Grenzenlose Umweltpolitik: Hinter den Kulissen der grossen globalen Abkommen

Wie schaffen es die Länder, sich international auf konkrete Umweltmassnahmen zu einigen? Denn solche Verhandlungen sind schwierig – auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. Manchmal führen sie aber zu historischen Abkommen. Ein Einblick in die wichtigsten Vorgänge.

Text: Annegret Mathari

Franz Perrez an der COP26 in Glasgow
Umweltbotschafter für die Schweiz Franz Perrez im 2021 an der COP26 in Glasgow.
© Tim Hammond/Crown copyright

Der Mittwoch, 2. März 2022, wird womöglich als ein wichtiger Tag im Kampf für die Umwelt in die Geschichtsbücher eingehen. Denn an diesem Tag verpflichtete sich die Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) in Nairobi, der Plastikverschmutzung ein Ende zu setzen. Konkret soll bis Ende 2024 ein globales Abkommen verabschiedet werden, das den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen auf internationaler Ebene einheitlich reguliert, von der Produktion über den Gebrauch bis hin zum Recycling und zum Abfallmanagement.

Innovativ sein bedeutet manchmal auch, hinter den Kulissen nach Lösungen zu suchen, um Meinungsverschiedenheiten aufzubrechen. So ist die Schweiz eines jener Länder, die beschlossen haben, sich für ein ehrgeiziges Plastik-Abkommen einzusetzen. Zunächst erarbeiten die zuständigen Bundesstellen unter der Federführung des BAFU die Schweizer Position. Dazu tauschen sie sich mit den Kantonen und verschiedenen Nichtregierungs­organisationen aus. Dann verabschiedet der Bundesrat die offizielle nationale Position, mit der die Schweizer Delegation in die Verhandlungen mit den anderen UNO-Staaten einsteigt. Kern der Delegation sind Vertreterinnen und Vertreter der Bundesämter, vielfach sind zudem Wirtschafts-, Jugend- oder NGO-Vertretende dabei. Diese können zwar nicht für die Schweiz verhandeln, aber ihre Anliegen in die Diskussion einbringen.

Globale Zusammenarbeit

Ähnlich wie dieser internationale Aufmarsch gegen die Plastikverschmutzung, werden viele weitere Umweltprobleme auf globaler Ebene verhandelt. Denn inzwischen ist längst klar, dass die Menschheit am selben Strick ziehen muss, um die Klimaerwärmung zu begrenzen, die Biodiversität zu erhalten, die Wasser- und Luftverschmutzung zu stoppen und die natürlichen Ressourcen auch für künftige Generationen zu erhalten – eine riesige Aufgabe. So zeigt der jüngste, im April veröffentlichte Bericht des Weltklimarats IPCC auf, wie dringend die internationale Gemeinschaft handeln muss, damit die globale Temperatur bis Ende des Jahrhunderts nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius steigt. Der Bericht weist auch aus, was dafür getan werden muss, um dieses Ziel zu erreichen, inklusive der Kosten oder der wirtschaftlichen Vorteile von Massnahmen für den Klimaschutz. «Damit liefert er die nötigen Entscheidungsgrundlagen für die Klimapolitik – national und international», sagt Sebastian König, Chef Wissenschaft in der Abteilung Internationales beim BAFU. Er vertritt die Schweiz im Weltklimarat.

Auch etwa die Berichte des Weltbiodiversitätsrats IPBES oder jene unter dem UNO-Umweltprogramm zu den natürlichen Ressourcen (Global Ressource Outlook) oder zum globalen Zustand der Umwelt (Global Environment Outlook) seien wichtige Orientierungs- und Handlungshilfen für die Umwelt­politik, so König. Wie aber entstehen aus diesen internationalen Grund­lagen konkrete nationale und lokale Massnahmen – damit sich auch wirklich etwas bewegt?

