Die lang anhaltenden trockenen und warmen Verhältnisse während der Vegetationszeit haben seit 2018 deutliche, messbare Veränderungen im Wald verursacht. Es gibt mehr tote und geschädigte Bäume. Ausserdem wachsen in einigen Regionen wenig junge Bäume nach. Dies zeigen die Zwischenresultate über die Erhebungsjahre 2018 bis 2022 des laufenden fünften Landesforstinventars (LFI5). Diese Entwicklungen werden dann problematisch, wenn die gesetzlich verankerten Waldfunktionen (Schutz-, Nutz- und Wohlfahrt) nicht mehr gewährleistet werden können.
Wie stark die Bäume unter den Trockenperioden leiden, hängt von vielen Faktoren und Zusammenhängen vor Ort ab. Die Topographie und Höhenlage, die Bodenzusammensetzung, wie auch die vorhandenen Baumarten sowie die Dichte des jeweiligen Waldes spielen eine Rolle.
Die Trends in den Regionen
- Die Waldfläche blieb konstant.
- Die Zahl der toten Bäume nahm stark zu (+48.5 ± 7.9%) . Die Zahl der geschädigten Bäume nahm ebenfalls zu (+21.3 ± 5.0%). Aktuell ist etwa jeder zehnte Baum ab 12 cm Brusthöhendurchmesser tot (11.1 ± 0.6%) und jeder fünfte weist einen Schaden auf (20.7 ± 0.8%).
- Der Holzvorrat ging erstmals zurück von 377.7 ± 6.4 m3/ha im LFI4 auf aktuell 349.7 ± 8.3 m3/ha. Bei den Baumarten Fichte, Buche und Esche sank der Vorrat durch Sterblichkeit, Zwangsnutzung (ausserplanmässiges Fällen von Bäumen) und vorsorgliche Nutzung (um spätere Verluste zu vermeiden).
- Die Nutzung der Buche erhöhte sich deutlich (um etwa 40% auf 476'000 ± 64'000 m3/Jahr), wohl als Folge ihres massenhaften Absterbens nach dem Trockensommer 2018 (vgl. Zwangsnutzung).
- Die Zwangsnutzungen nahmen ausgesprochen stark zu (um 130% auf 421'000 ± 97'000 m3/Jahr). Sie machten knapp 30% der Nutzungen aus. Ursachen für die Zwangsnutzungen waren Borkenkäferbefall, Dürre, Windwurf und Pilzbefall.
- Das Totholzvolumen, insbesondere das stehende, nahm sehr stark zu (+84 ± 16%). Es beläuft sich mittlerweile auf 29.3 ± 2.6 m3/ha. Totholz ist bedeutsam für die Artenvielfalt.
Bei den Zahlenwerten ist jeweils der Mittelwert ± der Standardfehler angegeben.
- Die Waldfläche blieb konstant.
- Die Zahl der toten wie auch der geschädigten Bäume nahm zu (+17.3 ± 9.4% bzw. +32.1 ± 6.4%). Aktuell ist etwa jeder vierzehnte Baum ab 12 cm Brusthöhendurchmesser tot (7.2 ± 0.5%) und jeder fünfte weist einen Schaden auf (19.1 ± 0.8%).
- Der Holzvorrat ging weiter zurück von 381.3 ± 6.3 m3/ha im LFI4 auf aktuell 367.8 ± 8.9 m3/ha. Das heisst, es kam mehr Holz durch Sterblichkeit und Nutzung abhanden als nachwuchs.
- Die Nutzung der Esche verdoppelte sich nahezu (+85% auf 249'000 ± 45'000 m3/Jahr), da viele Bäume aufgrund des Eschentriebsterbens, einer Pilzkrankheit, abstarben oder zu einer Gefahr für Waldbesuchende und Infrastruktur wurden.
- Zwangsnutzungen nahmen ausgesprochen stark zu (um 130% auf 986'000 ± 107'000 m3/Jahr). Sie machten 35% der Nutzungen aus. Ursachen für die Zwangsnutzungen waren Borkenkäferbefall, Windwurf, Pilzbefall und Dürre.
