Schweizer Seen: Neue Stationen messen Wassertemperatur live

14.11.2022 - Die Hydrologinnen und Hydrologen des Bundesamts für Umwelt (BAFU) messen die Temperaturen der Flüsse schon seit Jahrzehnten. Die Wassertemperatur einzelner Seen erfasst das BAFU in Zusammenarbeit mit der Eawag neu seit diesem Sommer mittels automatischer Messbojen. Die Daten sind allen zugänglich. Im Rahmen dieses Pilotprojekts will das BAFU prüfen, ob es Messungen auf weitere Seen ausweiten kann. Bescheid zu wissen über die Entwicklung der Temperaturen in den Seen ist entscheidend, um das Ökosystem See besser zu verstehen und die Veränderungen infolge des Klimawandels verfolgen und entsprechende Anpassungsmassnahmen treffen zu können.

Installation der Messboje auf dem Ägerise
Installation der Messboje auf dem Ägerisee am 11.11.2022.
© BAFU

Im Rahmen dieses vom BAFU finanzierten Pilotprojekts betreibt die Eawag (das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs) in Zusammenarbeit mit den kantonalen Fachstellen seit dem Sommer respektive Herbst 2022 neue Temperaturmessstationen in drei Seen: im Murtensee (FR/VD), im Hallwilersee (AG/LU) und im Ägerisee (ZG). Im Murten- und Hallwilersee wird die Temperatur mit einer Messkette in verschiedenen Tiefen kontinuierlich gemessen, während im Ägerisee eine Temperatursonde mehrmals pro Tag von der Oberfläche an den Seegrund sinkt und so Temperaturprofile aufnimmt. Die Daten sind nahezu in Echtzeit öffentlich verfügbar und allen via Internet zugänglich.

In acht weiteren kleinen Seen in verschiedenen Regionen der Schweiz werden ähnliche Temperaturmessstationen betrieben, aber ohne Echtzeit-Übertragung. Ziel ist es, die Auswirkungen des Klimawandels auf diese Seen zu beobachten. Diese Seen sind u.a. bedeutend für die Trinkwasserversorgung, Fischerei, Erholung und Biodiversität.


Wozu braucht es Temperaturmessungen in Seen?

In Hinblick auf die Auswirkungen der Klimaerwärmung will das BAFU künftig ein Monitoring für die Temperaturen in Schweizer Seen betreiben. Bisher erhob der Bund die Wassertemperaturen an zahlreichen Flüssen der Schweiz, jedoch nicht in Seen. Nun wird geprüft, ob das Messnetz auch auf Seen ausgeweitet werden kann. Diese Messungen des Bundes (BAFU) ergänzen die teilweise bereits bestehenden kantonalen Temperaturmessungen.

Neu ist, dass die Temperatur in verschiedenen Wassertiefen kontinuierlich gemessen wird – also ein- bis mehrmals pro Tag und von der Oberfläche bis an die tiefste Stelle des Sees. So kann in Echtzeit, und auch über längere Zeitperioden die Entwicklung der Wassertemperatur verfolgt werden, welche auch die Schichtung der Seen bestimmt.

Kontinuierliche Messungen erlauben ein besseres Verständnis des Ökosystems See als z.B. monatliche Messungen. Chemische oder biologische Prozesse, wie beispielsweise Algenblüten, können so besser untersucht und erklärt werden.

Die Schichtung eines Sees, also wie die verschieden warmen Schichten des Wassers verteilt sind, hat einen grossen Einfluss auf das Gesamt-Ökosystem des Sees. Für diese Schichtung sind die abiotischen Umweltfaktoren Sonneneinstrahlung, Temperatur (oder Wärmeaustausch), Wind und die Eigenschaften des Wassers (Dichteanomalie) wichtig. Im Laufe der Jahreszeiten verändert sich die Schichtung. Die Schichtungs- und Temperaturverhältnisse beeinflussen die Geschwindigkeit von chemischen und biologischen Prozessen und die Verfügbarkeit von Sauerstoff im See, wie auch den Stoffwechsel der Wasserlebewesen, das Auftreten von Algenblüten und die Verfügbarkeit von ökologischen Nischen. Sie haben entsprechend Auswirkungen auf verschiedene Sektoren, wie z.B. die Wasserversorgung, Fischerei oder Freizeitnutzung. Kennt man die Temperaturentwicklung und die damit verbundenen Veränderungen in den Seen, können vorausschauend Massnahmen getroffen werden, um den Folgen den Klimawandels zu begegnen.

