UVEK-Bericht Grüne Wirtschaft: Wegweiser in eine zukunftsfähige Schweiz

24.2.2021 - Obwohl sich hierzulande die Materialeffizienz laufend verbessert, steigt der Rohstoffverbrauch weiterhin an, was sich negativ auf Umwelt, Biodiversität und Klima auswirkt. Diese zwiespältige Bilanz zieht ein Bericht des Bundes für eine ressourcenschonende und zukunftsfähige Schweiz. Deshalb braucht es weitere Massnahmen.

Text: Peter Bader

Torf-Abbau in Irland. Das Land zählt weltweit zu den grössten Torf-Exporteuren.
© ky

Viele Hobbygärtnerinnen und -gärtner schätzen Torf und verwenden ihn vor allem zur Verbesserung der Bodenbeschaffenheit. Manche von ihnen wissen jedoch nicht, dass der Torfabbau in Mooren sowohl der Artenvielfalt als auch dem Klima schadet. Denn diese für eine Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten wertvollen Lebensräume speichern weltweit rund ein Drittel des im Boden eingelagerten Kohlendioxids – obwohl sie nur rund 3 Prozent der Erdoberfläche ausmachen. Beim Torfabbau wird das klimaschädliche Gas freigesetzt, und wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen gehen verloren. Unter anderem deshalb sind die Moore in der Schweiz seit 1987 geschützt. Man geht allerdings davon aus, dass jährlich nach wie vor mehr als 500 000 Kubikmeter Torf importiert werden.

Im Sommer 2019 hat das BAFU zusammen mit dem Unternehmerverband JardinSuisse sowie Vertretern des Detailhandels und der Erdenproduzenten eine Absichtserklärung unterzeichnet. Es geht darum, Umweltschäden durch den Torfabbau auch im Ausland zu vermindern und die entsprechenden Importe zu reduzieren. Das BAFU unterstützt die Umsetzung, indem es zum Beispiel Produktalternativen fördert und die Fortschritte misst.

Konkrete Erfolge erreicht

«Dieser Erfolg ist ein Mosaikstein auf dem Weg in Richtung einer ressourcenschonenden Gesellschaft», sagt Niklas Nierhoff von der Sektion Ökonomie beim BAFU. Zu finden ist das Beispiel im Bericht «Massnahmen des Bundes für eine ressourcenschonende, zukunftsfähige Schweiz (Grüne Wirtschaft)», den der Bundesrat im Sommer 2020 verabschiedet hat. Er bilanziert die Umsetzung von 23 Massnahmen in der Zeit von 2016 bis 2019 und beschreibt dabei zahlreiche noch bestehende Herausforderungen. Aber er zählt auch weitere Erfolge auf – so etwa im Bereich der Rückgewinnung von Metallen aus der Schlacke von Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), die schon seit 2010 Pflicht ist. Je nach Rohstoffpreis kann dies wirtschaftlich auch sehr lukrativ sein: Die grossen Mengen an Schlacke und Filterasche weisen beträchtliche Metallgehalte auf – insbesondere Eisen, Zink, Kupfer, Cadmium und Aluminium.

Bei der Rückgewinnung besteht in der Schweiz allerdings ein Optimierungsbedarf. So könnten aus der Filterasche jedes Jahr 4000 Tonnen hochwertiges Zink gewonnen und damit ein Drittel der Zinkimporte ersetzt werden. Da zurzeit noch der grösste Teil des gewonnenen Zinkkonzentrats exportiert wird, unterstützt das BAFU das Projekt SwissZinc zum Bau einer zentralen Rückgewinnungsanlage in der Schweiz. Dies geschieht unter anderem über die staatliche Umwelttechnologieförderung, wie sie im Umweltschutzgesetz verankert ist. Der Auftrag zur Generalplanung der entsprechenden Anlage wurde im Mai 2020 ausgeschrieben.

Erfolgversprechend ist auch reffnet.ch. Dieses ebenfalls durch die Umwelttechnologieförderung unterstützte Netzwerk von Fachleuten berät insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Bereich der Ressourceneffizienz. Von 2014 bis Februar 2018 wurde für 360 Betriebe eine solche Potenzialanalyse erstellt. Daraus entstanden 217 Massnahmenpläne, die in 173 Fällen Umsetzungsprojekte zur Folge hatten oder noch haben werden. Die dadurch ermöglichten Einsparungen sind mit geschätzten 400 Millionen Franken mehr als fünfmal so hoch wie die notwendigen Investitionen von rund 75 Millionen Franken. Zudem bewirken sie eine Reduktion von etwa 550 Milliarden Umweltbelastungspunkten (UBP), was der jährlichen Umweltbelastung einer durchschnittlichen Schweizer Gemeinde mit rund 28 000 Personen entspricht.

