Bei Trockenheit: Die Waldbrandgefahr nimmt zu – was können wir tun?

Mit den steigenden Temperaturen und häufigeren Trockenperioden nimmt die Gefahr von Waldbränden zu – auch auf der Alpennordseite, und dies das ganze Jahr hindurch. Da die allermeisten Waldbrände unabsichtlich von Menschen verursacht werden, ist es wichtig, dass die Bevölkerung die Präventionsmassnahmen kennt und einhält.

Text: Ori Schipper

130 Hektaren Wald in Bitsch verbrannt
Im letzen Juli brach im Oberwallis ein riesiger Waldbrand aus. 50 000 Bäume (130 Hektaren) verbrannten. Bis sich der Wald davon erholt hat, wird es mindestens ein Jahrhundert dauern. In der Zwischenzeit müssen die Gemeinden rund um das Brandgebiet die Gefahren durch Erdrutsche und Steinschläge neu bewerten. Denn so dezimiert, kann der Wald seine Schutzfunktion nicht mehr erfüllen. Die Ursache des Brandes in Bitsch konnte noch nicht zweifelsfrei ermittelt werden. Fachleuten zufolge sind aber in 90 Prozent der Fälle Menschen direkt oder indirekt für den Ausbruch von Waldbränden verantwortlich.
© Christophe Bott/Keystone

An der Oberfläche war keine Glut mehr zu erkennen. Das kleine Lagerfeuer schien komplett gelöscht, als sich die beiden jungen Wanderer aus der Deutschschweiz schlafen legten. Doch im Untergrund schwelte es weiter – und mitten in der Nacht übertrug der starke Wind einige Funken auf das umliegende Gehölz, das nach einer langen Zeit ohne Niederschlag besonders dürr und trocken war. Und deshalb auch besonders leicht Feuer fing.

So hat in der Nacht auf den 30. Januar 2022 der Waldbrand auf dem Monte Gambarogno im Tessin begonnen. In den nächsten 58 Stunden breiteten sich die Flammen – trotz des Einsatzes von Dutzenden Feuerwehrleuten und mehreren Helikoptern, die aus acht verschiedenen Löschbecken in der Region Wasser entnahmen – auf einer fast 200 Hektaren grossen Fläche aus.

Wochenlange Nachlöscharbeiten

Wegen des beissenden Rauchs mussten alle Einwohnerinnen und Einwohner des Dorfs Indemini evakuiert werden. Die Starkstromleitung nach Italien war zwei Wochen lang ausser Betrieb. Und die Asche verunreinigte Quellen und Trinkwasserfassungen. Und nachdem das Feuer endlich erloschen war, mussten die Feuerwehren im Tessin und im angrenzenden Italien noch wochenlang sogenannte Nachlöscharbeiten durchführen. «Unsere italienischen Kollegen liessen jeweils in der Nacht Drohnen mit Wärmebildkameras aufsteigen, um die im Boden versteckten Brandherde zu identifizieren», erzählt Nicola Bomio-Pacciorini, der Leiter des Bezirksforstamts, das für das Gebiet vom Monte Gambarogno zuständig ist. «Dank der exakten GPS-Koordinaten konnten wir am nächsten Tag sehr gezielt vorgehen.»

Kürzlich hat die im Kanton Tessin eingesetzte Taskforce bekannt gegeben, dass sich die Schäden auf über 7,5 Millionen Franken summieren. Doch glücklicherweise war niemand umgekommen. Auch die beiden Abenteurer, die auf ihrer Wanderung das absolute Feuerverbot missachtet hatten, konnten den Flammen entfliehen. Sie wurden angezeigt.

Feuerverbot im ganzen Kanton

«Wir verhängen im Schnitt an etwa 70 Tagen im Jahr ein Feuerverbot», sagt Aron Ghiringhelli, der das weiter nördlich gelegene Bezirksforstamt in Biasca leitet. «Von Jahr zu Jahr gibt es ziemlich grosse Schwankungen. Manchmal sind nur zwei bis drei Wochen betroffen, aber im Jahr 2022 war das Feuern im Freien an insgesamt 150 Tagen untersagt.» Im Tessin gilt das Feuerverbot immer einheitlich im ganzen Kanton. «Wir differenzieren nicht nach Waldnähe oder Region, weil die Botschaft so einfacher zu vermitteln ist», erklärt Ghiringhelli.

Ob an einem bestimmten Tag ein Feuerverbot ausgesprochen wird, hängt nicht nur von der objektiven Waldbrandgefahr ab, sondern etwa auch vom Freizeitverhalten der Bevölkerung. Wenn es mehr Personen in den Wald zieht, steigt auch das Risiko, dass es irgendwo zu brennen beginnt. «Oder noch schlimmer, dass gleich mehrere Feuer an verschiedenen Orten ausbrechen», sagt Ghiringhelli. «Um gleichzeitig mehrere Brände zu bekämpfen, reichen unsere begrenzten Ressourcen nicht aus.» Im Tessin gibt es neben der dezentral organisierten Stadtfeuerwehr eine auf Waldbrände spezialisierte Bergfeuerwehr, die unterstützend im ganzen Kanton zum Einsatz kommt. Sie soll in Zukunft weiter verstärkt und rascher aufgeboten werden. «So sammelt sie die nötige Erfahrung, die es bei diesen Löschaktionen braucht», so Ghiringhelli.