Weitere Informationen zur Seenzirkulation und zu den Auswirkungen des Klimawandels:


Wieso Pilotstationen im Murtensee, Hallwilersee und Aegerisee?

Für die Auswahl der Standorte für die Pilotstationen wurden verschiedene Kriterien berücksichtigt:

  • die Eigenschaften der Seen (Tiefe, Volumen, Höhenlage, Nährstoffbedingungen und menschliche Einflüsse (z.B. Belüftungsanlagen).
  • Die Empfindlichkeit der Seen auf Klimaveränderungen (basierend auf wissenschaftlichen Studien, wie z.B. Hydro-CH2018)
  • Das Vorhandensein von weiteren Überwachungsdaten (Temperatur oder auch Wasserqualität, z.B. aus bisherigen kantonalen Messungen).

Der Murtensee (FR) und der Hallwilersee (AG) wurden als Vertreter von mässig nährstoffreichen (meso-eutrophen) Mittellandseen in mittlerer Höhenlage (429 resp. 449 m ü.M.) ausgewählt. Solche Seen haben bereits heute regelmässig zu wenig Sauerstoff.

Für den Murtensee liegen schon seit 1990 kantonale Daten von periodischen Probenahmen vor (Kanton Freiburg). In diesem See wurde eine Messstelle im tiefsten Bereich des Sees ausgewählt, um in allen Tiefenstufen messen zu können. Die Schifffahrt wird durch die Boje nicht beeinträchtigt.

Der Hallwilersee (AG) ist bereits gut untersucht und wird seit 35 Jahren künstlich belüftet. Die neue Boje befindet sich in der Nähe von bereits bestehenden Messbojen, die die Wasserqualität messen.

In diesen beiden Seen stellt sich unter anderem die Frage, wie die Veränderung der saisonalen Schichtung und Mischung aufgrund des Klimawandels das jährlich auftretende Sauerstoffdefizit beeinflussen wird.

Der Ägerisee (ZG), ein nährstoffarmer (oligotropher), etwas höher gelegener See (724 m ü.M.), hat ein so genanntes dimiktisches Regime, d.h. er durchmischt sich heute zweimal pro Jahr (im Herbst und im Frühling). Infolge des Klimawandels ist mit einem Wechsel zu einem monomiktischen Regime zu rechnen, d.h. er wird sich nur noch einmal pro Jahr vollständig durchmischen.

Aufgrund der zu erwartenden Tendenzen (Sauerstoffdefizit bzw. Durchmischungs-Wechsel) werden die Auswirkungen des Klimawandels an diesen drei Seen daher sehr wahrscheinlich deutlich beobachtbar sein und neue Erkenntnisse bringen.

Um den Einfluss der klimatischen Änderungen auch auf Kleinseen, Teichen/Weihern und Gletscherendseen zu beobachten, wurden an ausgewählten Orten auf unterschiedlichen Höhenstufen Messstellen eingerichtet. Bei diesen Pilot-Stationen wird die Wassertemperatur laufend aufgezeichnet, die Daten werden jedoch manuell nur zweimal pro Jahr abgelesen und publiziert. So zum Beispiel im Inkwilersee im Solothurner Mittelland oder im Lenkerseeli im Berner Oberland (siehe auch Wo kann man die Daten und Messergebnisse sehen?).

Weitere Informationen:


Wie funktionieren die Messungen?

Das aktuelle Pilotprojekt liefert Grundlagendaten. Ziel ist, dass das BAFU – je nach Resultaten – später mit diesen oder auch weiteren Stationen ein Langzeitmessnetz aufbauen und betreiben kann. Es wird untersucht, in welchen Gewässern, mit welchen Methoden und wie gemessen werden soll, um repräsentative Aussagen zu zukünftigen Trends (Klimawandel) machen zu können.

