Neue BAFU-Publikation: Umweltschutz – der Gesundheit zuliebe

Massnahmen zum Schutz der Umwelt kommen in vielen Fällen der menschlichen Gesundheit zugute. Eine neue Publikation des BAFU leuchtet die vielschichtigen Zusammenhänge zwischen wirksamen Umweltschutzmassnahmen, dem Zustand der Natur und unserem Wohlergehen aus.

Text: Jean-Luc Brülhart

Verkehr ist einer der Hauptverursacher belasteter Luft. Er schädigt die Gesundheit zusätzlich durch seinen Lärm.
© Lana Elcova

Schadstoffe in Luft, Wasser und Boden – ebenso wie übermässiger Lärm – können sich negativ auf die menschliche Gesundheit auswirken. Allein die Luftbelastung in der Schweiz verursacht jährlich 2200 bis 2800 vorzeitige Todesfälle. Der grösste Teil davon ist dem Feinstaub anzulasten; der erhöhten Ozonbelastung werden pro Jahr bis zu 300 frühzeitige Todesfälle zugeschrieben. Als einer der Hauptverursacher belasteter Luft gilt der Verkehr, der die Gesundheit zusätzlich durch seinen Lärm schädigt. Lärmbedingter Stress regt nämlich die Ausschüttung des Hormons Cortisol an, das wiederum den Insulinstoffwechsel beeinflusst. Die wissenschaftlich erhärteten Folgen davon sind Diabetes und Übergewicht. Zudem steigt in lärmiger Umgebung das Risiko, an einer Depression zu erkranken. Gesamthaft rechnen Fachleute in der Schweiz jährlich mit lärmbedingten Gesundheitskosten in der Höhe von 1,4 Milliarden Franken.

Nun beschäftigt sich eine neue Publikation des BAFU mit den vielschichtigen Zusammenhängen zwischen Umweltbelastungen und der menschlichen Gesundheit. Grundlage für den Bericht «Umwelt und Gesundheit: eine facettenreiche Beziehung» ist eine Studie des Swiss Tropical and Public Health Institute (Swiss TPH). Konsultiert hat man zudem weitere Fachpersonen von Bundesstellen – so unter anderem vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) sowie vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). «Gesundheit und Umwelt betreffen viele unterschiedliche Akteure – und letztlich uns alle!», hält der Co-Projektleiter Jérémie Millot vom BAFU fest.

Umwelt und Gesundheit in der Schweiz

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Eine facettenreiche Beziehung. 2019

«Noch zahlreiche Lücken»

Allerdings zeigt der Bericht auch Wissenslücken auf. Beispielsweise ist es schwierig einzuschätzen, welche gesundheitlichen Folgen ein «Cocktail» aus den unterschiedlichsten Chemikalien haben könnte. Denn eine Mischung aus verschiedenen Substanzen kann sich anders auswirken als die einzelnen Stoffe für sich. Zudem spielt nicht nur die Giftigkeit eines Stoffes eine Rolle, sondern auch die Exposition: Das gesundheitliche Risiko hängt davon ab, wie lang, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Konzentration eine Substanz auf einen Organismus einwirkt. Diese Informationen liegen in der Regel aber nicht vor und sind auch schwer zu erheben. «Zwar verfügen wir heute in vielen Bereichen über gesichertes Wissen – aber es gibt auch noch zahlreiche Lücken zu schliessen», bestätigt denn auch Jérémie Millot.

Umso mehr braucht es interdisziplinäre Forschungsprojekte und interdisziplinäres Handeln: Der Ansatz von One Health etwa, der auf der Zusammenarbeit von Human- und Veterinärmedizin sowie den Umweltwissenschaften beruht, trägt dazu bei, dass die Erfahrungen im einen Fachgebiet auch den übrigen zugutekommen und zudem die Gesundheitsversorgung von Mensch und Tier verbessert wird. «Die Themen Umwelt- und Gesundheitsschutz sollten vermehrt verbunden betrachtet werden», fordert denn auch Jérémie Millot.

Eine intakte Umwelt ist Grundlage für unsere Gesundheit wie auch für unsere Wohlfahrt. Die Biodiversität etwa erbringt eine Vielzahl von Leistungen, die unser Wohlbefinden stärken und dazu beitragen, Krankheiten zu vermeiden: So wirken beispielsweise artenreiche Grünflächen in der Stadt sommerlichen Hitzeinseln entgegen, reinigen die Luft von Schadstoffen und helfen, das urbane Mikroklima zu regulieren. Insekten wiederum bestäuben Pflanzen, aus denen Lebens- aber auch Arzneimittel herstellt werden können.

Fahrten mit dem Velo oder ausgedehnte Spaziergänge verhindern jährlich in der Schweiz bis zu 12 000 Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und attraktive Landschaften mit naturnahen Lebensräumen helfen dem Menschen, Stress abzubauen. Auch gibt es Hinweise darauf, dass der Aufenthalt im Wald die Anzahl an Abwehrzellen erhöht und damit die Widerstandskraft der Menschen stärkt.