- Das Totholzvolumen erhöhte sich leicht (+14.3 ± 9.6%) und liegt nun bei 18.5 ± 1.7 m3/ha.
Bei den Zahlenwerten ist jeweils der Mittelwert ± der Standardfehler angegeben.
- Die Waldfläche blieb konstant.
- Die Zahl der toten Bäume wie auch der geschädigten Bäume nahm zu (+21.0 ± 5.4 % bzw. +24.6 ± 5.5%). Aktuell ist jeder siebte Baum ab 12 cm Brusthöhendurchmesser tot (14.2 ± 0.8%) und fast jeder vierte weist einen Schaden auf (22.9 ± 0.9%).
- Der Holzvorrat blieb insgesamt konstant bei 436.0 ± 10.4 m3/ha. Bei Fichte und Esche sank er jedoch durch Mortalität, Zwangsnutzung (ausserplanmässiges Fällen von Bäumen) und vorsorgliche Nutzung auf 217.5 ± 9.5 m3/ha bzw. 14.3 ± 2.3 m3/ha.
- Das Totholzvolumen stieg an (+25.5 ± 7.7%) und beläuft sich nun auf 43.9 ± 3.0 m3/ha.
Bei den Zahlenwerten ist jeweils der Mittelwert ± der Standardfehler angegeben.
- Die Waldfläche nahm weiter leicht zu (+0.4 ± 0.1% pro Jahr).
- Die Zahl der toten Bäume nahm zu (+22.2 ± 3.9%), ebenso die der geschädigten Bäume (+35.4 ± 3.7%). Aktuell ist mehr als ein Sechstel der Bäume ab 12 cm Brusthöhendurchmesser tot (15.1 ± 0.6%) und mehr als ein Viertel weist einen Schaden auf (27.8 ± 0.7%).
- Der Holzvorrat hat nicht abgenommen und liegt aktuell bei 317.6 ± 6.6 m3/ha.
- Die Bestände wurden etwas dichter und damit dunkler. Dies zeigt u.a. der sogenannte Stand Density Index (SDI), ein objektives Mass, das die Dichte eines Bestandes abbildet (+2.4 ± 1.1%).
- Das Ausmass von Wildverbiss blieb unverändert bei 17.1 ± 2.2%, d.h. jedem sechsten Bäumchen von 10 bis 129 cm Höhe wurde im Lauf des letzten Jahres von Wildhuftieren der Gipfeltrieb abgefressen.
- Der Anteil der Waldfläche, auf dem kaum junge Bäume nachwachsen (Verjüngungsdeckungsgrad <5%), nahm stark zu (+25.4 ± 6.0%) und umfasst nun fast einen Drittel der Waldfläche (31.6 ± 1.4%).
- Das Totholzvolumen stieg an (+25.4 ± 4.9%) und beläuft sich nun auf 34.9 ± 1.7 m3/ha.
Bei den Zahlenwerten ist jeweils der Mittelwert ± der Standardfehler angegeben.
- Die Waldfläche nahm weiter leicht zu (+0.29 ± 0.09% pro Jahr).
- Die Zahl der toten Bäume (+35.4 ± 7.1%) wie auch die der geschädigten Bäume (+30.2 ± 6.3%) stieg an. Aktuell ist mehr als ein Sechstel der Bäume ab 12 cm Brusthöhendurchmesser tot (15.4 ± 0.9%) und fast ein Drittel weist einen Schaden auf (29.3 ± 1.2%). Besonders stark betroffen ist die Kastanie (tot: 32.6 ± 2.8%, geschädigt: 39.5 ± 3.3%). Im Zuge dessen gibt es bei dieser Baumart nahezu keinen Holzzuwachs mehr.
- Der Holzvorrat nahm weiter zu von 242.3 ± 6.1 m3/ha im LFI4 auf aktuell 265.2 ± 11 m3/ha.
- Die Bestände wurden dichter und damit dunkler. Dies zeigt u.a. der sogenannte Stand Density Index (SDI), ein objektives Mass, das die Dichte eines Bestandes abbildet (+6.9 ± 2.5%).
