Für die Wasserbewohner: «Fische brauchen vielfältige Lebensräume»

Wie sehen eigentlich gute Fischlebensräume aus und was können wir tun, um diese zu fördern? Susanne Haertel-Borer, Chefin der Sektion Revitalisierung und Fischerei beim BAFU, gibt Auskunft.

Interview: Erik Freudenreich

Susanne Haertel-Borer
Susanne Haertel-Borer leitet nicht nur die Sektion Revitalisierung und Fischerei beim BAFU, sondern ist auch in ihrer Freizeit eine versierte Fischerin. Im Bild ist sie beim Fliegenfischen im Norden Islands.
© DR

Susanne Haertel-Borer, in jüngerer Zeit werden vermehrt Fluss- und Seeabschnitte renaturiert. Wie wirken sich solche Projekte auf den Lebensraum von Fischen aus?

Renaturierungen verwandeln stark verbaute, eintönige Bäche, Flüsse und Ufer in dynamische und strukturreiche naturnahe Gewässer. Das ist wichtig, denn vielfältige Lebensräume sind eine Voraussetzung für die Artenvielfalt der Fische. Denn verschiedene Fischarten haben in ihren einzelnen Lebensstadien – vom Ei über die Larve bis zum ausgewachsenen Fisch – ganz unterschiedliche Ansprüche an ihre Umgebung. Deshalb ist es so wichtig, die Vielfalt der Lebensräume und ihre Vernetzung wiederherzustellen. Ausserdem sind natürliche Lebensräume mit einer reichen Biodiversität widerstands- und anpassungsfähiger gegenüber Umweltveränderungen wie dem Klimawandel.

Lässt sich die Wirksamkeit solcher Massnahmen messen?

Ja, seit 2020 wird durch Wirkungskontrollen gemessen, wie Tiere und Pflanzen auf Revitalisierungen reagieren. Ein Beispiel: Fünf Jahre nach der Revitalisierung des Biberenbachs im Kanton Solothurn hat sich die Forellendichte verdreifacht. Auch auf die Wasserinsekten hatten die Massnahmen einen positiven Effekt. Doch nicht nur Wasserlebewesen profitieren von Revitalisierungen. Häufig beobachtet man auch eine erfreuliche Vielfalt an einheimischen Vogelarten rund um den revitalisierten Flussabschnitt.

Wie sieht es mit der Wiederansiedlung von Fischarten aus?

Diese Massnahme kann sehr zeitaufwändig sein. Und grundsätzlich gelingt sie nur in einem vernetzten und intakten Ökosystem, in dem alle Teillebensräume vorhanden sind, die die Fischart oder -gemeinschaft benötigt, und wo natürliche Prozesse stattfinden können. Beispiele für solche Prozesse sind die Überflutung bestehender oder wiederhergestellter Auen bei Frühlingshochwasser und die damit verbundene Schaffung von Biotopen für Jungfische. Diese Vorgänge muss man ganzheitlich innerhalb eines Ökosystems betrachten: Sie kommen nicht nur der Fischgemeinschaft, sondern auch vielen anderen Pflanzen- und Tierarten zugute. Ein Wiederansiedlungsprojekt hat nur Erfolgschancen, wenn gleichzeitig die Störfaktoren reduziert werden, die zum Aussterben einer Art geführt haben.

Welche Rolle spielt ein nachhaltiges Fischereimanagement?

Eine grosse. Das Ziel des Fischereimanagements ist es, die Vielfalt der einheimischen Fisch- und Krebsarten zu erhalten, deren nachhaltige Nutzung zu gewährleisten und auch die Forschung zu Fischen und zur Fischerei zu fördern. Dabei streben wir eine nachhaltige Nutzung gesunder einheimischer Bestände an. Diese sollten genetisch an die lokale Umgebung angepasst sein, sich auf natürliche Weise fortpflanzen und sich in einem intakten Lebensraum entwickeln. All dies sorgt dafür, dass die Fischpopulationen langfristig erhalten bleiben. Eines der Instrumente des Fischerei­managements ist zum Beispiel die Festlegung eines Fangmindestmasses für jede befischte Art. Damit lässt sich sicherstellen, dass Jung­fische nicht gefischt werden, bevor sie geschlechtsreif sind und die Möglichkeit hatten, sich fortzu­pflanzen. Ein weiteres Instrument ist die Schonzeit, in der das Fischen verboten ist. Diese gilt entweder vorübergehend während der Fortpflanzung einer Art oder dauerhaft bei vom Aussterben bedrohten oder stark gefährdeten Arten.

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Letzte Änderung 13.09.2023

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