Ein Albtraum für Laubbäume

Der Asiatische Laubholzbockkäfer befällt gesunde Laubbäume und kann sie innerhalb von wenigen Jahren zum Absterben bringen. Der meldepflichtige Schädling wird in der Schweiz rigoros bekämpft. Dabei spielt die Bevölkerung eine wichtige Rolle.

Text: Maja Schaffner

ALB Spürhund
Entdeckt! Trainierte Spürhunde können den Schädling erschnüffeln.
© Markus Forte | Ex-Press

Fällen, häckseln und umgehend verbrennen – diese Massnahmen beendeten das Dasein von knapp 900 grossen und kleinen Bäumen, Sträuchern und holzigen Topfpflanzen in einem Siedlungsgebiet im luzernischen Zell. Auslöser der umfangreichen Fällaktion ab August 2022 war der Asiatische Laubholzbockkäfer, kurz ALB.

Gefürchteter Schädling

Der schwarz glänzende und hell getupfte, rund 2,5 bis 3,5 Zentimeter lange Käfer mit sehr langen Fühlern gehört weltweit zu den gefährlichsten Wald-Schadorganismen. «In der Schweiz und in der EU ist er einer von sechs prioritären Quarantäneorganismen für den Wald», sagt Aline Knoblauch, Co-Leiterin des Eidgenössischen Pflanzenschutzdienstes und der Sektion Waldschutz und Waldgesundheit beim BAFU. Das bedeutet, dass der ALB melde- und bekämpfungspflichtig ist.

Der Grund ist das grosse Zerstörungspotenzial des invasiven Schädlings. Im Gegensatz zu einheimischen Käfern, die sich in der Regel an bereits geschwächten Gehölzen oder Totholz gütlich tun, befällt der ALB völlig gesunde Laubbäume. In Europa bevorzugt er Weide, Birke, Ahorn, Pappel, Rosskastanie und Ulme. «Die Larven fressen zunächst unter der Rinde im Bast und dringen später ins Holz ein», erklärt Doris Hölling, Schädlingsexpertin bei Waldschutz Schweiz. «Dabei beschädigen sie die Leitungssysteme der Bäume, durch die Nährstoffe und Wasser fliessen.» Dadurch können Kronenteile oder ganze Bäume absterben. Da der ALB in Europa ursprünglich keine natürlichen Feinde hat, könnte er ganze Wälder zerstören und auch viele Bäume in Siedlungsgebieten abtöten.

Ein blinder Passagier aus Asien

Ursprünglich kommt der Käfer aus Ostasien. Von dort aus, insbesondere aus China, reisen seine Larven manchmal trotz Vorsichtsmassnahmen in Verpackungsholz versehentlich um die Welt. Sie können sich selbst in 2,5 Zentimeter dünnen Latten zu Ende entwickeln. Schlüpft ein Weibchen und findet einen Geschlechtspartner, kann sich der Schädling am Reiseziel vermehren und verbreiten.

Um dies zu verhindern, setzt in der Schweiz der Eidgenössische Pflanzenschutzdienst dieselben vorbeugenden Bekämpfungsmassnahmen um wie die EU, mit der sie einen gemeinsamen Pflanzenschutz-Raum bildet. «Damit Verpackungsholz aus Drittländern importiert werden darf, muss es gemäss einem international validierten Standard behandelt werden, zum Beispiel durch Hitze», erklärt Aline Knoblauch vom BAFU. Entsprechende Lieferungen müssen angemeldet und kontrolliert werden: Einerseits die Zertifikate, die vorbeugende Massnahmen bestätigen, andererseits wird das Holz von Auge und mithilfe von Spürhunden inspiziert. Die Hunde sind auf bestimmte Duftstoffe des ALB trainiert und können ihn erschnüffeln. Zusätzlich sucht man in der Schweiz seit einiger Zeit auch im Freiland aktiv nach dem Schädling, etwa in Siedlungsgebieten und an Waldrändern, wo das Risiko eines Erstbefalls höher ist.

Die Bevölkerung passt auf

Das Auftauchen des Schädlings in Zell (LU) war der fünfte und bisher grösste nachgewiesene Freilandbefall in der Schweiz. Hier zeigte sich erneut, wie wichtig eine aufmerksame Bevölkerung ist. Denn wie an fast allen bisherigen Fundorten hat auch hier eine Privatperson den ALB entdeckt: «Ein Gartenbesitzer war dabei, einen Ahorn aus seiner Hecke herauszuschneiden, da fiel ihm der grosse Käfer auf», berichtet Miguel Zahner, Waldschutzbeauftragter des Kantons Luzern. Der Finder tat genau das Richtige: Er fotografierte das Tier, recherchierte im Internet und meldete seinen ALB-Verdacht beim kantonalen Forstdienst.

Zahner, der diese Nachricht erhielt, leitete das Bild an Schädlings-­Spezialistin Doris Hölling von Waldschutz Schweiz weiter. Sie bestätigte den Verdacht: Es war tatsächlich ein Asiatischer Laubholzbockkäfer. Darauf aktivierte Zahner umgehend den bereitstehenden kantonalen ALB-Aktionsplan und informierte alle vorgesehenen Stellen und Personen. Er stoppte auch die Grünabfuhr: «Diese hätte am nächsten Tag das Grüngut abgeholt und damit womöglich den Schädling verbreitet.»
Die einzige Möglichkeit, den Schädling wieder loszuwerden, ist, ihm die Lebensgrundlage zu entziehen. Konkret heisst das, alle Wirtsbäume in einem bestimmten Umkreis zu fällen. Dass dieses Vorgehen funktioniert, liegt am trägen Charakter des Käfers: Er ist sehr standorttreu. Zudem wird er wegen seiner Grösse kaum vom Wind verweht.

Bäume auch vorsorglich fällen

In Zell machten sich der Waldschutzbeauftragte und seine Leute – unterstützt von Spürhunde-Teams und Baumkletterern – umgehend daran, alle Laubbäume rund um den ersten Fundort zu kontrollieren und zu kartieren. Befallene sowie verdächtige Bäume entfernte Zahners Team laufend.

Anfang 2023 folgten Präventivfällungen: Ihnen fielen im Umkreis von 100 Metern um die Fundorte des Käfers die 15 als besonders anfällig geltenden Laubbaumgattungen zum Opfer. «Das war natürlich schwierig für die Menschen – besonders, wenn es einen Baum traf, der bei einer Geburt gepflanzt worden war», sagt Zahner. Der Waldschutzbeauftragte betont, wie verständnisvoll die Bevölkerung reagierte.

Allerdings ist die Sache noch lange nicht ausgestanden. Ab Frühjahr 2023 geht es nun darum, alle Bäume im Risikogebiet sowie Risikostandorte im weiteren Umkreis regelmässig zu kontrollieren. Von April bis November, in der Flugzeit des ALB, versuchen Zahner und sein Team zudem, allfällig verbliebene Käfer mit Fangbäumen anzulocken oder mit Fallen einzufangen. Als befallsfrei wird Zell erst gelten, wenn in vier aufeinanderfolgenden Jahren, also zwei Entwicklungszyklen des Käfers lang, kein ALB mehr auftaucht.

Bestimmungshilfe asiatische Laubholzbockkäfer

Cover Bestimmungshilfe asiatische Laubholzbockkäfer

Merkmale, Befallssymptome und Verwechslungsmöglichkeiten. 2023

Weiterführende Informationen

Kontakt
Letzte Änderung 13.09.2023

Zum Seitenanfang

https://www.bafu.admin.ch/content/bafu/de/home/themen/wald/dossiers/ein-albtraum-fuer-laubbaeume.html