Artenvielfalt unter Wasser: Viele Fischarten sind in Gefahr

Die Schweizer Seen und Flüsse sind Lebensraum für zahlreiche Fischarten. Davon sind jedoch viele bedroht, aufgrund der Aktivitäten von uns Menschen und deren Auswirkungen.

Text: Erik Freudenreich

Für die Fische in der Schweiz sieht die Lage immer schlechter aus. Laut der neuen Roten Liste der gefährdeten Arten, die das BAFU kürzlich veröffentlicht hat, gelten nur 14 der 71 erfassten einheimischen Arten der Fische und Rundmäuler als nicht gefährdet. Neun Arten wurden als potenziell gefährdet eingestuft, elf als verletzlich und acht Arten sind stark gefährdet. 15 Arten sind akut vom Aussterben bedroht und neun sind in den letzten hundert Jahren in der Schweiz bereits ausgestorben. Nicht miteingerechnet sind hier die Felchen, die bei der Untersuchung noch nicht berücksichtigt wurden. Klar ist auch: Die Lage der Fische ist beispielhaft für alle Wasserlebewesen, die in der Schweiz zu den am stärksten gefährdeten Tierarten überhaupt gehören.

Neben Gewässerverbauungen und invasiven Arten sind die Fische in der Schweiz auch durch die Anreicherung von Nährstoffen in Gewässern, durch Mikroverunreinigungen und den Klimawandel gefährdet.

Die Fische sind bedroht

Nährstoffanreicherung

Der Gehalt von Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff ist in den Schweizer Gewässern laufend gestiegen. Das kann auf natürliche Weise geschehen, doch menschliche Eingriffe wie die intensive landwirtschaftliche Nutzung, die Siedlungsentwicklung und industrielle Tätigkeiten beschleunigen den Vorgang.

«Die zusätzlichen Nährstoffe führen zu einem übermässigen Wachstum von Wasserpflanzen wie Algen», erklärt Pascal Mulattieri, Biologe und Präsident der Association pour la Sauve­garde du Léman (Verein für die Erhaltung des Genfersees). «Beim mikrobiellen Abbau dieser Pflanzen wird der Sauerstoff im Wasser verbraucht. So geht den Fischen am Seegrund dann buchstäblich die Luft aus.»

Weil einerseits die Abwasserreinigung ausgebaut wurde und andererseits Phosphat in Waschmitteln seit den 1980er-Jahren verboten ist, sank zumindest die Phosphorkonzentration in den meisten grossen Seen auf ein naturnahes Niveau. Dennoch ist der Sauerstoffgehalt in 60 Prozent der grossen Schweizer Seen tiefer als die für Fische kritische Mindestkonzen­tration von vier Milligramm pro Liter – oder wird nur mit künstlicher Sauerstoffzufuhr erreicht.

Klimawandel

Die Kombination aus immer heisseren Sommern und zunehmend milderen Wintern hat für Seen fatale Folgen: Sie stoppt die Durchmischung des Wassers, die dafür sorgt, dass der Sauerstoff in alle Schichten transportiert wird. «Der Genfersee beispielsweise wurde seit über zwölf Jahren nicht mehr vollständig durchmischt», sagt Mulattieri. «Die Fische versuchen zwar, sich anzupassen, aber einige Arten wie die Lachsartigen sind im Nachteil. Sie benötigen frisches, sauerstoffreiches Wasser, um überleben und sich fortpflanzen zu können.»

Zudem breiten sich bei höheren Wassertemperaturen bestimmte Erkrankungen schneller aus, etwa die Proliferative Nierenkrankheit, bei der sich die Nieren der Fische vergrössern. «In erster Linie sind Lachsartige betroffen, also Forelle, Äsche, Seesaibling und Lachs. Aber auch andere Arten wie der Hecht können sich infizieren, wenn das Wasser über einen längeren Zeitraum über 20 Grad Celsius warm ist.»

Synthetische Substanzen

Mikroverunreinigungen wie Pestizide, Arzneimittel und weitere Chemikalien, die alle in sehr geringen Konzentrationen im Gewässer vorkommen, sowie Mikroplastik fallen laut dem Gewässerexperten Mulattieri immer stärker ins Gewicht – umso mehr, als jedes Jahr neue Substanzen auftauchen und so ein nicht kontrollierbarer «Cocktail-­Effekt» entsteht.

Zudem hat sich die weltweite Produktion von Chemikalien seit 1950 um das Fünfzigfache erhöht – und dürfte sich bis 2050 weiter verdreifachen. «Derzeit gibt es mehr als 350 000 synthetische Chemikalien – oder Stoffgemische – auf dem Markt und nur ein Bruchteil davon wird hinsichtlich ihrer Umweltrisiken bewertet.»

Internationale Zusammenarbeit

Die Schweiz engagiert sich in verschiedenenProgrammen, um die Wasserqualitätzu verbessern, Fliessgewässerzu renaturieren, naturbelasseneWasserläufe zu bewahren und Fischpopulationenzu schützen. Zudem laufenBestrebungen, manche Arten wiederanzusiedeln, etwa den Lachs. Zudemarbeitet die Schweiz in mehreren überstaatlichenGewässerschutzkommissionenmit Nachbarländern zusammen,etwa für den Schutz des Bodenseesoder in der Internationalen Kommissionzum Schutz des Rheins (IKSR), die dieFischgängigkeit von der Nordsee biszum Rheinfall wiederherstellen will.

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Letzte Änderung 13.09.2023

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