Zum Beispiel Gewässerschutz

Das Beispiel Gewässerschutz zeigt eindrücklich, wie umweltrelevante Gesetze und Verordnungen auch zum Gesundheitsschutz beitragen: Noch im 19. Jahrhundert starben hierzulande zahlreiche Menschen an Infektionskrankheiten wie Cholera und Typhus, weil ihr Trinkwasser verseucht war. Mittlerweile hat sich die Situation dank den Massnahmen zum Schutz des Grundwassers, dem Ausbau der Abwasserreinigung und der technischen Entwicklung bei der Entkeimung des Trinkwassers deutlich verbessert. Krankheitserreger sind heute im Trinkwasser nur noch selten ein Problem. Die Konzentrationen der im Grundwasser nachgewiesenen Fremdstoffe – wie Nitrat oder Rückstände von Pflanzenschutzmitteln – liegen in der Regel deutlich unter den Werten, bei denen die menschliche Gesundheit nach heutigem Wissensstand gefährdet ist. Gleichwohl ist es wichtig, die Grundwasserressourcen vorsorglich vor dem Eintrag künstlicher langlebiger Substanzen – wie beispielsweise der Rückstände von Pflanzenschutzmitteln – zu schützen, ganz besonders auch deshalb, weil sich der Stand der Kenntnis über die toxikologische Wirkung von Substanzen und ihren Gemischen mit der Zeit ändern kann. Jüngstes Beispiel dafür ist das Pflanzenschutzmittel Chlorthalonil.

Doch auch beim Umgang mit neuen Umwelt- und Gesundheitsbedrohungen kann die Schweiz Erfolge verzeichnen. Nach den negativen Erfahrungen im Hitzesommer 2003 haben die Behörden mit Blick auf den Klimawandel Strategien umgesetzt, damit während Hitzewellen weniger Menschen vorzeitig sterben. Die globale Erwärmung zieht jedoch weitere Gesundheitsfolgen nach sich. So erschweren Verschiebungen der Vegetationszeit und längere Blüteperioden Allergikerinnen und Allergikern den Alltag. Zudem ist zu befürchten, dass wärmeliebende Insekten, die Krankheiten übertragen und bis vor Kurzem nur südlich der Alpen lebten, sich künftig auch im Norden ausbreiten. Ein Beispiel dafür ist die Asiatische Tigermücke, die mit ihren Stichen das Zika- und das Dengue-Virus übertragen kann.

Auch international gefordert

Die meisten Umweltprobleme machen nicht an der Grenze halt. Deshalb führt der Weg zu einem besseren Umwelt- und Gesundheitsschutz nicht zuletzt über international abgestimmte und konsolidierte Massnahmen. So hat das seit 1989 rechtskräftige Protokoll von Montreal zum Schutz der Ozonschicht dazu geführt, dass sich das Ozonloch an den Polen ganz langsam wieder schliesst. Obschon es bis zur vollständigen Erholung der Ozonschicht noch bis zum Jahr 2060 dauern dürfte, sind bereits positive Auswirkungen festzustellen. Die dank dem Protokoll durchgesetzten Massnahmen vermeiden pro Jahr weltweit bis zu 2 Millionen Krebsfälle – vornehmlich von schwarzem Hautkrebs – sowie mehrere Zehntausend Fälle von grauem Star. In der Schweiz gäbe es ohne Montrealer Protokoll jährlich bis zu 7000 zusätzliche Erkrankungen an Hautkrebs.

Vorsorglich und in Eigenverantwortung handeln

Der neue BAFU-Bericht beleuchtet viele Aktivitäten der Behörden zum Schutz von Umwelt und Gesundheit. Er zeigt aber auch auf, wo fundierte Kenntnisse fehlen und wo die Wissenschaft noch Lücken schliessen muss.

Das 1985 in Kraft getretene Umweltschutzgesetz (USG) hat in der Schweiz das Verursacherprinzip verankert. Es verlangt, dass die Urheber von unerwünschten Umwelteinwirkungen die Kosten für Massnahmen zu deren Vermeidung und Beseitigung tragen. Zudem stellt das gleichzeitig eingeführte Vorsorgeprinzip sicher, dass bereits vorausschauend umweltgerecht geplant und gehandelt wird, was langfristig auch kostengünstiger ist als das Beheben von Umwelt- und Gesundheitsschäden. Durch das USG sind folglich alle Akteure und Sektoren gefordert, Massnahmen zu treffen.

Schliesslich verdeutlicht der Bericht auch, dass jede und jeder in Eigenverantwortung dazu beitragen kann, die Umwelt und zugleich die eigene Gesundheit zu schützen.

Indem wir beispielsweise den öffentlichen Verkehr nutzen oder beim Lüften der Wohnung daran denken, keine Heizenergie zu vergeuden, helfen wir mit, den Ausstoss von Treibhausgasen zu senken und zugleich die Luftqualität zu verbessern. Auch wenn wir uns dazu aufraffen, statt des Lifts die Treppe zu benutzen oder unser Ziel bei schönem Wetter zu Fuss zu erreichen, kommt dies unserer Gesundheit und der Umwelt zugute. Ebenfalls fördert ein mit einheimischen Pflanzen gestalteter, artenreicher Garten unser Wohlbefinden und gleichzeitig die Biodiversität. «Es ist eine eigentliche Win-win-Situation», sagt Jérémie Millot vom BAFU, «zumal es allemal besser ist, von vornherein schädlichen Handlungen vorzubeugen, als im Nachhinein deren Folgen behandeln zu müssen.»

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Letzte Änderung 04.03.2020

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