Umweltschutz kommt der menschlichen Gesundheit zugute

19.11.2019 – «Die Menschen vor den schädlichen Auswirkungen zu schützen, ist eines der Ziele des Umweltschutzgesetzes», sagt Marc Chardonnens, Direktor des Bundesamts für Umwelt (BAFU). «Eine naturnahe Landschaft motiviert die Menschen, um Sport zu treiben und sich darussen zu bewegen. So trägt die Natur positiv zur Gesundheit bei», sagt Pascal Strupler, Direktor des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Anlässlich der Veröffentlichung der gemeinsamen Publikation zum Thema Umwelt und Gesundheit diskutieren die beiden Amtsvorsteher über die Zusammenhänge zwischen diesen beiden Bereichen.

Marc Chardonnens und Pascal Strupler
Die beide Direktoren im Gespräch: links BAFU-Direktor Marc Chardonnens, rechts BAG-Direktor Pascal Strupler.
© BAFU|OFEV|UFAM

Weshalb ist das Thema Gesundheit für das Bundesamt für Umwelt von Interesse und welche konkreten Einflüsse hat die Umweltbelastungen auf die menschliche Gesundheit?

 

Marc Chardonnens, BAFU: Weil der Schutz der Menschen vor schädlichen Einwirkungen eines der Ziele des Umweltschutzgesetzes ist. In Bereichen wie der Luftreinhaltung oder dem Gewässerschutz ist die Verbindung zwischen Umweltschutz und Schutz der menschlichen Gesundheit besonders deutlich. Die Verminderung von Gesundheitsrisiken ist in einem Teil der Gesetzgebung explizit als Ziel erwähnt.

Weitere Aufgaben teilen wir mit dem Bundesamt für Gesundheit. Namentlich bei der Anpassung an den Klimawandel, beim Strahlenschutz oder bei der Bekämpfung invasiver gebietsfremder Arten – von denen mache hochallergen sind oder Krankheiten übertragen können – deckt das BAG die gesundheitsrelevanten Aspekte ab.

Pascal Strupler, BAG: Wir sind heute mit sehr verschiedenen Umweltbelastungen konfrontiert, die zum Teil in komplexer Weise mit der Gesundheit des Menschen in Wechselwirkung stehen. Epidemiologische Studien belegen beispielsweise, dass Luftschadstoffe (wie Feinstaub, Ozon oder Stickoxide) nebst Lungenkrankheiten wie Asthma, Allergien und chronische Bronchitis begünstigen.

Das natürliche radioaktive Gas Radon erhöht das Risiko, langfristig an Krebs zu erkranken. Unbestritten ist auch, dass UV-Strahlung die Erbsubstanz schädigen und damit das Risiko erhöht, an Hautkrebs zu erkranken.

Dass Belastungen unserer Umwelt mit Chemikalien grosse Gesundheitsrisiken bergen können, zeigen Erfahrungen aus der Vergangenheit mit Schwermetallen wie z.B. Blei, Arsen oder Quecksilber oder mit Pflanzenschutzmitteln wie DDT. Sie schädigen das Nervensystem oder stören die Fortpflanzung.

Direkte Auswirkungen auf die Gesundheit hat aber auch der Klimawandel. Er begünstigt verschiedene Insekten wie Zecken und Mücken, die potentiell Krankheiten übertragen. Es wachsen auch zunehmend gebietsfremder Pflanzen mit teilweise sehr hohem Potenzial für Allergien. Unter den vermehrt auftretenden Hitzewellen leiden ältere Personen oder chronisch Kranke. 2018 wurden deshalb 200 zusätzliche Todesfälle verzeichnet.

 

Inwiefern kommt eine intakte Umwelt der Gesundheit zugute und werden diese positive Aspekte der Umwelt auf die Gesundheit beim BAG gefördet?

 

Chardonnens: Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass ein Aufenthalt in der Natur oder im Wald oder das Betrachten schöner Landschaften unserem Wohlbefinden und unserer Gesundheit förderlich ist und uns insbesondere dabei hilft, Stress abzubauen. Das ist ein wohltuender Aspekt der Natur, der vielleicht weniger bekannt ist, den wir aber in der Schweiz leicht erleben können!

Naturräume mit reicher Biodiversität erbringen überdies zahlreiche Leistungen, die unserer Gesundheit zugutekommen. Grünräume in den Städten mildern sommerliche Hitzeinseln, Insekten sorgen für die Bestäubung von Obstbäumen und Pflanzen, die die Grundlagen unserer Ernährung bilden. Nicht zuletzt ist die Natur ein aussergewöhnliches Ressourcen-Reservoir für die Entwicklung neuer Medikamente.  

Strupler: Regelmässige körperliche Aktivität reduziert das Risiko für weit verbreitete Beschwerden und Krankheiten wie zum Beispiel Übergewicht, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes II. Unsere Strategie zur Vermeidung von nicht übertragbaren Krankheiten setzt hier einen Schwerpunkt. Hohe Natur- und Landschaftsqualitäten fördern nachweislich Erholung und Gesundheit und sind für einen Grossteil der Bevölkerung eine wichtige Motivation für Sport und Bewegung. Wir sehen hier grosse Synergien zwischen Natur- und Gesundheitsschutz. 

