Landwirtschaft: Das Dilemma des bodenschonenden Maisanbaus

Der Mais bedeckt den Boden bei uns erst im Hochsommer. Wird der Boden vor der Aussaat gepflügt, sind die Felder lange der Wind- und Wassererosion ausgesetzt. Ohne Pflug braucht es mehr Herbizide zur Bekämpfung der Unkräuter. Unterstützt vom BAFU, sucht die Agrarwissenschaft mit Gründüngungen nach Lösungen für diesen Zielkonflikt.

Text: Hansjakob Baumgartner

Junger Maisbestand, bei dem der Boden durch eine Schicht von abgestorbenem Grünschnittroggen geschützt wird.
© HAFL

Die Erfindung des Pflugs war eine Zäsur in der Entwicklung der Menschheit. Sie erfolgte um 3000 vor Christus in Ägypten oder im Vorderen Orient. Anstatt den Boden mühsam von Hand mit einer Hacke oder einem Spaten für die Aussaat aufzubrechen, zogen fortan Ochsen mit einem Krummstock, der vom Bauern in der richtigen Position gehalten wurde, Furchen in die Erde. So liess sich mehr Land in viel kürzerer Zeit bearbeiten.

Mit dem Pflug umgebrochener Boden ist weitgehend frei von Unkraut und Ernterückständen. Das ist der Hauptvorteil dieses Geräts. Doch ihm stehen schwerwiegende Nachteile gegenüber, denn der tiefe Bodenumbruch begünstigt die Erosion durch Wind und Wasser. Zudem zerstört er den natürlichen Aufbau des Bodens, schädigt gewisse Bodenlebewesen und setzt das ansonsten im Humus gebundene Treibhausgas Kohlendioxid sowie Stickstoff frei. Der Verzicht auf den Pflug gehört mittlerweile auch zu den Kernelementen einer modernen, bodenschonenden Landwirtschaft, wie sie zum Beispiel auch die Welternährungsorganisation FAO propagiert (siehe Box).

Problempflanze Mais

Die durch den Pflug verursachten Umweltprobleme treten beim Maisanbau besonders deutlich zutage. Weil diese wärmeliebende Kulturpflanze im Frühling nur langsam wächst, ist ein umgebrochener Acker während Wochen praktisch schutzlos Wind und Wetter ausgesetzt. Wenn der Regen ungehemmt auf den weitgehend nackten Boden prasselt, ohne dass eine Pflanzendecke das Wasser zurückhält, werden Erde und Nährstoffe vermehrt ausgeschwemmt. Dies beeinträchtigt nicht nur die Bodenfruchtbarkeit, sondern belastet auch das Grundwasser sowie Bäche, Flüsse und Seen. Um diese Auswaschung zu vermindern, ist ein Verzicht auf den Pflug bei Maiskulturen besonders sinnvoll.

Doch gerade bei dieser Ackerfrucht hat der pfluglose Anbau auch Nachteile. Die zögerliche Entwicklung der jungen Maispflanze lässt den Unkräutern nämlich viel Zeit, um das Terrain zu besetzen. Im Kampf gegen diese schneller wachsenden Konkurrenten um Licht und Wasser hat der Mais die schlechteren Karten. Das Pflügen würde das Saatbeet vor­übergehend von dieser Konkurrenz befreien. Deshalb wird der Verzicht auf diese mechanische Unkrautbekämpfung vor der Ansaat im pfluglosen Maisanbau in der Regel mit einem erhöhten Einsatz an chemischen Pflanzenschutzmitteln kompensiert. Doch diese Herbizide schaden ihrerseits der Umwelt – insbesondere kleinen Oberflächengewässern und dem Grundwasser, das unsere wichtigste Trinkwasserressource ist.