Aus diesem Grund werden in den einzelnen Seen unterschiedliche Messsysteme getestet: Es sind Messbojen verschiedener Grössen. Sie verfügen über mobile Sonden oder über fixe Messketten mit Sensoren. Auch unterschiedliche Befestigungen werden ausprobiert: schwere und hoffentlich sehr robuste Verankerungen oder leichtere und kostengünstigere Fixierungen. Allen eingesetzten Systemen gemeinsam ist, dass sie die Wassertemperaturen in verschiedenen Tiefen kontinuierlich messen und die Daten in Echtzeit übertragen. Die Daten sind der Öffentlichkeit zugänglich über verschiedene Internetseiten.

Genauere Informationen zu den einzelnen Systemen in Murten-, Hallwiler- und Aegerisee geben die untenstehenden Fotos und Grafiken.

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Sind die Bojen im See gefährlich für den Schiffsverkehr oder Schwimmerinnen und Schwimmer?

Die Bojen sind im See aufgrund ihrer gelben Farbe gut sichtbar. Sie sind mit den obligatorischen Sicherheitselementen ausgerüstet: Sie verfügen über ein Signallicht, sodass sie auch in der Nacht und bei Nebel sichtbar sind. Ausserdem ermöglichen Radarreflektoren die Erkennung mit den nautischen Navigationsgeräten.


Werden in allen Seen der Schweiz Messbojen installiert?

Nein. Solche Messungen werden aktuell im Rahmen des Pilotprojekts nur in den drei ausgewählten Seen durchgeführt (siehe oben). Die Messinfrastruktur und deren Betrieb und Unterhalt sind kostspielig, ausserdem ist es auf gewissen Seen - z.B. wegen viel Schiffsverkehr - nicht möglich, Messbojen fest und dauerhaft zu installieren. Daher ist nicht vorgesehen, die Messungen flächendeckend einzuführen. Wenn das Pilotprojekt erfolgreich verläuft, können solche Bojen aber auf weiteren geeigneten Seen installiert werden.

Das Monitoring der Seetemperatur soll mit Computer-Simulationen von Seen ergänzt werden, bei denen keine oder nur wenige Messdaten vorliegen. Daraus werden Empfehlungen abgeleitet, wie ein Seetemperatur-Monitoring in der Schweiz möglichst kostengünstig aufgebaut und betrieben werden kann.


Wo kann man die Daten und Messergebnisse sehen?

Die Daten werden laufend übertragen und sind im Internet einsehbar. Die Temperaturprofile sowie ausgewählte Temperaturganglinien der Seeoberfläche und am Seegrund werden auf der Projektseite der Eawag sowie auf der BAFU-Website publiziert.

Wassertemperatur des Hallwilersees

Wassertemperaturen der Seen

Zustand der Gewässer: Wassertemperaturen der Seen in Echtzeit

Bild: Temperatur des Hallwilersees anfangs September 2022


Wie kann man die Daten beziehen?

Über die Detailansicht auf der Eawag-Seite «Datalakes» können sämtliche erhobenen Daten und Grafiken heruntergeladen werden. Ausserdem ist es möglich, die Darstellungen und Daten via iFrame oder API in andere Internetseiten einzubinden.


Wann ist mit ersten Resultaten zu rechnen?

Das Pilotprojekt für Murten-, Hallwiler- und Aegerisee läuft bis im Jahr 2024. Bis dahin werden die Messdaten laufend ausgewertet und die Erfahrungen mit den eingesetzten Messsystemen in einem Schlussbericht zusammengefasst. Die erhobenen Temperaturdaten sind jederzeit einsehbar. Die Projektleitenden und Wissenschaftler stehen in regelmässigem Austausch mit den beteiligten kantonalen Fachstellen, sodass erste Erkenntnisse laufend auch in die Praxis einfliessen können. Nach dem Projektabschluss wird das BAFU entscheiden, ob das Monitoring weitergeführt und ausgeweitet wird.

Weiterführende Informationen

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Letzte Änderung 14.11.2022

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