Von international zu national

Zum einen durch internationale Verträge. Wie das Pariser Klimaübereinkommen, das sich unter anderem auf die Erkenntnisse des IPCC-Berichts stützt. Für solche Abkommen müssen die Staaten einen Konsens finden. «Dabei spielen stets die Interessen der einzelnen Staaten mit», sagt Lydie-Line Paroz, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Internationales beim BAFU. Entsprechend zäh sind die Verhandlungen. Sind sich die Staaten einig, müssen die nationalen Parlamente die internationalen Vereinbarungen erst ratifizieren, um sie ins nationale Recht aufzunehmen. Danach sind die Abkommen aber rechtlich bindend: Die Staaten müssen sie umsetzen. In der Schweiz legt der Bund dafür Gesetze und Verordnungen fest, für deren Umsetzung dann hauptsächlich die Kantone verantwortlich sind.

Zum anderen gibt es auch internationale Vereinbarungen, die rechtlich nicht bindend sind. Etwa die UNO-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, Agenda 2030 genannt. Diese umfasst 17 Ziele und 169 Unterziele, von der Armutsbekämpfung über Ernährungssicherheit und Gleichberechtigung zu nachhaltiger Energie und dem Schutz der Ökosysteme bis hin zur Bildung. Auch wenn sich alle 193 UN-Mitgliedstaaten zur Agenda 2030 bekennen: Rein rechtlich sind sie nicht verpflichtet, deren Ziele zu erfüllen. Immerhin hatten sich die unterzeichnenden Staaten darauf geeinigt, dass sie freiwillig regelmässig in Berichten offenlegen, ob sie Fortschritte gemacht haben oder nicht. «Das erzeugt einen gewissen politischen Druck», sagt König. Auch auf die Schweiz: Bei der Präsentation des zweiten Berichts im Juli 2022 am UNO-Hauptsitz in New York betonte der Delegierte des Bundesrats, Jacques Ducrest, die Schweiz müsse an Tempo zulegen, wenn sie die Ziele bis 2030 erreichen wolle.

Klare Ziele sind entscheidend

Abgesehen von der Rechtsverbindlichkeit spielen für die nationale Umsetzung auch der politische Wille sowie konkret ausgestaltete Ziele eine wichtige Rolle, sagt Niklas Nierhoff, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Sektion Ökonomie des BAFU. Zurzeit arbeitet die Schweiz beispielsweise daran, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Hierzulande gehen nämlich noch rund ein Drittel der Lebensmittel zwischen Acker und Teller verloren. Gemäss einem der Ziele der Agenda 2030 soll sich aber die Lebensmittelverschwendung weltweit bis 2030 halbieren. Auf dieses Ziel berief sich ein Vorstoss im Schweizer Parlament, der den Bundesrat beauftragte, einen entsprechenden Aktionsplan auszuarbeiten. Im April 2022 hat der Bundesrat diesen verabschiedet. Er bindet Akteure und Akteurinnen der gesamten Produktions- und Lieferkette sowie Bund, Kantone und Gemeinden mit ein, um bis 2030 die Verschwendung von Lebensmitteln zu halbieren. «Solch klare und messbare Ziele sind wichtig, um von ihnen konkrete Massnahmen ableiten zu können», sagt Nierhoff. Er verweist auf ein anderes Ziel der Agenda, laut dem bis 2030 «eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen» erreicht sein soll. «Dieses Ziel klingt ambitioniert, hat aber so unkonkret formuliert wenig direkte Wirkung auf die nationale Politik.» 

Fazit

Verhandlungen über internationale Umweltabkommen sind langwierig und schwierig und nicht alle Vereinbarungen, die die Staaten unterschreiben, sind bindend. Globale Abkommen und Ziele sind aber nötig, um konsequent und international koordiniert vorzugehen. Teils sind innovative Lösungen dabei entscheidend – wie etwa bei der Antwort auf die Plastikverschmutzung. 

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Letzte Änderung 21.12.2022

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