Bei hoher Intensität können niederfrequente elektrische und magnetische Felder Nervenenden stimulieren (und vom Menschen gespürt werden), Muskelzellen, (insbesondere den Herzmuskel), anregen oder Netzhautzellen und Phosphene stimulieren. Bei niedrigeren Intensitäten gibt es Beobachtungen von biologischen oder gesundheitlichen Auswirkungen mit unterschiedlichem Evidenzgrad.
- 1. Unterscheidung der Wirkungen nach Intensität, Evidenzgrad und gesundheitlichen Folgen
- 2. Reizwirkungen: Auswirkungen auf Nerven- und Zellleitung
- 3. Indirekte Wahrnehmung elektrischer und magnetischer Felder
- 4. Andere Effekte, die bei geringeren Intensitäten auftreten können
- 5. Erhöhtes Risiko für Leukämie bei Kindern?
1. Unterscheidung der Wirkungen nach Intensität, Evidenzgrad und gesundheitlichen Folgen
Niederfrequente elektrische und magnetische Felder können bei hoher Intensität Reizwirkungen hervorrufen. Als Reizwirkungen bezeichnet man das ungewollte Auslösen von Nervenimpulsen oder Muskelkontraktionen durch elektrische Ströme, die durch starke elektrische oder magnetische Felder im Körper ausgelöst werden, bei Intensitäten, die in der Umwelt normalerweise nicht auftreten.
Bei geringeren Intensitäten wurden in wissenschaftlichen Experimenten andere Wirkungen beobachtet, deren Belege unterschiedlich stark sind. Zu diesen Effekten gehören mögliche Beeinflussungen des Verhaltens, der Lernfähigkeit, des Hormonsystems oder des Zellstoffwechsels. Diese Effekte konnten in Versuchen mit Zellkulturen, Tieren oder Menschen festgestellt werden. Die Bedeutung dieser Effekte für die Gesundheit des Menschen ist jedoch noch unklar und muss weiter untersucht werden.
Ausserdem besteht der Verdacht, dass ein Zusammenhang zwischen langfristiger Exposition gegenüber Magnetfeldern von niedriger Intensität und Krebs bestehen könnte. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) klassifizierte niederfrequente Magnetfelder im Jahre 2001 als «möglicherweise krebserregend für den Menschen», Gruppe 2B.
2. Reizwirkungen: Auswirkungen auf Nerven- und Zellleitung
Sehr starke elektrische und magnetische Felder – so intensiv, wie sie in der Umwelt normalerweise nicht vorkommen – sind für Menschen aber erwiesenermassen schädlich. Sie erzeugen im menschlichen Körper elektrische Ströme, welche bei Nervenzellen fehlerhafte Impulse auslösen und Muskeln zu ungewollter Kontraktion veranlassen können. Besonders riskant wird es, wenn sich der Herzmuskel verkrampft: Das so genannte Herzkammerflimmern ist lebensgefährlich.
Diese Effekte auf Nerven- und Muskelzellen werden Reizwirkungen genannt. Sie treten kurzfristig auf und sind wissenschaftlich eindeutig bewiesen. Diese Effekte bilden die Grundlage für internationale Grenzwerte. In der Schweiz sind dies die Immissionsgrenzwerte der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV). Wenn diese eingehalten werden, treten die Auswirkungen nicht auf.
Ein magnetisches Wechselfeld mit hoher Intensität kann indirekt wahrgenommen werden. Es kann auf der Netzhaut des Auges eine Sinnestäuschung auslösen, die wir als Lichtblitze (sog. Phosphene) sehen. Diese Effekte können zwar als Belästigung empfunden werden, gefährden jedoch unsere Gesundheit nicht.
3. Indirekte Wahrnehmung elektrischer und magnetischer Felder
Bei hoher Intensität kann der Mensch elektrische oder magnetische Felder über Nerven-, Muskel- oder Netzhautstimulation direkt wahrnehmen.
Felder niedrigerer Intensität können unter Umständen indirekt wahrgenommen werden.
Manche Menschen verspüren zum Beispiel ein Kribbeln auf dem Kopf, wenn sie unter einer Hochspannungsleitung durchgehen. Das elektrische Wechselfeld der Leitung vermag die Haare in Vibration zu versetzen, was als Prickeln oder Kribbeln empfunden wird.