Bis heute sind nicht alle Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Gesundheit bekannt, welche Fortschritte der letzten Jahre im Umweltbereich waren für die Gesundheit besonders relevant? Wo sollten in der Forschung Schwerpunkte gesetzt werden?  

 
 

Chardonnens: Dank der Umweltpolitik und der umfangreichen Investitionen sind Luft und Gewässer heute sauberer. Die Belastung der Böden mit Schwermetallen ist zurückgegangen, umfangreiche Altlasten wurden saniert. Die Verankerung des Verursacherprinzips in der Umweltgesetzgebung und die Festlegung von Grenzwerten – teilweise in Abhängigkeit von den Risiken für die menschliche Gesundheit – haben entscheidend dazu beigetragen.

Dennoch sind wir noch weit vom idealen Zustand entfernt. Wir werden mit neuen Problemstellungen konfrontiert, beispielsweise mit Mikroverunreinigungen in den Gewässern, mit Feinstaub in der Luft oder mit Plastik in der Umwelt. Zusammenhängende naturnahe Flächen sind seltener geworden, vor allem im Mittelland. Und wie in allen Industrieländern nehmen der Lärm, der Elektrosmog und die Lichtverschmutzung zu. Es sind also weitere Anstrengungen nötig.

Strupler: Die Fehler der Vergangenheit dürfen keinesfalls wiederholt werden. Im Bereich des Umweltschutzes wurden in den letzten Jahrzenten grosse Fortschritte erzielt. Die verschiedenen Regulierungen und Restriktionen zeigen Wirkung. In vielen Gewässern können wir wieder ohne Bedenken baden. Mit dem Verbot von Blei in Benzin und Diesel konnte die Bleibelastung deutlich reduziert werden.

Trotz dieser Fortschritte gibt es noch viel zu tun. Es bestehen immer noch grosse Wissenslücken bezüglich der Auswirkungen verschiedener Umweltfaktoren auf die Gesundheit. Grosse Datenlücken gibt es zum Beispiel betreffend die gesundheitlichen Auswirkungen von Chemikalien (Boden Wasser und Nahrung). Weil es sich dabei oftmals um Langzeitexpositionen mit einer komplexen Mischung von Schadstoffen (u.a. hormonaktiven Substanzen) bei meist niedriger Konzentration handelt, sind die Zusammenhänge mit gesundheitlichen Auswirkungen nur schwer zu belegen.

Zu den Prioritäten der Forschung im Bereich Gesundheit gehört aus Sicht des BAG deshalb, dass eine schweizerische Gesundheitsstudie (Kohorte) lanciert wird, die repräsentative Daten zur Belastung der Bevölkerung mit Umweltschadstoffen liefert. Nur so können Zusammenhänge mit Erkrankungen erkannt und gezielt angegangen werden.

 

Belastungen können auch jenseits von Landesgrenzen gesundheitliche Auswirkungen haben. Können internationale Umweltkonventionen dazu beitragen, gewisse Risiken zu senken?

Chardonnens: Weltweit hat die Umweltverschmutzung enorme gesundheitliche Folgen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 23 Prozent aller jährlichen Todesfälle weltweit auf eine belastete oder ungesunde Umwelt zurückzuführen. Für das Jahr 2012 wird diese Zahl dieser umweltbedingten Todesfälle auf 12,6 Millionen geschätzt. Jedes Jahr fordert die Luftverschmutzung knapp 6,5 Millionen Todesopfer, und 1,6 Millionen Menschen sterben aufgrund der Belastung durch giftige Chemikalien.

Einige dieser Belastungen lassen sich nur über internationale Regelungen wirksam bekämpfen. So werden beispielsweise dank der Massnahmen zur Wiederherstellung der Ozonschicht, die im Rahmen des Montrealer Protokolls durchgesetzt wurden, weltweit jährlich bis zu zwei Millionen Krebsfälle und mehrere Zehntausend Fälle von Grauem Star verhindert. Ohne das Montrealer Protokoll gäbe es in der Schweiz jedes Jahr bis zu 7000 zusätzliche Fälle von Hautkrebs.

Aus diesem Grund engagiert sich die Schweiz im Rahmen internationaler Umweltabkommen und trägt zur Ausarbeitung globaler Lösungen bei. Zusätzlich zu den drei internationalen Konventionen im Umweltbereich, die sich mit Chemikalien befassen, beherbergt die Schweiz seit 2017 das Sekretariat der Minamata-Konvention. Diese Konvention verfolgt das Ziel, den Einsatz von Quecksilber zu verbieten, welches noch heute schwere gesundheitliche Schäden verursacht.

Umwelt und Gesundheit in der Schweiz

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Eine facettenreiche Beziehung. 2019

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Letzte Änderung 19.11.2019

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