Wachsender Rohstoffverbrauch

Diese positiven Beispiele dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch einiges im Argen liegt. Weltweit sind die Belastbarkeitsgrenzen für die Biodiversität, Land- und Waldflächen, das Klima sowie das Nährstoffgleichgewicht in Gewässern bereits heute überschritten. Gemäss Prognosen des UN-Umweltprogramms UNEP wird sich der weltweite Rohstoffverbrauch aufgrund des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums bis zur Mitte des Jahrhunderts nochmals verdoppeln.

«In der Schweiz können wir stolz sein auf die Fortschritte bei der Luft- und Wasserqualität und auf die immer effizientere Energie- und Rohstoffnutzung», sagt Niklas Nierhoff vom BAFU. Doch unser Lebensstandard gehe mit erheblichen Abfallmengen und einem gesamthaft sehr hohen Ressourcenverbrauch pro Person einher. Die negativen Folgen der damit zusammenhängenden Treibhausgase, Düngemittel, Pestizide, Schwermetalle oder des Feinstaubs seien zwar weniger offensichtlich als Plastikabfall in der Landschaft. «Die ganze Weltbevölkerung könnte sich unseren Standard aber nicht erlauben, ohne dass Ökosysteme und das Klima noch weiter aus den Fugen geraten», stellt Niklas Nierhoff fest.

Wenn die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten noch weiter überschritten werden, drohen auch grosse wirtschaftliche Risiken. Laut dem Weltwirtschaftsforum (WEF) sind sechs der zehn wahrscheinlichsten und verheerendsten Risiken für die globale Wirtschaft Umweltgefahren.

Breites Engagement gefordert

Der Bericht an den Bundesrat zeigt auf, dass es für eine deutliche Reduktion des Ressourcenverbrauchs vermehrt ein ganzheitliches Vorgehen braucht, insbesondere in den Bereichen Ernährung, Wohnen und Mobilität. Dabei müssen alle ihr Engagement zur Förderung eines nachhaltigen Konsum- und Produktionsverhaltens ausbauen. Neben der Kundschaft kommt insbesondere den Unternehmen eine zentrale Rolle zu.

Viele von ihnen sind sich der Problematik durchaus bewusst: So lassen pro Jahr rund 3000 Schweizer Firmen ihre Umweltmanagement-Systeme zertifizieren, und zwei Drittel der grössten Unternehmen, Banken und Versicherungen verfügen hierzulande über eine Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sich an der Global Reporting Initiative (GRI) orientiert. Der Bericht listet jedoch gleichzeitig auch mehrere Gründe auf, welche die Unternehmen bei der Einführung von Ressourceneffizienz- und Kreislaufmodellen nach wie vor bremsen. Würden Kosten durch Umweltschäden in die Preise einfliessen, dann wären nachhaltige Produkte – zum Beispiel umweltfreundlichere ­Baustoffe – automatisch wettbewerbsfähiger.

Dies ist jedoch meistens nicht der Fall. Veränderungsprozesse in Unternehmen bedingen zudem nicht nur das Aufbrechen bestehender Strukturen, sondern setzen teilweise auch hohe Anfangsinvestitionen voraus. Hinzu kommt das nach wie vor fehlende Interesse vieler Konsumentinnen und Konsumenten. Umfragen zeigen zwar, dass sich ein Grossteil der Bevölkerung der globalen Umweltprobleme durchaus bewusst ist und Massnahmen zur Ressourcenschonung grundsätzlich unterstützt, auch wenn dies mehr Geld oder Zeit kostet. Bisher ist es jedoch noch nicht zu einer konsequenten nachhaltigen Veränderung der Lebensstile und Konsummuster gekommen.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga besichtigt die Power-to-Gas-Anlage der damaligen HSR Rapperswil (SG). Die Hochschule für Technik erforscht diese Schlüsseltechnologie für eine CO2-neutrale Energieversorgung.
© swisscleantech

Herausforderungen als Chancen

Der Bericht zeigt aber auch: Die Herausforderungen, die es auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft zu meistern gilt, sind gleichzeitig auch Chancen. So ist der Cleantech-Sektor bei uns, in der EU und weltweit einer der am schnellsten wachsenden Märkte mit anhaltend hohem Wachstumspotenzial. «Die Bilanz aus volkswirtschaftlichen Kosten und Nutzen einer Transformation hin zu einer ressourcenschonenden Wirtschaft lässt sich nicht einfach in einer Zahl festhalten», betont Niklas Nierhoff vom BAFU. «Diverse internationale Studien weisen jedoch auf insgesamt positive Effekte hin: sowohl betreffend Kosteneinsparungen, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze als auch für die Gesundheit und die langfristige Sicherung der Wohlfahrt.» Das Beratungsunternehmen McKinsey schätzt zum Beispiel, dass sich in Europa bis 2030 direkt und indirekt rund 1,8 Billionen Euro an Material- und Energiekosten einsparen lassen.

