Lage seien – was genau dem Fall der Bankrott gegangenen Firma Decobul in Bulle entspricht. Wie sich zeigte, waren 80 Prozent der Verschmutzung am Chemin de Bouleyres auf sie zurückzuführen, die restlichen 20 Prozent auf die Bultech. Deshalb musste der Kanton Freiburg auch 80 Prozent der Sanierungskosten übernehmen. Geld, das ihm vom Bund zu 40 Prozent wieder zurückvergütet wurde. «Der Beitrag des Bundes ist ein wichtiges Instrument, um die Kantone bei der Beseitigung von Altlasten zu unterstützen», betont denn auch Christiane Wermeille vom BAFU.

Im März 2017 schloss der Kanton die Sanierung ab und gab das Grundstück zur Überbauung frei. Die Firma Bultech konnte mit dem Erlös, den sie aus dem Verkauf ihres ehemaligen Firmengeländes erzielte, ihr neues und grösseres Produktionszentrum in einer benachbarten Gemeinde finanzieren. Und die Stadt Bulle darf sich heute darüber freuen, dass auf einem ehemals belasteten Standort attraktiver Wohnraum geschaffen wird.

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Die Standorttypen im Überblick
© BAFU

Geschichte der Altlasten-Verordnung

Am 1. Oktober 1998 ist die Verordnung über die Sanierung belasteter Standorte (Altlasten-Verordnung, AltlV) in Kraft getreten. Der Leistungsausweis der 20 Jahre währenden Altlastenbearbeitung kann sich sehen lassen: Der Bund und alle 26 Kantone haben die Kataster ihrer belasteten Standorte erstellt und im Internet publiziert. Von den insgesamt 38 000 ermittelten belasteten Standorten dürften rund 4000 sanierungsbedürftig sein. Etwa ein Viertel davon wurde bereits saniert. Beim Grossteil der beseitigten Altlasten musste der Untergrund ausgehoben und entsorgt werden; nur bei rund einem Fünftel der Standorte war es möglich, die Schadstoffe wie im Fall der Firma Bultech (siehe Hauptartikel) am Ort selbst zu behandeln und ein sogenanntes In-situ-Verfahren anzuwenden.

Bei etwa der Hälfte der schweizweit verschmutzten Flächen handelt es sich um Standorte von Betrieben, knapp 40 Prozent sind ehemalige Deponien, und 11 Prozent betreffen Schiessanlagen. Mit 225 Quadratkilometern ist die Gesamtfläche aller belasteten Standorte etwa so gross wie der Kanton Zug. 63 Prozent aller Standorte befinden sich im Mittelland, wo sich die Bevölkerung und die wirtschaftlichen Tätigkeiten konzentrieren. Auf den Jura entfallen 14 Prozent, die restlichen 23 Prozent verteilen sich auf die übrigen Landesteile. 60 Prozent der Altlasten befinden sich in einem sensiblen Gewässerschutzbereich oder sogar in einer Gewässerschutzzone.

Der Bund beteiligt sich finanziell an der Sanierung von Altlasten und greift dazu auf den sogenannten VASA-Altlastenfonds zurück. Dieser wird von Gebühren gespeist, die beim Entsorgen von Abfällen auf Deponien entrichtet werden müssen; das Kürzel steht für «Verordnung über die Abgabe zur Sanierung von Altlasten». Zwischen 2002 und 2017 wurden 432 Millionen Franken aus dem VASA-Fonds für Untersuchungen, Überwachungen und Sanierungen ausgezahlt oder zugesichert.

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Letzte Änderung 05.09.2018

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