Die einzige anwendbare Alternative zum Spritzgerät sind derzeit Striegel und Hackgeräte, mit denen sich im Biolandbau das Unkraut auf Maisäckern in Schach halten lässt. Doch das funktioniert nur auf kultivierten Böden mit einer feinen Oberfläche, die allerdings bei Wind und Regen ebenfalls leicht erodieren. «Man kann es nicht wegdiskutieren: Im herbizidfreien Anbau besteht ein Zielkonflikt zwischen dem Erosionsschutz und dem Verzicht auf Herbizide», sagt denn auch Bernhard Streit, Dozent für Verfahrenstechnik im Pflanzenbau an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen (BE).

Ansaat von Mais mit einer Direktsaatmaschine. Dabei wird verhindert, dass die Bodenstruktur und die schützende Pflanzenschicht zerstört werden.
© HAFL

Gründüngungen gegen Unkraut

In einem 2018 abgeschlossenen und vom BAFU unterstützten zweijährigen Forschungsprojekt testete der Agrarwissenschaftler mit seinem Team Verfahren, um diesen Zielkonflikt zu mildern. Anstatt mechanisch oder chemisch sollen Unkräuter mit einer Gründüngung kontrolliert werden. Darunter versteht man den Anbau von Pflanzen zur Bodenbedeckung und -verbesserung, die dann üblicherweise auch nicht geerntet werden. Häufig handelt es sich dabei um eine Saatmischung mit Leguminosen, also Arten, die dank einer Symbiose mit Wurzelbakterien Luftstickstoff binden und so den Boden mit Nährstoffen versorgen und ihn damit düngen.

Bei ihren Versuchen säte die HAFL die Gründüngung unmittelbar nach der Ernte der Vorkultur – Getreide, Raps, Zuckerrüben, Kartoffeln – im Sommer oder im Herbst an. Diese bedeckte den brachliegenden Acker während der Wintermonate und wurde im Frühling vor der Maisansaat mithilfe einer maschinellen Messerwalze zum Absterben gebracht. Das tote Pflanzenmaterial blieb zwischen den Saatschlitzen am Boden liegen und hemmte so weiterhin das Aufkommen von Unkräutern.

Erforderlicher Kompromiss

An sieben Standorten im Raum Bern experimentierten die Fachleute der HAFL mit verschiedenen Mischungen von Gründüngungen. Dazu gehören etwa die winterfeste Getreidesorte Grünschnittroggen, die ebenfalls überwinternde Chinakohlrübse, welche dank ihrer raschen Entwicklung für einen wirksamen Erosionsschutz sowie für eine gute Nitratbindung sorgt, sowie mehrere Leguminosenarten.

Mischungen mit Grünschnittroggen unterdrückten das Unkraut am besten, weil dessen Stroh den Boden besonders gut bedeckt. Bei Mischungen mit Chinakohlrübse waren die Maiserträge jedoch höher. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass sich der Boden durch die vergleichsweise mächtige Mulchschicht des abgetöteten Roggens im Frühling zu langsam erwärmt, was den Mais am Wachsen hindert. Bei der Wahl der Gründüngung braucht es also eine ausgewogene Mischung. Grundsätzlich sind mit den angewandten Verfahren aber sehr gute Maiserträge möglich.

Kein Patentrezept

Ganz ohne Herbizidspritze ging es indessen auch bei der Gründüngung nicht. Entweder unterdrückte der Gründüngungsmulch das Unkraut nicht ausreichend, oder es wurden nicht alle Pflanzen durch die Walze abgetötet, sodass sie danach wieder austrieben und den Mais konkurrenzierten. Es brauchte deshalb in allen Fällen nach dem Aufkommen der Maispflanzen noch eine Herbizidbehandlung. «Ein Patentrezept für einen pfluglosen Maisanbau ohne Herbizide können wir im Moment nicht anbieten», bilanziert Bernhard Streit von der HAFL die Versuchsergebnisse. «Immerhin fiel die Menge der benötigten Spritzmittel deutlich geringer aus als bei konventionellen Anbauverfahren mit dem Pflug. Zudem waren keine Totalherbizide, sondern spezifisch wirkende Präparate im Einsatz.» Die Erträge und die Unkrautunterdrückung liessen sich durch Anpassungen beim Walzen der Gründüngungen, bei der Maisaussaat sowie bei der Sortenwahl der Gründüngung weiter optimieren.