Neben der Privatwirtschaft muss auch der Staat seiner Vorbildrolle gerecht werden. Bund, Kantone und Gemeinden kaufen jährlich Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 40 Milliarden Franken ein und haben somit einen Einfluss auf die Ausgestaltung des Angebots. Durch die Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) wurde die nachhaltige Beschaffung auch auf gesetzlicher Ebene gestärkt. Das seit Anfang 2021 gültige neue Gesetz verankert die Nachhaltigkeit im Zweckartikel. Es sollen also nicht in erster Linie die kurzfristig günstigsten, sondern die vorteilhaftesten Produkte den Zuschlag erhalten. Damit können öffentliche Institutionen die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen steigern. Eine der 23 Massnahmen bietet zudem Grundlagen für eine innovative und ökologische öffentliche Beschaffung, die den Verantwortlichen jetzt zur Verfügung stehen.

Die 23 Massnahmen des Bundes im Bereich der Ressourcenschonung ergänzen auch bestehende staatliche Rahmenbedingungen. Diese unterstützen das eigenverantwortliche Engagement von Privatwirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Grundsätzlich, so das Fazit des Berichts, sind allerdings auf Eigenverantwortlichkeit setzende Politikinstrumente nur dann wirksam, wenn der Staat bei ausbleibendem Erfolg Massnahmen verordnen kann. So war beispielsweise die CO2-Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe im CO2-Gesetz von 1999 nur als subsidiäre Massnahme vorgesehen. Sie musste allerdings eingeführt werden, als sich abzeichnete, dass sich die Reduktionsziele durch eigenverantwortliche Massnahmen der Privatwirtschaft nicht erreichen lassen.

«Tiefer greifende Massnahmen»

Christian Zeyer, Geschäftsführer des nachhaltigen Wirtschaftsverbands swisscleantech, begrüsst die im Bericht beschriebenen Massnahmen grundsätzlich, verortet sie aber im «politisch derzeit machbaren» Bereich. Um die anvisierten Ziele beispielsweise im Klimaschutz zu erreichen, brauche es «deutlich tiefer greifende Massnahmen». Auch er betont, diese seien Herausforderung und Chance zugleich.

Nun will die Schweiz im Rahmen des Pariser Klimaabkommens bis 2050 netto keine Treibhausgase mehr ausstossen. Ausserdem will sie gemäss der Boden- und Biodiversitätsstrategie die Böden sowie die Vielfalt der Arten und Lebensräume langfristig erhalten. Eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft kann dabei helfen. Bis Ende 2022 wird nun ein entsprechendes Massnahmenpaket erarbeitet. Diesbezüglich will man unter anderem die laufenden Arbeiten der EU zur Umsetzung des neuen europäischen «Green Deal» (siehe Box) und die Beschlüsse des Parlaments zu verschiedenen parlamentarischen Vorstössen und Initiativen berücksichtigen. «Darüber hinaus braucht es auf allen Ebenen den Austausch. Wenn wir uns einig sind, in was für einer Welt wir 2050 leben wollen, können wir den Kompass für den Weg dorthin kalibrieren», ist Niklas Nierhoff vom BAFU überzeugt.

Die Nachhaltigkeitsvision der EU

Die Europäische Union will im Rahmen des «Green Deal» bis 2050 klimaneutral werden. Ab dann sollen also netto keine Treibhausgase mehr aus der EU in die Atmosphäre gelangen. Die Europäische Kommission betont, dass es dazu neben klimapolitischen Massnahmen auch den Schutz aller natürlichen Ressourcen braucht. Die geplanten Investitionen betreffen die besonders umweltrelevanten Bereiche Energie, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft und Mobilität. Helfen soll insbesondere auch eine neue Strategie zur Kreislaufwirtschaft, die unter anderem mehr Gewicht auf nachhaltiges Design, eine entsprechende Produktion und die Stärkung der Verbrauchenden legt, statt nur auf Recycling. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die europäische Strategie für Kunststoffe mit quantifizierbaren Zielen, etwa zu Recycling oder zur Wiederverwendung von Plastikverpackungen bis 2030.

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Letzte Änderung 24.02.2021

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