Dieser Abfall liegt an Schweizer Gewässern

28.04.2022 – Eine nationale Studie hat herumliegende Abfälle an den Ufern von Schweizer Seen und Fliessgewässern untersucht. Deren Herkunft ist vielseitig: Abfälle werden vor Ort weggeworfen, an die Ufer angeschwemmt oder durch Wind und Wetter dorthin verfrachtet. In den meisten Fällen handelt es sich um Kunststoffe. Diese Analyse ist eine wichtige Grundlage für Strategien und Massnahmen, um Uferregionen künftig noch besser sauber halten zu können.

Herumliegender Abfall stört uns alle sowie die Umwelt.
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Schweizer Gewässer zählen zu den schönsten Europas, die Schweiz zu den saubersten Ländern der Welt. Doch wer am Ufer eines Sees den Blick vom Panorama zum Boden senkt, findet auf hundert Metern durchschnittlich rund 200 Abfallobjekte, darunter 20 Zigarettenfilter. Das ergab eine aktuelle Studie zu Abfällen an Schweizer Gewässern. Und auch wenn so mancher europäische Strand das Doppelte an Müll zu tragen hat, ist jeder achtlos weggeworfene Plastiksack, jedes verwehte Styropor-Stück oder jede nicht korrekt entsorgte Industriefolie eine zu viel.

Diese Fremdkörper schaden der Tier- und Pflanzenwelt und sie ärgern Menschen, die dort Erholung suchen. Langfristig will das Bundesamt für Umwelt BAFU die besten Hebel finden, um diese Abfälle zu verringern. Dafür hat es eine gross angelegte Studie zur Situation an See- und Flussufern in Auftrag gegeben. Sie ist als internetbasierter Bericht samt Datensätzen nun für alle Interessierten verfügbar.


Worum geht es genau?

Dutzende Helferinnen und Helfer haben zwischen März 2020 und Mai 2021 in verschiedenen Landesteilen 143 verschiedene See- und Flussufer durchkämmt. Sie haben alle von Auge sichtbaren Abfall-Gegenstände gesammelt und nach einem detaillierten Code-System kategorisiert. Untersucht wurden Uferabschnitte in vier Erhebungsgebieten an den Flüssen Aare, Rhone, Tessin und Limmat sowie an einigen Seen und Zuflüssen dieser Gebiete.

Zudem wurden an zwanzig Standorten von sieben grossen Seen monatlich Erhebungen durchgeführt: Zürichsee, Genfersee, Bielersee, Neuenburgersee, Lago Maggiore, Thunersee und Walensee. Zu Vergleichszwecken kamen im Sommer 2021 auch Abfallerhebungen an 20 Orten in den Alpen und im Jura entlang von Wanderwegen und Skiliften hinzu.

Durch das breite Vorgehen ermöglicht die Studie eine Vogelperspektive auf die Schweizer Gesamtsituation, aber auch eine detaillierte Sicht auf die einzelnen Ufergebiete. Die Ergebnisse zeigen klar: 86 Prozent der gefundenen Abfallobjekte waren aus Kunststoff. Das ist bedenklich – nicht zuletzt, weil sie sich zu problematischem Mikroplastik zersetzen werden. Zu differenzieren ist, woher die Abfälle stammen (Abfall-Quellen): Es geht nicht nur um Littering, also von Menschen achtlos Weggeworfenem, sondern um Abfälle aus ganz unterschiedlichen Quellen.

Welcher Abfall liegt wo an Schweizer Gewässern?

Allein an Gewässern wurden insgesamt 54’744 Objekte eingesammelt und dokumentiert. Dabei gibt es eine klare Nummer eins in Bezug auf die am häufigsten gefundenen Gegenstände: Der Zigarettenfilter. 8’485 Stück landeten im Sack der Forschenden. Auf Platz zwei und drei folgen fragmentierte Kunststoffe (7'400 Stück) und Styroporteile (5'563 Stück).Danach geht die Liste weiter mit Kunststoffverpackungen von Süssigkeiten und Snacks (3'325 Stück) wie beispielsweise Schokoriegeln. Platz fünf und sechs belegen Industriefolien aus Kunststoff (2'534 Stück) und Bruchstücke von Getränkeflaschen aus Glas (2'136 Stück).