In den Augen von Georges Chassot von der Sektion Wasserqualität beim BAFU haben konservierende Anbaumethoden mit einem minimalen Einsatz von Herbiziden – oder im Idealfall einem völligen Verzicht darauf – im Schweizer Ackerbau ein beträchtliches Potenzial. «Doch sie stellen hohe Anforderungen an die Bäuerinnen und Bauern. Um ihnen zum Durchbruch zu verhelfen, müssen sie von Grund auf in den landwirtschaftlichen Schulen als gute Praxis gelehrt und in der Beratung vermittelt werden.»

Konservierende Landwirtschaft

Gemäss der Welternährungsorganisation FAO basiert die konservierende Landwirtschaft auf drei Grundprinzipien:

  • minimale Bodenbearbeitung: Mechanisch bearbeitet wird der Boden bei der Ansaat nur auf maximal 15 Zentimeter breiten Streifen, die insgesamt höchstens einen Viertel der Parzellenfläche ausmachen.
  • permanente Bodenbedeckung: Mindestens 30 Prozent der Fläche müssen dauernd mit lebenden oder toten Pflanzen bedeckt sein.
  • diversifizierte Fruchtfolge: In der Fruchtfolge sollten im Minimum drei verschiedene Arten kultiviert werden. Sie kann Gründüngungen und Mischkulturen beinhalten. 
Ackerbau nach diesen drei Grundsätzen bringt vielfältige ökologische Vorteile:
  • weniger Erosion: Pflanzen oder totes Pflanzenmaterial (Mulch) mildern die Wucht der aufprallenden Regentropfen und bremsen den bodennahen Wind, was der Erosion entgegenwirkt. Zudem ernährt die Mulchschicht die Organismen, die im Boden die organische Bodensubstanz aufbauen und seine Struktur stabilisieren. Durch die Gänge der Regenwürmer kann mehr Regenwasser im Boden versickern, anstatt oberflächlich abzufliessen. Und schliesslich wird der Boden weniger verdichtet, weil bei minimaler Bodenbearbeitung weniger Maschinendurchgänge nötig sind.
  • intakte Bodenstruktur: Bei minimaler Bearbeitung wird das Bodengefüge weniger zerstört, wodurch die Struktur stabiler bleibt. Der Boden bleibt besser durchlüftet, wird weniger verdichtet, und die Nährstoffe verbleiben im Wurzelraum.
  • höhere Wasserqualität: Das verminderte Erosionsrisiko bewirkt auch, dass bei Regen weniger Sedimente, Nährstoffe und an Bodenpartikel gebundene Pestizidrückstände in Fliessgewässer und Seen gelangen. Zudem werden Nährstoffe und Pestizide aufgrund des erhöhten Anteils von organischer Substanz besser im Boden zurückgehalten und rascher abgebaut. Damit sinkt auch deren Eintrag ins Grundwasser.
  • weniger Treibhausgasemissionen: Konservierende Landwirtschaft bewirkt, dass mehr Kohlenstoff in Form von organischem Material im Boden gespeichert und damit der Atmosphäre entzogen wird. Hinzu kommt, dass dank vermindertem Maschineneinsatz auch der Dieselverbrauch sinkt.
  • höhere Artenvielfalt: Weil der Boden mechanisch nur minimal bearbeitet wird, bleiben die Lebensräume der Bodenorganismen weitgehend intakt. Zudem verbessern eine permanente Bodenbedeckung und eine diversifizierte Fruchtfolge die Nahrungsgrundlage sowohl für die unter- wie auch für die oberirdischen Tierarten.

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Letzte Änderung 04.03.2020

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