- Das Ausmass von Wildverbiss blieb unverändert auf ausgesprochen hohem Niveau: Jedem dritten Bäumchen von 10 bis 129 cm Höhe (31.2 ± 3.9%) wurde im Laufe des letzten Jahres der Gipfeltrieb von Wildhuftieren abgefressen.
- Der Anteil der Waldfläche, auf dem kaum junge Bäume nachwachsen (Verjüngungsdeckungsgrad <5%), nahm stark zu (+39.6 ± 10.7%) und beträgt nun 40% (40.1 ± 2.3%).
- Das Totholzvolumen stieg stark an (+52.4 ± 11.6%) und beträgt nun 28.8 ± 2.4 m3/ha.
Bei den Zahlenwerten ist jeweils der Mittelwert ± der Standardfehler angegeben.
Fehlende Verjüngung
Wälder in hohen Lagen auf der Alpennordseite sind aufgrund ausgiebiger Niederschläge und tiefen Temperaturen am wenigsten von Trockenheit betroffen. Allerdings sind viele Wälder in höheren Gebieten und auf der Alpensüdseite in den letzten Jahrzehnten immer dichter geworden – bedingt durch die Aufgabe von Alpwirtschaftsbetrieben und die teils minimale oder gar nicht erfolgte Waldbewirtschaftung, die in topografisch schwierigem Gelände sehr kostspielig ist.
Für das Keimen aller Pflanzen ist direkt einfallendes Sonnenlicht bis auf den Boden zentral. Diese Voraussetzung ist nicht in allen Wäldern gleich gegeben. Durch die regelmässige Waldbewirtschaftung in den tieferen Lagen sowie an Standorten, wo die Wälder wegen den abgestorbenen Bäumen lichter geworden sind, ist die Bodenvegetation artenreicher. Hingegen fällt in dichten und dunklen Wäldern häufig zu wenig Licht auf den Boden. Dadurch fehlen vielenorts nachwachsende junge Bäume, aber auch Sträucher und eine vielfältige Krautschicht.
Mit waldbaulichen Massnahmen kann ein Wald stufig – strukturreich – gestaltet werden. Auf diese Weise können die Lichtverhältnisse verbessert und die natürliche Verjüngung der Bäume gefördert und unterstützt werden. Auch ist ein stufiger Mischwald mit vielen Baumarten und Altersklassen widerstandsfähiger gegenüber Störungen und verbessert das Nahrungsangebot für die Wildtiere.
Gleichzeitig ist in gewissen Regionen das Ausmass von Wildverbiss seit dem zweiten Landesforstinventar 1993/95 stetig gestiegen und seit dem vierten Inventar 2009/17 konstant auf einem hohen Niveau geblieben. Die Entwicklung des Wildbestandes ist jedoch nicht Bestandteil des Landesforstinventars und nur mit LFI-Resultaten kann keine abschliessende Interpretation der Zusammenhänge gemacht werden. Die vollständige Analyse in diesem Bereich soll gemeinsam mit weiteren betroffenen Akteuren gemacht werden.
Aktuelle Entwicklungen im Schutzwald
Auch im Schutzwald sind immer mehr Bäume geschädigt oder abgestorben und die Fläche mit ungenügender Verjüngung nimmt zu. Gleichzeitig hat sich der Anteil dicht geschlossener Schutzwälder erhöht und die Wälder werden einschichtiger. Diese Trends führen dazu, dass die Widerstandsfähigkeit der Schutzwälder gegen Störungen wie Sturm und Borkenkäfer abnimmt.
In vielen Schutzwäldern ändern sich zudem die Standortsbedingungen, wenn es durch den Klimawandel wärmer wird. Zukünftig gewährleisten hier andere Baumarten als heute die Schutzwirkung. Damit diese zukunftsfähigen Baumarten aufkommen können, müssen die Wälder verjüngt werden. Die Verjüngung ist damit ein Schlüsselelement für die Anpassung der Schutzwälder an den Klimawandel.
