Pflanzengesundheit: Besserer Schutz dank neuem Recht

Sie sind klein oder sogar unsichtbar, richten aber in Wald und Landwirtschaft grosse Schäden an: eingeschleppte Insekten, Bakterien, Pilze und Viren. Der Eidgenössische Pflanzenschutzdienst hat den Auftrag, solch gefährliche Schadorganismen von unserem Land fernzuhalten. Ein neues Recht hilft ihm dabei.

Text: Bettina Jakob

Eine Mitarbeiterin des Eidgenössischen Pflanzenschutzdienstes kontrolliert im Rheinhafen Birsfelden (BL) mit ihrem Spürhund Verpackungsholz auf den Asiatischen Laubholzbockkäfer.
© Markus Forte | Ex-Press | BAFU

«Wir erwischten ihn gerade noch rechtzeitig», sagt Therese Plüss – und zwar bevor er aus Portugal mit einer Ladung Baumrinden in der Schweiz ankam und in unsere Wälder entwich: den Kiefernholznematoden, einen der gefährlichsten Kiefernschädlinge weltweit. Die Co-Leiterin des Eidgenössischen Pflanzenschutzdienstes (EPSD) und Sek­tionschefin Waldschutz und -gesundheit beim BAFU schildert, wie die Behörden nach dem Alarm, der 2011 von deutschen Kollegen einging, alle Hebel in Bewegung setzten: Der Transport wurde sofort gestoppt und die Ladung vernichtet. «Bis heute kommt der gefährliche Schädling in der Schweiz nicht vor», stellt Therese Plüss fest. In Nordamerika heimisch, wurde der 1 Millimeter grosse Fadenwurm zuerst in Japan eingeschleppt und tauchte dann vor 20 Jahren auch in Europa auf. Er lässt befallene Kiefern innerhalb von zwei bis drei Monaten absterben. «In Japan verursacht der winzige Wurm jährlich rund 1 Million Kubikmeter Schadholz», so Therese Plüss.

Schädlinge und Krankheiten

Damit dies in der Schweiz nicht passiert, ist der EPSD im Einsatz: Gemeinsam vom BAFU und vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) geführt, verhindert der Pflanzenschutzdienst zusammen mit den Kantonen, dass gefährliche Schädlinge und Krankheiten eingeschleppt werden und sich ausbreiten. Er sorgt dafür, dass bei der Einfuhr von Pflanzenmaterial die Vorschriften eingehalten werden, führt Warenkontrollen durch und veranlasst Laboranalysen.

In regem Kontakt mit nationalen und internationalen Stellen stehend, hat der Dienst alle Hände voll zu tun, denn die Liste der Quarantäneorganismen ist lang. So werden die melde- und bekämpfungspflichtigen Insekten, Bakterien, Pilze und Viren genannt, die unsere Wälder zerstören und Schäden in der Landwirtschaft sowie im Gartenbau anrichten können – falls sie sich ansiedeln. «Genau das wollen wir aber verhindern», sagt Therese Plüss. Auf der Liste steht neben dem Kiefernholznematoden auch der berüchtigte Asiatische Laubholzbockkäfer. Er frisst sich durch Stämme und Äste von Laubbäumen und musste in der Schweiz bereits an den vier Standorten Brünisried (FR), Winterthur (ZH), Marly (FR) und Berikon (AG) getilgt werden. Viele Bäume wurden gefällt und vernichtet, «aber den Käfer sind wir losgeworden», betont die BAFU-Biologin.

In der Landwirtschaft gefürchtet sind etwa das Feuerbakterium Xylella fastidiosa, das auch Nutzpflanzen wie Kirschen und Reben befällt, und der Japankäfer. «Letzterer ist im Sommer 2019 im Südtessin an mehreren Standorten in Überwachungsfallen getappt», sagt Peter Kupferschmied vom Bundesamt für Landwirtschaft, der auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter im EPSD tätig ist. Aus der Lombardei eingewandert, war der Schädling, der unter anderem Blätter von Trauben, Mais und Steinobstbäumen frisst, bereits 2017 im Südtessin entdeckt worden. «Zusammen mit dem Pflanzenschutzdienst des Kantons Tessin tun wir alles, um die Ausbreitung des Japankäfers möglichst zu verhindern», erklärt Peter Kupferschmied. So dürfen aus der Quarantänezone rund um den Fundort in Stabio weder Erde noch Pflanzen mit Bodenmaterial abtransportiert werden.

