Strafverfolgung: Die Umweltspezialisten der Kapo Bern

Mit ihrer Fachstelle für Umweltkriminalität ist die Kantonspolizei Bern gut gerüstet, um Umweltdelikte aufzuklären und die Täter zu überführen. Im Kampf gegen das organisierte Verbrechen erweisen sich die föderalistischen Strukturen in der Schweiz aber als Hemmnis.

Text: Mike Sommer

Polizei
Das Tätigkeitsfeld der Umweltpolizisten ist breit. Die Entnahme von Wasser- und Bodenproben gehört ebenso dazu wie eine präzise Dokumentation der Vorkommnisse.
© Flurin Bertschinger/Ex-Press/BAFU

Illegal im Wald entsorgte Autoreifen hat Markus Stauffer in seinem Berufsleben schon oft gesehen. Was aber steckt hinter diesem Phänomen? Im Frühjahr 2017 startete der Leiter der Abteilung Umweltkriminalität der Kantonspolizei Bern eine Aktion mit dem Ziel, Einblick in das Geschäft mit gebrauchten Reifen zu erlangen. Die Ermittlungen begannen mit Befragungen in Garagenbetrieben. Bald hatten die Fahnder bessere Kenntnis vom Geschäft mit alten Pneus. Garagisten dürfen gebrauchte Reifen nur an Händler abgeben, die über eine Bewilligung des kantonalen Amtes für Wasser und Abfall verfügen. In der Praxis verlangen sie diesen Nachweis kaum je. Dubiose Abnehmer haben so ein leichtes Spiel. Sie verkaufen Reifen mit ausreichend Profil für gutes Geld ins Ausland, der Rest endet in der Natur statt in der Verbrennungsanlage. So sparen die Händler die Entsorgungskosten.

Das Resultat der drei Monate dauernden Aktion konnte sich sehen lassen. Etwa 50 Personen wurden angezeigt, Händler und Garagisten. Die Fälle liegen nun beim Staatsanwalt. Martina Rivola, Leiterin des Fachbereichs Umwelt der Berner Kapo und Stauffers Vorgesetzte, ist zufrieden: «Vor dieser Aktion wurden Garagisten nie kontrolliert. Jetzt ist ihnen bewusst geworden, dass sie mitverantwortlich sind für eine korrekte Entsorgung gebrauchter Reifen.»

Mikroskopisch kleine Spuren

Die 1986 gebildete Abteilung Umweltkriminalität der Kapo Bern besteht aus vier Polizisten. «Ein ausgebildeter Fahnder braucht Jahre, bis er bei uns voll einsatzfähig ist», betont Markus Stauffer.

Das Tätigkeitsfeld ist breit. Die Entnahme von Wasser- und Bodenproben gehört ebenso dazu wie eine präzise Dokumentation der Vorkommnisse. Um mikroskopisch kleine Spuren gerichtsverwertbar zu dokumentieren, arbeiten die Fahnder mit Fachstellen zusammen – etwa der Feuerwehr, dem kantonalen Labor, der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa oder dem Paul-ScherrerInstitut. Unverzichtbar ist juristisches Fachwissen. Was Umweltdelikte sind, definieren zahlreiche Bundesgesetze. Dazu kommen kantonale Gesetze, Verordnungen, Weisungen, Richtlinien, Gemeindeordnungen. Nicht alle Kantonspolizeien verfügen über Fachleute, die sich ausschliesslich um Umweltdelikte kümmern. Martina Rivola ist überzeugt, «dass wir diesbezüglich schweizweit führend sind». Die Berner Umweltfahnder können auch Kapointerne Fachberater beiziehen. Es sind dies 32 Mitarbeitende der Regionalpolizei, die mit den Verhältnissen vor Ort vertraut sind und ihr Fachwissen im Rahmen einer permanenten internen Weiterbildung erwerben.

«Gemeinsam können wir unsere Aufgabe bewältigen», ist Markus Stauffer überzeugt. Rund 2300 Meldungen zu potenziellen Umweltdelikten gehen jedes Jahr bei der Kapo ein, Tendenz steigend.

