Forschung: «Jetzt ist das Quecksilber gefangen»

Moderne analytische Methoden helfen zu überprüfen, ob chemikalienrechtliche Vorschriften eingehalten werden. So liess das BAFU beispielsweise ein Verfahren entwickeln, mit dem es erstmals gelang, gasförmiges Quecksilber in Energiesparlampen zu messen.

Text: Nicolas Gattlen

Artikel _8_mag-4-18
© José M. Domínguez / Adobe Stock

Renato Figi stellt die Energiesparlampe in einen Behälter, füllt diesen bis zur Hälfte mit einer violetten Flüssigkeit auf und durchbricht mit einem spitzen Werkzeug den Sockel der Lampe. Dann schiesst, schnell wie ein Blitz, die violette Flüssigkeit in die Leuchtröhre. «Jetzt ist das Quecksilber gefangen», erklärt der Mitarbeiter der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa. Im Auftrag des BAFU hat Figi eine analytische Methode entwickelt, mit der sich zum ersten Mal der gasförmige Gehalt des flüssigen Schwermetalls in Energiesparlampen und Leuchtstoffröhren messen lässt – zuvor wurde weltweit immer nur das gebundene Quecksilber gemessen. Figis Trick: Er nutzt den im Glaskörper herrschenden Unterdruck, was zur Folge hat, dass die violettfarbene Kaliumpermanganatlösung in diesen hineinschiesst und das gasförmige Quecksilber bindet. Mittels Kaltdampftechnik und anschliessender UV-Spektroskopie lässt sich dessen Menge exakt bestimmen.

Giftiges Gas in Lampen

«Das gasförmige Quecksilber kann in gebrauchten Lampen bis zu 80 Prozent der Quecksilbermenge ausmachen, in ungebrauchten sind es bis zu 2 Prozent», erläutert der Chemiker. Dies gelte es bei Marktkontrollen, aber auch bei der Entsorgung und beim Recycling zu beachten. Ausserdem sei das gasförmige Schwermetall gefährlicher als das gebundene. «Wenn eine Lampe zerbricht, kann das giftige Gas in die Luft entweichen.» Gesundheitlich bedenklich wird es laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) aber erst, wenn grössere Mengen eingeatmet werden, etwa nachdem gleich mehrere sogenannte Linearleuchten mit einem Quecksilbergehalt von bis zu 15 Milligramm in einem kleinen Raum zerbrochen sind. Die toxische Wirkung des Schwermetalls ist schon lange bekannt und nicht allein auf die unmittelbare Exposition beschränkt. Weil es als chemisches Element nicht abbaubar ist, reichert es sich in der Umwelt an und kann in die Nahrungskette gelangen. So enthalten etwa Meeresfische, die sich in belastetem Wasser aufhalten, viel Quecksilber. Der Verzehr von kontaminiertem Fisch schadet schliesslich auch dem Menschen, wie die Katastrophe im japanischen Minamata gezeigt hat. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich 2013 im Minamata-Übereinkommen dazu verpflichtet, die Quecksilberemissionen zu senken. In der Schweiz existieren bereits seit rund 30 Jahren Einschränkungen für die Verwendung des flüssigen Schwermetalls und die Einführung von Produkten, die Quecksilber enthalten. Mit der Übernahme von EU-Regeln wurden in den letzten Jahren immer mehr Bereiche erfasst. Inzwischen ist das Quecksilber aus sämtlichen Industrieprozessen und aus fast allen Handelsprodukten verbannt. Nicht aber aus den Gasentladungslampen (FL-Röhren, Energiesparlampen usw.), für die das Schwermetall unerlässlich ist: Es bringt sie überhaupt erst zum Leuchten.

Forschen für den Vollzug

Inzwischen gibt es mit den LED-Leuchten zwar eine energieeffiziente Alternative; doch die Gasentladungslampen werden noch einige Jahre auf dem Markt bleiben. Die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung des Bundes legt für sie – je nach Typ, Grösse und Leistung – eine Höchstmenge an Quecksilber fest. Die Grenzwerte werden regelmässig auf den neuesten Stand der Technik hin überprüft und nach unten angepasst. Ob die gehandelten Produkte tatsächlich regelkonform sind, haben die Kantone zu überprüfen. Ihnen obliegt der Vollzug des Chemikalienrechts. Die jüngsten Anpassungen der Grenzwerte stellten eine grosse Herausforderung für die Kantone dar: Sie erforderten neue, präzisere Analysemethoden, die ein Kantonslabor kaum zu entwickeln vermag. Also hat das BAFU die Empa damit beauftragt.

«Das BAFU initiiert oder finanziert regelmässig solche Forschungsarbeiten», erklärt Urs von Arx von der Sektion Industriechemikalien. Auslöser dafür seien meist Anpassungen der Vorschriften infolge einer neuen Risikobewertung eines Stoffs. Die Behörden könnten ihre Kontrollaufgaben aber nur wahrnehmen, wenn sie über die dafür nötigen Analysemethoden verfügten. Auch die Betriebe profitierten davon: «Sie können die neuen Verfahren zur Stoffflussanalyse einsetzen und herausfinden, ob ihre Produkte und Prozesse den geltenden Regeln entsprechen.» Mit der Stoffflussanalyse werden Herkunft, Entstehung, Umwandlungsprozesse und Entsorgungswege eines ausgewählten Stoffes oder einer Stoffgruppe quantitativ erfasst.

15 Lampentypen getestet

Bei den Energiesparlampen, die alle im Ausland produziert werden, stehen die Schweizer Importeure in der Verantwortung. Anlässlich einer Marktkontrolle haben jüngst mehrere kantonale Chemikalienfachstellen zusammen mit der Empa geprüft, ob die Quecksilbervorgaben eingehalten werden. Dazu wurden 15 handelsübliche Sparlampentypen mithilfe der neuen, von der Empa entwickelten Analysemethode untersucht. Neben dem gasförmigen Anteil massen die Experten auch das gebundene Quecksilber, das meist als Amalgam (Quecksilber-Zinn-Zink-Legierung) vorliegt. Die metallischen Kügelchen wurden dazu in konzentrierter Salpetersäure bei 250 Grad Celsius gelöst und analysiert. Wie das Verhältnis von gasförmigem zu gebundenem Quecksilber ausfällt, ist für den Vollzug nicht relevant, entscheidend ist der Gesamtgehalt. Und dieser übertraf bei keiner der getesteten Lampen den Grenzwert. Allerdings fehlte auf vier Verpackungen die erforderliche Deklaration des Quecksilbergehalts.  

Weiterführende Informationen

Kontakt
Letzte Änderung 28.11.2018

Zum Seitenanfang

https://www.bafu.admin.ch/content/bafu/de/home/themen/chemikalien/dossiers/magazin2018-4-dossier/jetzt-ist-das-quecksilber-gefangen.html