Die Plätze sieben bis zehn werden von Kunststoffgranulaten aus der Industrie (1'968 Stück), Isolationsschäumen (1'702 Stück), Wattestäbchen (1’406) und Schaumstoffen (1’209) belegt. Weiter werden auch Bauabfälle aus Kunststoff (992 Stück) sowie Flaschenverschlüsse aus Metall (700 Stück) häufig an Ufern gefunden.

Damit zeichnen sich zwei Hauptquellen ab: Über ein Viertel der häufigsten Gegenstände haben mit Nahrungsmitteln, Getränken und Tabak zu tun und gelangen infolge Littering an die Ufer der Schweizer Gewässer. Knapp unter einem Viertel stammen aus den Bereichen Landwirtschaft und Infrastruktur. Letzterer umfasst Abfälle im Zusammenhang mit dem Bauen und der Instandhaltung von Gebäuden, Strassen sowie der Wasser- und Stromversorgung.

So wurden im Mai 2020 am Zürichsee Abfallobjekte gezählt.

Dabei wurde nicht nur der genaue Fundort jedes Objektes dokumentiert. Das Forschungsteam hat auch die sogenannte Landnutzung berücksichtigt.

Demnach kam Littering eher in bebauten Gegenden vor, in denen Menschen die Zigarettenfilter und andere Abfälle schlicht am Ufer liegen gelassen hatten. Infrastruktur-Material wie Bauabfälle aus Kunststoff wurden hingegen in allen Uferregionen gefunden werden. Unter anderem dürfte das Wasser es dort angespült oder der Wind es angeweht haben.

Diese Abfallobjekte wurden am häufigsten gefunden.
Diese Abfallobjekte wurden im Rahmen der Erhebungen an allen Seen und Flüssen am häufigsten gefunden.

Corona verringerte Littering

Die Entwicklung der Lage an Schweizer Gewässern kann über die letzten paar Jahre aufgezeigt werden. Die Resultate der vorliegenden Studie können direkt mit der letzten nationalen Erhebung von Abfällen an Schweizer See- und Flussufern im Rahmen des Swiss Litter Reports aus dem Jahr 2018 verglichen werden. Für diese Erhebung wurden Untersuchungen mit derselben Methodik zwischen April 2017 und März 2018 durchgeführt. Damit sind auch Aussagen über die Auswirkungen der Corona-Pandemie möglich, denn genau während dieses Zeitraums wurden die Erhebungen der aktuellen Studie durchgeführt.

Das Ergebnis wird manche überraschen: Während etwa Bau-Abfälle zugenommen haben, ist das Littering durch Zigaretten und Flaschendeckel zurückgegangen. Die Forschenden können zu den Gründen nur Vermutungen anstellen: beispielsweise gab es in dieser Zeit praktisch keinen internationalen Tourismus, Veranstaltungen wie Outdoor-Festivals wurden abgesagt und die Menschen trafen sich eher in kleineren Gruppen.

Abfallreduzierung braucht Schulterschluss

Die Studie ist Ausgangspunkt für das BAFU und andere Akteure wie Kantone und Gemeinden, um die Abfallvermeidung an Gewässern breit aufzustellen. Die Uferbesuchenden vor Ort sind eine Verursachergruppe von vielen. Somit zeigen Anti-Littering-Massnahmen sicher ihre Wirkung. Doch selbst wenn Flaschen, Zigaretten & Co. korrekt in Abfalleimern landeten, würde laut der Studienautoren immer noch 64 Prozent des Abfalls am Ufer übrigbleiben.

Darunter wären etwa Wattestäbchen, die fälschlicherweise über die Toilettenspülung entsorgt wurden, oder Baufolien, die vom Wind davongetragen wurden. Das Wissen darüber, was alles an den Ufern liegt, gibt Orientierung für neue Massnahmen. Dafür müssen ganz unterschiedliche Interessengruppen mit ins Boot geholt werden.

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Letzte Änderung 28.04.2022

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