Altreifen im Wald deponiert
Mit illegal im Wald entsorgten Autoreifen haben es die Umweltfahnder der Kapo Bern oft zu tun.
© Kantonspolizei Bern

Saisonabhängige Umweltdelikte

Nicht immer sind die Fälle so gewichtig wie der illegale Altreifenhandel. Den Alltag der Umweltpolizei prägen jahreszeitliche Erscheinungen. Mottfeuer in Gärten und im Wald vernebeln die Landschaft im Herbst. Im Winter wird Gülle auf verschneiten Feldern ausgebracht. Im Frühling häufen sich Zwischenfälle in öffentlichen Bädern und privaten Swimmingpools wegen fahrlässigen Chemikalieneinsatzes. Der Sommer schliesslich ist «die Zeit von Lärm und Littering», wie sich Markus Stauffer ausdrückt. Immer Saison haben illegale Ablagerungen und das Einleiten von Fremdstoffen in Gewässer. Ob wild entsorgter Kehricht oder illegaler Export von Elektroschrott im grossen Stil: Umweltdelikte sind Offizialdelikte. Markus Stauffer betont: «Wenn die Polizei etwas feststellt, schreitet sie immer ein.» Der Aufwand ist mitunter gross. Auf einem Parkplatz hatten beispielsweise Autofahrer Lackschäden an ihren Fahrzeugen festgestellt. Stauffers Team identifizierte staubartige Partikel als Ursache. Die Laboranalyse ergab, dass sie nicht wie vermutet vom Bremsabrieb vorbeifahrender Züge stammten. Daraufhin kontrollierte die Polizei die Betriebe in der Umgebung. In einem Unternehmen, das die Sandstrahltechnik anwendet, wurde man schliesslich fündig. Wegen eines defekten Abluftfilters war Strahlgut unbemerkt nach draussen gelangt. Die Polizei erstattete Anzeige; nun wird geprüft ob die Firma ihre Sorgfaltspflicht beim Unterhalt der Anlage verletzt hat.

Problematischer Föderalismus

So positiv Martina Rivola die Arbeit ihrer Umweltfahnder beurteilt, bei der Strafverfolgung ortet sie dennoch ein Manko: «Unser Föderalismus macht die Bekämpfung der organisierten Umweltkriminalität schwierig. Häufig sehen wir nur den Einzelfall, die grösseren Zusammenhänge bleiben verborgen.» Entdeckt etwa die Hafenbehörde in Rotterdam mehrere Container mit falsch deklariertem Elektroschrott, schickt sie diese an die Absender in die Schweiz zurück. Befinden sich die Absender in verschiedenen Kantonen, befassen sich die jeweiligen kantonalen Behörden nur mit «ihrem» Container. Fälle von organisierter Umweltkriminalität liessen sich so nur schwer erkennen, sagt Martina Rivola. Grosse Hoffnung setzt sie auf die National Environmental Security Task Force, die derzeit aufgebaut wird. Die Arbeitsgruppe soll die im Bereich Umweltstrafrecht zuständigen nationalen und kantonalen Behörden miteinander verbinden und deren Zusammenarbeit fördern. «Damit dürfte unser Kampf gegen die organisierte und die internationale Umweltkriminalität an Effizienz und Schlagkraft gewinnen.» 

Für viele Situationen gerüstet

Raphaël Jallard, Direktor des Interregionalen Polizei-Ausbildungszentrums der Kantone Freiburg, Neuenburg und Jura, erklärt, wie das Thema «Umweltdelikte» vermittelt wird.

Interview: Mike Sommer

Herr Jallard, was lernen Ihre Aspirantinnen und Aspiranten konkret zum Thema Umweltdelikte?
Raphaël Jallard:
Die Ausbildung umfasst einige Theoriestunden mit den Verantwortlichen der kantonalen Umweltfachstellen. Behandelt werden die häufigsten Verstösse und vor allem die Sofortmassnahmen zur Spurensicherung – etwa die fotografische Dokumentation oder die Entnahme von Wasserproben nach einer Gewässerverschmutzung.

Die Ausbildung erfolgt also mit der Unterstützung externer Fachleute?
Ja, solche ziehen wir bei Bedarf bei. Im Alltag arbeiten Polizistinnen und Polizisten eng mit Fachstellen wie den Umweltämtern oder den Kantonschemikern zusammen. Sie können auch externe Spezialisten beauftragen. Ziel der Ausbildung ist es, dass sie wissen, welche Partner sie in welchen Fällen beiziehen sollen.

Wäre eine stärkere Gewichtung des Themas Umweltkriminalität in der Polizeiausbildung aus Ihrer Sicht wünschenswert?
Derzeit sind die Polizeiangehörigen in den betreffenden Kantonen nur gelegentlich in solche Verfahren involviert. Mit unserer Grundausbildung sind sie für die meisten Situationen gerüstet. Wenn sich die Ausgangslage ändert, werden wir unsere Ausbildung neu evaluieren und wenn nötig anpassen.

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Letzte Änderung 10.04.2018

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