4. Andere Effekte, die bei geringeren Intensitäten auftreten können
Verschiedene Studien zeigen biologische Effekte, die durch niederfrequente Felder mit einer Intensität deutlich unterhalb der internationalen Grenzwerte ausgelöst werden
In Experimenten mit Tieren wurden Veränderungen in der Leistung bei Tests des räumlichen Gedächtnisses sowie ängstlicheres Verhalten und ein erhöhtes Stressniveau festgestellt. Ausserdem konnte in grossen Rattenstudien gezeigt werden, dass sich mehr bösartige Tumoren entwickelten, wenn die Tiere zusätzlich zu schwacher radioaktiver Strahlung oder zu Formaldehyd im Trinkwasser mit einem Magnetfeld belastet wurden. Die Wirkung nahm mit der Feldintensität zu.
Als weitere Wirkung von niederfrequenten Magnetfeldern einer Stärke im Bereich des Immissionsgrenzwerts wurden in Zellexperimenten genotoxische und andere Effekte wie Veränderungen des Wachstums und des Stoffwechsels von Zellen beobachtet.
Obwohl für diese Wirkungen ein hoher Evidenzgrad besteht, sind die dahinterstehenden Mechanismen noch weitgehend unbekannt. Ebenso lässt sich beim heutigen Kenntnisstand nicht sagen, ob und unter welchen Bedingungen sie ein Gesundheitsrisiko darstellen.
5. Erhöhtes Risiko für Leukämie bei Kindern?
Ein weiterer Weg, mehr über allfällige Gesundheitsauswirkungen zu erfahren, sind epidemiologische Studien. Seit 1979 wurden in verschiedenen Ländern epidemiologische Studien durchgeführt, um herauszufinden, ob niederfrequente Magnetfelder die Entstehung oder Entwicklung von Krebs begünstigen.
Es zeigte sich dabei immer wieder, dass ab einer Langzeit-Magnetfeldbelastung von durchschnittlich 0,4 Mikrotesla möglicherweise ein doppelt so hohes Risiko für Leukämie (Blutkrebs) bei Kindern besteht. Dies bewog die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) im Jahre 2001 dazu, die niederfrequenten Magnetfelder als möglicherweise kanzerogen für den Menschen einzustufen (Gruppe 2B). Die IARC erachtet es demnach als möglich, jedoch nicht als wahrscheinlich oder bewiesen, dass schwache, niederfrequente Magnetfelder ein Krebsrisiko darstellen.
Was würde ein doppelt so hohes Kinderleukämie-Risiko bedeuten?
In der Schweiz erkranken pro Jahr rund 70 Kinder neu an Leukämie, was etwa 5.8 von 100’000 Kindern entspricht.
Selbst wenn Magnetfelder das Kinderleukämie-Risiko also tatsächlich erhöhten, was bisher nicht bewiesen ist, hätte ein wenig exponiertes Kind ein jährliches Risiko von ca. 5.7 von 100'000, an Leukämie zu erkranken. Das Risiko eines stark exponierten Kindes läge demnach bei etwa 11.4 von 100'000 . Aus diesem Grund verlangt die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) vorsorgliche Massnahmen zur Verringerung der Magnetfelder in der Umgebung von Hochspannungsleitungen und Transformatorenstationen. Für neue solche Anlagen legt die NISV einen so genannten Anlagegrenzwert fest. Dieser beträgt 1 Mikrotesla bei voller Anlagenauslastung und muss an Orten mit empfindlicher Nutzung (z.B. Wohnungen, Schulen, Spitäler, Büros, Kinderspielplätze u.a.) eingehalten werden.
Der Vergleich mit dem Anlagegrenzwert
Während es sich bei der Verdachtsschwelle von 0,4 Mikrotesla aus den epidemiologischen Studien um eine zeitlich gemittelte Belastung handelt, bezieht sich der Anlagegrenzwert auf die volle Auslastung einer Anlage. Dies bedeutet, dass der Grenzwert eingehalten werden muss, wenn die Hochspannungsleitung oder die Transformatorenstation voll ausgelastet sind. Der Stromfluss durch eine Hochspannungsleitung oder eine Trafostation variiert jedoch stark über die Zeit. Daher liegt die über die Zeit gemittelte Magnetfeldbelastung deutlich unter der Spitzenbelastung.
Dokumente
Niederfrequente Magnetfelder und Krebs
Letzte Änderung 18.10.2024