Der vereinheitlichte Pflanzenpass verfügt über einen Rückverfolgbarkeitscode. Damit lässt sich genau feststellen, woher die Ware kommt.
© Peter Kupferschmied | EPSD

Liste wird immer länger

Das Besorgniserregende an der Liste der gefürchteten Schädlinge: «Sie wird immer länger, da der internationale Handel und der Reiseverkehr zunehmen, und damit steigt auch das Risiko, solche Organismen einzuschleppen», erklärt Therese Plüss. Dabei steht nicht nur die Importware im Zentrum, sondern auch deren Verpackung: Der Asiatische Laubholzbockkäfer reiste zum Beispiel als blinder Passagier in Paletten von Steinlieferungen aus China in die Schweiz. Verpackungsholz muss daher nach internationalem Standard vorbehandelt werden und ein Label tragen.

Verschärft wird die Situation durch den Klimawandel. «Um sein pflanzenschädigendes Potenzial zu entwickeln, benötigt zum Beispiel der Kiefernholznematode im Juli und August Tempe­raturen von durchschnittlich über 20 °C. Was, wenn nun die Sommer bei uns immer wärmer werden?», fragt Therese Plüss. Sie und Peter Kupferschmied vom EPSD stehen vor grossen Herausforderungen. Jetzt kommt ihnen ein strengeres Regelwerk zu Hilfe. Seit dem 1. Januar 2020 ist in der Schweiz ein neues Pflanzengesundheitsrecht in Kraft (siehe Box).

«Kern des neuen Rechts ist die Vorsorge», erläutert Therese Plüss die neuen Pflanzengesundheitsverordnungen. «Wir verstärken die risikobasierte Gebietsüberwachung sowie die Importkontrollen und investieren in Schulungen und in die Sensibilisierung – dies in der Hoffnung, Eindringlinge möglichst frühzeitig zu entdecken.» Prävention sei zudem kostengünstiger als die Bekämpfung von Quarantäneorganismen: So kostete zum Beispiel die Tilgung des Asiatischen Laubholzbockkäfers die Stadt Winterthur und den Kanton Zürich rund 3,3 Millionen Franken.

Eine zentrale Rolle bei der Vorsorge spielen die Betriebe, die Pflanzen importieren, produzieren oder verkaufen: «Sie werden zu mehr Eigenverantwortung verpflichtet», erklärt die BAFU-Spezialistin. Das heisst: Produzenten – wie zum Beispiel Baumschulen – und Händler müssen ihre Parzellen und Produkte noch besser inspizieren und Schädlinge eindeutig erkennen können.

Einheitlicher Pflanzenpass

Für mehr Sicherheit im Handel sorgt auch der vereinheitlichte Pflanzenpass – neu in Form einer standardisierten Etikette oder eines Aufdrucks auf dem Pflanzentopf mit einem Rückverfolgbarkeitscode. In der Handelskette lässt sich so exakt eruieren, woher eine Ware stammt. Der Pflanzenpass ist ein zentrales Element des freien Warenverkehrs zwischen der Schweiz und der EU im Rahmen des bilateralen Agrarabkommens. Er bescheinigt, dass die Produkte die Vorschriften zur Pflanzengesundheit erfüllen.

Ab sofort gilt die Passpflicht für alle Gewächse, die zum Anpflanzen bestimmt sind. Dazu gehören auch Knollen, Stecklinge, Zwiebeln, Wurzeln und einige Samenarten. Werden Waren im Internet oder per Telefon bestellt, muss ebenfalls immer ein Pass mit. «Kundinnen und Kunden, die online einkaufen, können aktiv zum Pflanzenschutz beitragen, indem sie die bestellte Ware überprüfen», sagt Aline Knoblauch von der Sektion Waldschutz und Waldgesundheit beim BAFU. Einzig bei der direkten Abgabe an Privatpersonen vor Ort für den Eigengebrauch – also zum Beispiel beim Verkauf im Gartencenter – wird kein Pflanzenpass verlangt.

