Hydrologischer Atlas: Wasserwissen 2.0

24.08.2016 - Der «Hydrologische Atlas der Schweiz» (HADES) fasst seit mehr als 20 Jahren das wissenschaftliche Know-how rund um das Thema Wasser kompakt zusammen. Neu bietet eine digitale Plattform neben 3-D-Visualisierungen von hydrologischen Phänomenen auch verschiedene Analysemöglichkeiten. Sie soll das entsprechende Fachwissen noch populärer machen.

Im Jahr 2015 fiel auf dem Säntis (rechts oben) rund doppelt so viel Niederschlag wie in der Flussebene des vorderen Glarner Linthtals. Im interaktiven «Hydrologischen Atlas der Schweiz» sind die entsprechenden Niederschlagsdaten für jedes beliebige Gebiet und für alle Jahre nach 1961 verfügbar.

Text: Peter Bader

Alles beginnt im Jahr 1986: In seiner Dissertation an der Universität Bern entwickelt der Geograf Rolf Weingartner das Konzept eines nationalen Kartenwerks zu hydrologischen Daten. Eine solche Gesamtschau hat bis zu diesem Zeitpunkt gefehlt. Sie bietet die Gelegenheit, alle bedeutenden Wasserforschungsinstitutionen der Schweiz für eine Zusammenarbeit an einen Tisch zu bekommen. Zwei Jahre später gibt der Bundesrat die Erarbeitung des Hydrologischen Atlas (HADES) in Auftrag, und 1992 erscheinen dann die ersten 17 Kartenblätter. Heute beschreibt das Werk auf 63 Tafeln das Wissen und die verfügbaren Daten rund um das Thema Wasserkreislauf in kompakter Form. Die Inhalte reichen von der saisonalen Verteilung des Niederschlages über die regionale Verdunstung in den verschiedenen Landesteilen bis hin zu den abfliessenden Wassermengen. Auch Informationen zum Gletscherrückgang, zu den Grundwasservorkommen, zum Einfluss der Wasserkraftnutzung auf die Gewässer oder zur Belastung der Flüsse und Seen mit Chemikalien sind hier verfügbar. Die Projektleitung liegt bis heute beim Geographischen Institut der Universität Bern (GIUB); Herausgeber ist das BAFU.

«Aktueller, vielseitiger, populärer»

Zu Beginn nutzten vor allem Forschungsinstitutionen, Verwaltungen, Bibliotheken oder Ingenieurbüros den HADES. In Diskussionen über den Klimawandel oder den künftigen Anteil der Wasserkraft an der Energieversorgung lieferte er auch weiteren Entscheidungsträgern wichtige wissenschaftliche Grundlagen. Der Atlas brachte die hydrologischen Fakten aber auch einem breiteren Publikum näher: So waren die Grundlagen des Kartenwerks mit der Zeit auch im Internet zugänglich. Hinzu kamen ein Lehrmittel für Gymnasien und zahlreiche Exkursionsführer unter dem Motto «Wege durch die Wasserwelt». Damit können Interessierte hydrologische Phänomene in der ganzen Schweiz erwandern.

Dreissig Jahre nach den ersten Konzeptideen ist der HADES nun «aktueller, vielseitiger und ein Stück populärer» geworden, sagt Felix Hauser, der das Projekt beim GIUB gemeinsam mit Rolf Weingartner leitet. Nach einer rund vierjährigen Entwicklungszeit steht seit Sommer 2016 eine digitale interaktive Plattform zu hydrologischen Themen zur Verfügung. Die Lancierung erfolgte gleichzeitig mit dem digitalen Atlas der Schweiz, den das Institut für Kartografie und Geoinformation an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) betreut. «Von grosser Bedeutung ist vor allem die Tatsache, dass sich die Plattform vom ETH-Server aus leichter aktualisieren lässt», betont Martin Barben, der beim BAFU für die Themen Wasserhaushalt und Hochwasserabschätzung sowie für das «Hydrologische Jahrbuch» zuständig ist.

Die neue Plattform, die man gemeinsam mit den Hydrologie-Institutionen der Schweiz sukzessive ausbauen will, ist in sechs Hauptkapitel gegliedert. Neben den Grundlagen werden die Themen Wasser in der Atmosphäre, an der Erdoberfläche und in der Lithosphäre (Erdkruste) behandelt. Zudem geht es im HADES um den Aspekt Wasser und Mensch sowie um Synthesen und Fallbeispiele. Innerhalb dieser Oberbegriffe werden zum Beispiel die Einzugsgebiete von Abflussmessstationen sowie die mittleren Niederschlagshöhen im europäischen Alpenraum, die Standorte von hydrometrischen Stationen, die Vulnerabilität der Grundwasservorkommen oder die durchschnittliche Jahressumme der Verdunstung thematisiert.

Flüsse digital erkunden

«Die digitale Oberfläche mit 3-D-Globus und Geländemodell bietet neue Möglichkeiten der Visualisierung», sagt Projektleiter Felix Hauser. Vor allem einem breiteren Publikum erleichtere sie die Wahrnehmung von hydrologischen Charakteristiken und fördere das Verständnis für hydrologische Prozesse. Dazu tragen auch Luftaufnahmen von Flüssen mit 360-Grad-Ansichten bei. Mit dem Instrument «RiverView» lassen sich Fliessgewässer virtuell erkunden - ähnlich der Applikation StreetView für den «Besuch» von Städten. Derzeit stehen solche Bilddaten erst für die Aare zur Verfügung - und zwar vom Quellgebiet beim Grimselsee bis zur Grenze zwischen den Kantonen Solothurn und Aargau. «Drohnenflüge über weitere Flüsse sind geplant», sagt Felix Hauser.

Neue Tools für Fachleute

Vorab dem Fachpublikum stehen ausserdem neue Analysemöglichkeiten zur Verfügung. So sind Abfragen von Kartendaten möglich, beispielsweise zu Niederschlagsmengen oder auch zur Grösse eines Einzugsgebietes, was etwa für Hochwasserabschätzungen von Bedeutung ist. Zudem gibt es Tools, um Längen oder Flächen zu messen. Darüber hinaus können die Nutzerinnen und Nutzer verschiedene Themen mit-einander verknüpfen und sich zum Beispiel den Gebietsniederschlag eines ausgewählten Einzugsgebietes zeigen lassen. Damit erweitert der HADES die bestehenden digitalen Angebote des BAFU im Wasserbereich.

Für Fachkräfte und interessierte Laien hat der neue Atlas also gleichermassen viel zu bieten. Beide Zielgruppen dürfte auch das Angebot der neuen hydrologischen Exkursionsführer interessieren. Solche «Wege durch die Wasserwelt» mit Karten und Informationsmaterialien für Wanderungen zu hydrologischen Phänomenen gibt es derzeit für sieben Regionen der Schweiz. Im Wallis sind seit April 2016 drei neue Exkursionen im Angebot. Eine davon führt durch die Region Montana und geht der Frage nach, wie es in dieser trockenen Region um die Wasserressourcen bestellt ist.

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Letzte Änderung 24.08.2016

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