Vorbild öffentliche Hand: Ein Vorzeigeprojekt macht Schule

Freiburg war schweizweit der erste Kanton, der sich gesetzlich dazu verpflichtet hat, die Verwendung von Holz bei der Errichtung seiner Bauten zu fördern. Seither sind mehrere öffentliche Gebäude aus Holz entstanden. Davor waren allerdings knifflige Rechtsfragen zu klären.

Text: Cornélia Mühlberger de Preux

Schulhaus Vaulruz (FR)
Das Holz für das Schulhaus in Vaulruz (FR) stammt aus dem nahe gelegenen Gemeindewald.
© Roger Frei | Architekturfotografie

Die Schülerinnen und Schüler der sieben Primarklassen in Vaulruz (FR) werden seit Beginn des Schuljahres 2016 in einem neuen Gebäude unterrichtet. Es ist ein spezielles Schulhaus, denn es wurde fast ausschliesslich aus lokaler Fichte und Weisstanne erbaut. Aus nachhaltiger Sicht ist das Gebäude kaum zu überbieten: Das Holz stammt direkt aus dem rund drei Kilometer entfernten Gemeindewald. Einige Kinder können ihn von ihrem Schulzimmer aus sehen.

Patrice Jordan, Gemeindeammann von Vaulruz, führt uns durch den Wald. «Wir haben nichts Neues erfunden – früher war es selbstverständlich, dass das Bauholz lokal gewonnen wurde. So schien es uns logisch, auch für das erste öffentliche Gebäude dieser Grösse unser eigenes Holz zu verwenden.» Begeistert erzählt er, dass sämtliche Schulkinder beim symbolischen Fällen der ersten Tanne dabei waren. «Für derartige Initiativen besteht ein grosses Potenzial», betont er. Denn ein Viertel der Kantonsfläche ist von Wald bedeckt; 60 Prozent davon sind im Besitz der öffentlichen Hand beziehungsweise des Kantons und der Gemeinden.

Gegen internationales Recht?

Zweifelsohne hat der Kanton sein Ziel erreicht. 2014 war Freiburg der erste Kanton, der die Förderung von Holz in seine Gesetzgebung einfliessen liess. So empfiehlt eine Bestimmung die Verwendung von Holz aus kantonseigenen Wäldern als Baumaterial im Rahmen des Möglichen. 2016 folgte eine weitere Anpassung zur Förderung von einheimischem Holz: Eine Änderung des freiburgischen Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen gibt dem Staat die Möglichkeit, auf Baustellen mit kantonalen Bauten die Berücksichtigung von Ökolabels wie HSH (Herkunftszeichen Schweizer Holz), FSC (Forest Stewardship Council) oder PEFC (Pan European Forest Certification) zu verlangen.

Das Ganze hat allerdings einen Haken: «Eine Holzkonstruktion darf durchaus gefordert werden, aber man darf nicht verlangen, dass sie aus Schweizer Holz ist», erklärt Achim Schafer von der BAFU-Sektion Holzwirtschaft und Waldwirtschaft. Es gelte, die Gesetze auf internationaler Ebene zu berücksichtigen. Entsprechend gewährleistet das Übereinkommen der Welthandelsorganisation (WTO) über das öffentliche Beschaffungswesen, dem die Schweiz unterstellt ist, Offenheit, Fairness und Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen. 

Schulhaus Vaulruz (FR) von innen
Das Schulhaus wurde fast ausschliesslich aus lokaler Fichte und Weisstanne errichtet.
© Roger Frei | Architekturfotografie

Gutachten schafft Klarheit

Wird also wie im Fall Vaulruz die Verwendung von eigenem Holz durchgesetzt, handelt der Auftraggeber eigentlich gegen geltende internationale Bestimmungen. Oder doch nicht? Letztlich war es ein Rechtsgutachten von Lignum Freiburg, das diese Frage klären konnte. Die Freiburgische Arbeitsgemeinschaft für das Holz engagiert sich seit bald 30 Jahren stark für die Förderung der Wertschöpfungskette des lokalen Rohstoffs. «Es zeigte sich, dass man einen Eigentümer nicht daran hindern kann, sein eigenes Material zu verwenden», erklärt Gilles Schorderet, Präsident von Lignum Freiburg.