Der bisher letzte grossen Waldbrand in der Schweiz brach am 17. Juli 2023 im Wallis aus, oberhalb von Bitsch in der Nähe von Brig. Noch eine Woche später waren Löschhelikopter im Einsatz, um schwelende Glutnester zu bekämpfen. Die Arbeiten wurden von punktuellen Gewittern behindert, in denen die Helikopter nicht fliegen konnten. Der Brand breitete sich auf über 130 Hektaren Wald aus. Als Ursache kommt eine ausgefallene Stromleitung in Betracht,
sicher ist das aber nicht.

Laut dem Experten Aron Ghiringhelli kann die Ursache eines Waldbrands nicht immer ausfindig gemacht werden. Die allermeisten Feuer entstünden aber in der Nähe von menschengemachten Infrastrukturen, was darauf schliessen lasse, dass sie auf einen menschlichen Einfluss zurückzuführen sind. Schätzungsweise 90 Prozent aller Waldbrände sind von Menschen verursacht. «Meist ist Unachtsamkeit im Spiel, etwa wenn bei einem Motorenschaden Funken sprühen oder Leute die Kaminasche im Wald entsorgen», sagt Ghiringhelli.

Wenn die Wälder brennen

Ist es heiss und lange trocken, sind die Wälder anfälliger für Brände. Die Anzahl besonders heisser Tage mit niedriger Luftfeuchtigkeit und ohne Regen, dafür mit Winden, die Brände entfachen können, ist seit 1979 weltweit um 54 Prozent gestiegen.

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Wie man Waldbrände vermeidet

Intensivere und aggressivere Brände

Dank der Präventionsmassnahmen wie dem Feuerverbot und der Reorganisation der Feuerwehr sind im Tessin sowohl die Anzahl wie auch das Ausmass der Waldbrände in den letzten dreissig Jahren stark zurückgegangen. «Auf der Alpensüdseite besteht eine lange Tradition im Umgang mit der Waldbrandgefahr, bei der auch schon Ansätze eines integralen Risikomanagements etabliert sind, etwa bei der Planung, wo es zusätzliche Löschbecken braucht», sagt Stefan Beyeler, Co-Chef der Sektion Waldschutz und Waldgesundheit beim BAFU. Beim integralen Risikomanagement beteiligen sich alle Verantwortungsträger an der Planung und Umsetzung von Massnahmen.

Vielen anderen Kantonen fehle es an Erfahrung. Doch: «Die Thematik gewinnt aufgrund der steigenden Temperaturen und der häufiger, länger und extremer werdenden Trockenperioden auch auf der Alpennordseite an Bedeutung», sagt Beyeler. Zwar ereignen sich in der Schweiz nach wie vor nur 100 bis 150 Brände pro Jahr. «Das ist wenig im internationalen Vergleich. Aber die Waldbrandsaison dauert nicht mehr wie früher nur von März bis September, sie hat sich auf das ganze Jahr ausgedehnt.» Zudem würden die Feuer tendenziell intensiver und aggressiver, weil sich in vielen Wäldern Totholz – also Brenngut – ansammle.

Wie die aktuelle Waldbrandgefahr aussieht, zeigt das vom BAFU 2022 neu entwickelte Informationssystem «IGNIS». Es berechnet täglich aufgrund von Wetterinformationen verschiedene Indizes wie die Trockenheit der verschiedenen Bodenschichten. Das Warnsystem basiert auf dem «Forest-Fire-Weather-Index» aus Kanada und ist auf die Verhältnisse in der Schweiz angepasst. «Es liefert eine aktuelle, konsistente und fachlich basierte Einschätzung der Gefahr», sagt Beyeler. «Der Schlüsselfaktor ist die Entzündbarkeit, das heisst, die Energie, die es braucht, um dürres Material im Wald in Brand zu setzen», führt er aus. «Am höchsten ist die Gefahr jeweils zwischen 12 und 17 Uhr, wenn die Temperatur hoch und die Luftfeuchte sehr niedrig ist.»

Lautsprecherdurchsagen im Zug

Weil die meisten Waldbrände von Menschen verursacht werden, ist es besonders wichtig, dass die Bevölkerung lernt, mit dem grösser werdenden Brandrisiko umzugehen (siehe Box). Und dass sie die kantonalen Präventionsmassnahmen kennt und einhält. Das BAFU setzt diesbezüglich schon verschiedene Massnahmen um: «Neu publizieren wir als zuständiges Amt die aktuellen Waldbrandgefahrenwarnungen und Präventionsmassnahmen auch als Open Data, damit sie in Kartendiensten oder Smartphone-Apps verwendet werden können», sagt Beyeler. Zudem hat das Amt zusammen mit den SBB zum Beispiel an Ostern dafür gesorgt, dass in den Zügen von Arth-Goldau ins Tessin per Lautsprecherdurchsage auf das Feuerverbot hingewiesen wurde. 

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Letzte Änderung 29.11.2023

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