2. bis 5. Oktober 2020: Hochwasser auf der Alpensüdseite und in den Alpen

02.11.2020 - Aussergewöhnlich grosse Niederschlagsmengen führten am ersten Oktoberwochenende 2020 zu Hochwasser an Flüssen und Seen auf der Alpensüdseite, in den Zentralalpen sowie in den angrenzenden Regionen. Insgesamt verzeichneten 22 Abflussmessstationen des BAFU während des Hochwasserereignisses neue Oktoberhöchstwerte. In den betroffenen Gebieten traten zahlreiche Flüsse über die Ufer. An mehreren Messstationen wurde die Gefahrenstufe 4, an der Goneri (VS) sogar die Gefahrenstufe 5 erreicht. Aufgrund der hohen Zuflüsse gab es auch am Lago Maggiore lokal Überschwemmungen.

Die Maggia bei der BAFU-Messstation in Bignasco (TI) verwandelte sich am 3. Oktober in einen reissenden Fluss. Mit einem Abfluss von über 500 m3/s erreichte sie die Gefahrenstufe 3.
© Andrea Crose, BAFU

Von Donnerstagabend, 1. Oktober 2020, bis Samstagmittag, 3. Oktober 2020, fielen auf der Alpensüdseite sowie am westlichen und zentralen Alpenkamm extrem grosse Niederschlagsmengen (siehe MeteoSchweiz-Blog).

Das Hauptereignis dauerte von Freitagmorgen bis Samstagmorgen. In diesen 24 Stunden erreichten die Niederschlagssummen verbreitet 100 bis 250 mm. Im westlichen Tessin wurden sogar bis zu 400 mm gemessen. Auch in den angrenzenden Gebieten wie z.B. in Teilen des Oberwallis und des Berner Oberlands, des Kantons Obwalden und dem Kanton Uri fielen beträchtliche Regenmengen.

Gefahrenstufen 3 und 4 in zahlreichen Flüssen

Aufgrund der grossen Niederschlagsmengen stiegen die Wasserstände der Fliessgewässer und Seen in den betroffenen Regionen ab Freitagmittag, 2. Oktober 2020, rasch an. Schon in den ersten Stunden des Samstags erreichten die Abflüsse an der Reuss in Seedorf (UR) und an der Lütschine in Gsteig (BE) die Gefahrenstufe 4. Im Verlaufe des Morgens wurden die Grenzen zur Gefahrenstufe 4 an weiteren BAFU-Messstationen überschritten, so an der Reuss in Andermatt (UR), an der Rhone in Reckingen (VS) und an der Moesa in Lumino (TI). An der Goneri, einem Zufluss zur Rhone im Goms, galt sogar die Gefahrenstufe 5.

An zahlreichen weiteren Bächen und Flüssen wurden bis am Samstagmittag, 3. Oktober 2020, Abflussspitzen der Gefahrenstufe 2 bzw. 3 beobachtet. Die grössten Abflüsse des Rhein in Diepoldsau (SG), der Rhone in Porte du Scex (VS) und des Inns in Tarasp bzw. Martina (GR) traten am Samstagnachmittag auf. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Abflüsse in den meisten anderen Gewässern bereits wieder stark zurückgegangen.

Hochwasser auf der Alpensüdseite und in den Alpen: Erreichte Gefahrenstufen (GS) und Abflussspitzen des Ticino, der Reuss und der Rhone vom 3. Oktober 2020. Blau die Abflusswerte der BAFU-Messstationen in m3/s, schwarz die Pegel in m ü.M.

Neue Oktober-Höchstwerte an 22 Messstationen

Insgesamt wurden während des Hochwasserereignisses an 22 Abflussmessstationen des BAFU neue Oktobermaxima beobachtet. Sogar neue absolute Höchstwerte sind bei den Messstationen Goneri in Oberwald (Beginn Messreihe 1991) und Moesa in Lumino (Messungen seit 1981) zu verzeichnen.

Auch bei einigen Messstationen mit deutlich längeren Messreihen sind die Abflüsse als ausserordentlich einzustufen. Der Abflussspitze der Reuss in Andermatt kann eine Jährlichkeit von 50 bis 100 Jahren zugeordnet werden, in Seedorf sind es 30 bis 50 Jahre. Die grossen Wassermassen führten dazu, dass der Raum innerhalb der Dämme nicht mehr ausreichte und die Reuss, wie im Schutzkonzept geplant, kontrolliert auf die Autobahn A2 und das Umland gelenkt werden musste.

Auch im Ticino in Bellinzona, in der Rhone in Reckingen und im Rhein in Diepoldsau wurden Jährlichkeiten von 30 bis 50 Jahren verzeichnet. Hinzu kommen zahlreiche weitere Stationen mit kürzeren oder längeren Abflussmessreihen welche Jährlichkeiten von mehr als 10 Jahren aufweisen (siehe untenstehende Tabelle).

Da die Schneefallgrenze während des Hauptereignisses sehr hoch lag und erst am Samstagvormittag bis in tiefere Regionen sank, gab es nur wenig Rückhalt des Niederschlags in Form von Schnee. Im Oberlauf der Rhone und der Reuss führte die am Samstagmorgen rasch auf unter 2000 Meter absinkende Schneefallgrenze dazu, dass die hohen Abflüsse etwas vermindert wurden.

Detaillierte Angaben zu den höchsten Messwerten, den Wiederkehrperioden und den maximal erreichten Gefahrenstufen sind folgender Zusammenstellung zu entnehmen:

Vergleich der maximalen Abflüsse mit den Gefahrenstufen für Hochwasser (provisorische Daten)

Enormer Pegelanstieg des Lago Maggiore

Bereits Ende August hatten starke Regenfälle auf der Alpensüdseite zu raschen Pegelanstiegen und Hochwasser geführt. Es wurden damals jedoch nicht ganz so hohe Werte gemessen wie am ersten Oktoberwochenende.

Ende August war der Lago Maggiore um 1,30 m angestiegen. Beim Ereignis von Anfang Oktober betrug der Anstieg rund 2,5 m (zum Vergleich: Beim Oktoberhochwasser im Jahr 2000 stieg der Pegel des Lago Maggiore in 4 Tagen um rund 3,5 m). Am Samstagmorgen stieg der Seepegel pro Stunde um bis zu 12 cm. Zu diesem Zeitpunkt flossen dem See alleine über die drei grossen Flüsse Toce, Maggia und Ticino über 6000 m3/s zu. Nach Nachlassen der Regenfälle erreichte der See in der Nacht von Sonntag auf Montag mit 195,46 m ü.M. seinen Höchststand knapp unterhalb der Gefahrenstufe 3 und trat lokal über die Ufer. Der Pegel lag somit deutlich über dem für die Saison üblichen Wert (siehe Grafik unten).

Der Pegel des Lago Maggiore im Vergleich zu langjährigen Messwerten: Vor dem Ereignis von Anfang Oktober 2020 lag der See deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Nach den Regenfällen stieg der Pegel über 2,5 Meter an und blieb mehrere Tage auf erhöhtem Niveau.

Aufgrund der hohen Zuflüsse stieg auch der Pegel des Lago di Lugano insgesamt um 60 cm an. Das Maximum von 271,05 m ü.M. (Gefahrenstufe 2) wurde dort am Montagabend, 5. Oktober registriert. Auch der Vierwaldstättersee und der Brienzersee verzeichneten deutliche Pegelanstiege um rund 40 bzw. 60 cm. Diese beiden Seen verblieben aber in der Gefahrenstufe 1.

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Letzte Änderung 02.11.2020

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