Zwischenzeitlich wurden in Ursy, Charmey und auch in Bulle (FR) ähnliche Projekte umgesetzt. Am 1. Dezember 2017 hat der Kanton in Granges-Paccot das Verwaltungsgebäude der Kantonspolizei eingeweiht, einen prächtigen, fünfstöckigen Bau, entstanden aus 2457 Kubikmetern Holz aus den eigenen Wäldern. «Mit diesen Bauwerken konkretisiert der Kanton Freiburg nicht nur seine Strategie zugunsten der nachhaltigen Entwicklung. Er begünstigt auch kurze Wirtschaftskreisläufe, die regionale Arbeitsplätze sichern», freut sich Gilles Schorderet.

Konkretisierung auf Bundesebene

Das Dossier kommt auch auf nationaler Ebene voran. Gemäss gesetzlichen Bestimmungen (Artikel 34b des Eidgenössischen Waldgesetzes und Artikel 37c der Waldverordnung) soll der Bund bei Planung, Errichtung und Betrieb eigener Bauten und Anlagen die Verwendung von nachhaltig produziertem Holz fördern. Gesetz und Verordnung traten im Januar 2017 in Kraft.

«Der Bund setzt alles daran, damit diese neuen Bestimmungen angewendet werden», bestätigt Achim Schafer. Bereits im Vorfeld hatte die Eidgenossenschaft mehrere Baustellen in diesem Sinne aufgegleist. Dazu zählen die Erweiterung des Verwaltungszentrums des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) und des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) in Ittigen (BE) und die Errichtung einer Holzbrücke für Fussgänger und Velofahrende, die in Rubigen bei Thun (BE) über die Autobahn führt.

Neue Instrumente

«Nun haben wir einen klar definierten Auftrag. Was in Vaulruz und in Granges-Paccot umgesetzt wurde, dient uns als Vorbild», führt Achim Schafer weiter aus. Mit verschiedenen Partnern werden Grundlagen erarbeitet, damit einheimisches beziehungsweise nachhaltiges Holz bei öffentlichen Wettbewerben Eingang in die Offerten findet (siehe Box). Die Koordinationskonferenz der Bau-und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) hat bereits eine Empfehlung zur Beschaffung von nachhaltig produziertem Holz erarbeitet und ist daran, eine neue Empfehlung zu nachhaltigem Bauen mit Holz vorzubereiten. Die «Fachstelle ökologische öffentliche Beschaffung», die dem BAFU angegliedert ist, arbeitet zurzeit an einem Leitfaden für den Bereich Holzprodukte.

Die KBOB und Lignum werden 2018 – gemeinsam mit den für den BAFU-Aktionsplan Holz zuständigen Fachpersonen – an Seminaren in der ganzen Schweiz diese Instrumente den öffentlichen Beschaffern unterbreiten. Lignum bietet ihrerseits den Leitfaden «Ausschreibung von Bauten mit Schweizer Holz» an, um die Bauherren in dieser Richtung zu unterstützten. Die erfolgreiche Geschichte von der Schule in Vaulruz soll im ganzen Land weitergeschrieben werden. 

Rechtsgutachten mit Hebelwirkung

2012 verlangte eine parlamentarische Initiative die Schaffung der nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen, damit bei Bauten vermehrt Schweizer Holz zum Einsatz kommt. Zwar zeigten die daraufhin erstellten Rechtsgutachten, dass gemäss dem Übereinkommen der Welthandelsorganisation (WTO) über das öffentliche Beschaffungswesen eine ausdrückliche Bevorzugung von Schweizer Holz unzulässig ist. Es erwies sich aber auch, dass einerseits bei der Förderung von Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung im Bundesrecht ein grosser Ermessensspielraum besteht. Andererseits ist es möglich, im Gesetz neue Bestimmungen einzufügen, um dem ökologischen Vorteil von nachhaltigem Holz mehr Gewicht zu verleihen. Das eidgenössische Waldgesetz wurde daraufhin in diesem Sinne revidiert. Die in den Gutachten formulierten Empfehlungen wurden bei der laufenden Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) und der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) ebenfalls berücksichtigt. Der Entwurf schlägt die Nachhaltigkeit als Beschaffungsgrundsatz vor, was in Zukunft eine Förderung der Verwendung von nachhaltig produziertem Holz aufgrund  seiner ökologischen Vorteile erleichtern würde.

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Letzte Änderung 16.05.2018

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