Achtung bei Feriensouvenirs

Auch Importe aus Ländern ausserhalb der EU unterliegen strengeren Vorschriften: Durch den Zoll kommen nur noch Pflanzen, Früchte, Gemüse, Samen und anderes frisches Pflanzenmaterial mit einem Pflanzengesundheitszeugnis. Dies gilt auch für Waren, die von Touristen eingeführt werden – und damit beispielsweise für den Feigenkaktus aus Marokko oder die Orchidee aus Thailand: «Reisende müssen sich für solche Souvenirs im Ferienland ein Zeugnis ausstellen lassen», sagt Aline Knoblauch. Das sei wichtig, weil man mit einer nicht zertifizierten Pflanze womöglich einen Schadorganismus an Bord schleppen könne. Plakate an Schweizer Flughäfen und solchen in der EU sollen die Feriengäste an ihre Pflichten erinnern.

Zu einer guten Prävention gehört auch die Planung des Notfalls. «Taucht ein Quarantäneorganismus bei uns auf, müssen alle zuständigen Stellen korrekt und koordiniert handeln», stellt Therese Plüss klar, und zwar vom EPSD über die kantonalen Pflanzen- und Waldschutzdienste, die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und die Agroscope bis hin zu den Kontrolleuren und den betroffenen Betrieben. «Optimal vorbereitet, können wir einen Ausbruch effizient bekämpfen», ist die Biologin überzeugt. Deshalb werden künftig Notfallpläne für die prioritären Quarantäneorganismen erstellt. Auf dem Programm stehen auch Simulationsübungen eines Schädlingsbefalls, ähnlich den Feuerwehrübungen, wie Therese Plüss ausführt.

Der EPSD erhält mit dem neuen Recht wirksame Werkzeuge, aber auch eine lange Liste mit neuen Aufgaben, was Therese Plüss aber eher beruhigt als stresst: «Wir werden so mit grösserer Gewissheit sagen können, dass ein solch gefährlicher Schädling bei uns in der Schweiz nicht vorkommt – hoffentlich.»

Anpassung an die EU

Das neue Schweizer Pflanzengesundheitsrecht verhindert seit dem 1. Januar 2020 die Einschleppung und Verbreitung von besonders gefährlichen Schadorganismen wirksamer. Die Bestimmungen im Bereich Pflanzengesundheit sind in der «Verordnung über den Schutz von Pflanzen vor besonders gefährlichen Schadorganismen» verankert. Eine zweite Verordnung enthält technische Bestimmungen sowie die Listen mit den geregelten Schadorganismen und Waren. Da die EU das europäische Recht im Bereich Pflanzengesundheit modernisiert hat, wurde aufgrund des bilateralen Agrarabkommens eine rechtliche Anpassung nötig, um die Gleichwertigkeit der phytosanitären Bestimmungen sicherzustellen. Nur so ist der freie Warenverkehr für Agrar- und Holzprodukte sowie Waldpflanzen mit der EU auch weiterhin gewährleistet.

Jahr der Pflanzengesundheit

Die UNO hat 2020 zum «Internationalen Jahr der Pflanzengesundheit» (IYPH) ausgerufen. Sie will darauf aufmerksam machen, wie wichtig gesunde Pflanzen für die Ernährungssicherheit, Rohstoffversorgung, biologische Vielfalt sowie für die Ökosystemleistungen und deren Schutz sind. Der Eidgenössische Pflanzenschutzdienst (EPSD) unterstützt das IYPH und will die Akteure aus den Bereichen Produktion, Transport, Handel und Konsum dafür sensibilisieren, dass die Pflanzengesundheit bedroht ist und dass einfache Massnahmen mithelfen, sie zu erhalten.

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Letzte Änderung 03.06.2020

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