Die Kombination aus zunehmender Störungsanfälligkeit und fehlender Verjüngung ist ein Risiko für die langfristige Schutzwirkung. Denn wenn grössere Lücken im Schutzwald entstehen und junge Bäume fehlen, kann der Schutz vor Naturgefahren für eine gewisse Zeit ungenügend sein. Auch kann sich dadurch die Anpassung der Wälder an den Klimawandel verzögern.
Aktuelle Entwicklungen für die Waldbiodiversität
Der Klimawandel stellt für die Biodiversität eine Gefahr dar und erhöht die Aussterbewahrscheinlichkeit vieler Arten.
Doch können die Folgen von Störungen wie Stürme und Trockenheit auch eine Chance für die Biodiversität bieten. Durch die Zunahme des Totholzanteils oder Entstehung von Öffnungen im Wald werden vielfältige Lebensräume für zahlreichen Insekten- Tier- und Pflanzenarten geschaffen, die sich z.B. auf den Abbau des Totholzes spezialisiert haben, oder als Pionierarten in einem jungen Wald vorkommen.
Neben der Artenvielfalt spielt auch die genetische Vielfalt eine wichtige Rolle. Eine hohe genetische Vielfalt reduziert die Anfälligkeit auf Schadenorganismen wie Insekten, Pilzerkrankungen und Bakterien, die mit dem Klimawandel voraussichtlich vermehrt auftreten werden. Eine natürliche Verjüngung des Waldes fördert auch eine hohe genetische Vielfalt.
Mit dem zunehmenden Auftreten von Extremereignissen zeigt sich auch die Bedeutung der Biodiversität für die Anpassung an den Klimawandel. Standortgerechte Baumarten und eine hohe Struktur- und Artenvielfalt erhöhen die Widerstandsfähigkeit des Waldes. In der biologischen Vielfalt liegt daher nicht nur ein wesentliches Naturkapital, sondern auch eine natürliche «Versicherung» gegenüber Extremereignissen und Schadenorganismen
Für die Zukunft ist es entscheidend, dass die Herausforderungen des Klimawandels im Zusammenhang mit der Biodiversitätsförderung gesehen werden und in guter Abstimmung geplant werden.
Aktuelle Entwicklung Waldressourcen und Holzproduktion
Von den drei Hauptbaumarten der Schweiz - Fichte, Buche und Tanne – sind sowohl die Bestände der Fichte (Jura, Mittelland und Voralpen) als auch der Buche (Jura) zurückgegangen. Es ist zu erwarten, dass sich die Fichte mit den veränderten klimatischen Bedingungen weiter in den höheren Lagen zurückziehen wird. Die klimasensitivsten Fichtenbestände in tieferen Lagen sind bereits in den letzten Jahren durch Borkenkäferbefälle und die damit verbundenen Zwangsnutzungen stark betroffen. Im Jura sind die Standortbedingungen wegen den flachen und durchlässigen Böden zusätzlich herausfordernd. Auch wenn die Baumartenzusammensetzung als standortgerecht betrachtet werden kann, leiden die Bäume während den längeren Trockenperioden rasch an Wassermangel.
Trotz den aktuellen Herausforderungen ist der Holzvorrat immer noch hoch in der Schweiz. Mit einer regional differenzierten Analyse und Planung können die klimasensitiven Waldbestände erkannt und Massnahmen eingeleitet werden, damit alle Waldfunktionen, inklusiv die nachhaltige Holznutzung, auch in der Zukunft gewährleistet werden. Es soll überprüft werden, ob in den Gebieten mit klimagefährdeten Baumartenzusammensetzung ausnahmsweise für gewisse Zeit mehr Holz genutzt werden kann, damit die Bestände für die veränderten Standortbedingungen angepasst und der wertvolle Rohstoff Holz für langlebige Produkte genutzt werden kann. Auch in höheren Lagen und auf der Alpensüdseite braucht es Anpassungsmassnahmen, damit die dichten und wenig bewirtschafteten Wälder verjüngt werden können.
Fotos
Ergebnisse des LFI 5 im Detail
Die Zwischenergebnisse der fünften Erhebung (LFI5) liegen im Internet in Form von Tabellen und Karten vor.
Letzte Änderung 09.09.2024