Klimawandel

Sind Extreme das neue Normal? Im Alpenraum ist die Erwärmung seit dem späten 19. Jahrhundert im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt rund doppelt so stark angestiegen. Die Schweiz ist von den Auswirkungen des Klimawandels besonders betroffen. Dies wirkt sich auf verschiedenste Bereiche der Gesellschaft und Natur- und Kulturräume der Schweiz aus. Beobachtungen zeigen, dass der Klimawandel bereits heute die Naturgefahrensituation beeinflusst. Der Bund trifft verschiedene Massnahmen.

Bisher beobachtete Veränderungen des Klimas in der Schweiz

Beobachtete Veränderungen DE
© National Centre for Climate Services NCCS

In den Klimaszenarien CH2018 werden bisher beobachtete Veränderungen der wichtigsten Klimaindikatoren folgendermassen zusammengefasst:

Seit 1864 sind die bodennahen Lufttemperaturen um ungefähr 2°C gestiegen. Dadurch hat sich die Vegetationsperiode seit den 1960er-Jahren um zwei bis vier Wochen verlängert und die Null-Grad-Isotherme ist seitdem um 300 m - 400 m gestiegen. Auf 2000 Meter über dem Meer hat die Anzahl Tage mit Schneefall pro Jahr seit 1970 um 20 % abgenommen. Unterhalb von 800 Meter über dem Meer schneit es heute nur noch halb so oft wie damals.
Ausserdem hat die Intensität der höchsten Tagesniederschläge eines Jahres in den letzten 100 Jahren im Durchschnitt um rund 10 % und die Häufigkeit starker Niederschläge um rund 26 % zugenommen.

Die Jahres- und Saisonniederschläge haben sich seit Messbeginn nicht signifikant verändert. Nur die Winterniederschläge auf der Alpennordseite haben in den letzten 100 Jahren um 20 % zugenommen.

Die Klimaszenarien CH2018 beschreiben auch, wie sich unser Klima bis Mitte dieses Jahrhunderts und darüber hinaus verändern kann.

Temperatur: Die Höchsttemperaturen im Sommer werden stärker zunehmen als die mittlere Sommertemperatur. Mitte Jahrhundert könnte der heisseste Tag je nach Landesteil um +2 °C bis +5.5°C wärmer sein als heute. Mit der Maximaltemperatur nimmt auch die Zahl der Hitzetage zu (≥ 30 °C). Die Nullgradgrenze könnte bis Mitte dieses Jahrhunderts von heute 850 Meter auf bis zu knapp 1500 Meter über Meer steigen.

Starkniederschlag: Künftig werden Stark- und Extremniederschläge häufiger und intensiver auftreten. Es betrifft alle Jahreszeiten, aber besonders den Winter. Im Sommer werden trotz abnehmender Regenmenge einzelne Niederschlagsereignisse stärker. Bis Mitte Jahrhundert ist mit einer Zunahme der Intensität des hundertjährlichen Niederschlags um 10 bis 20 Prozent zu rechnen. Durch den Anstieg der Schneefallgrenze wird im Winter mehr Niederschlag als Regen und nicht als Schnee fallen, was zur einer längeren Hochwassersaison (Frühjahr und Herbst) führt.

Seltene, langanhaltende Wetterlagen sind für grossräumige Hochwasser verantwortlich. Aufgrund des seltenen Auftretens ist bisher keine statistische Analyse möglich und Klimamodelle liefern keine einheitlichen Ergebnisse bezüglich Veränderungen.

«Im Zuge der globalen Erwärmung verschiebt sich das Klima vieler Städte um Hunderte von Kilometern nach Süden. Bern macht eine klimatische Reise nach Norditalien/Mailand.»
Jean-François Bastin, Forscher für Ökosystem-Ökologie am Crowther Lab der ETH Zürich.

Auswirkungen des Klimawandels auf die Naturgefahren

Die Risiken durch Naturgefahren in der Schweiz vergrössern sich vor allem durch die Zunahme von Infrastrukturwerten und Siedlungserweiterungen in Gefahrengebiete. Aufgrund des Klimawandels ist künftig aber auch mit häufigeren und intensiveren Extremereignissen zu rechnen. Naturgefahren werden vermehrt in Gebieten und zu Jahreszeiten vorkommen, die bisher von Schadenereignissen verschont geblieben sind.

© ky

Kurz zusammengefasst werden folgende Auswirkungen des Klimawandels auf die Naturgefahren erwartet:

Wasser

  • Zunahme und Verstärkung der kurzen/intensiven Niederschlagsereignisse, mit Auswirkung auf lokale Hochwasser und Oberflächenabfluss. Aussagen bezüglich Trends zu langanhaltenden Niederschlägen liegen noch nicht vor.
  • Zunahme der Erosion und der Sedimentproduktion, aufgrund von Temperaturerhöhung und Veränderungen im Periglazial.

Rutschung

  • Veränderungen vor allem in den Bereichen der Vegetationsbedeckung und der Hydrogeologie.
  • Aufgrund der Zunahme der kurzen/intensiven Niederschlagsereignisse können Rutschungen und Hangmuren vermehrt auftreten.

Sturz

  • Veränderungen vor allem in den Bereichen des Permafrosts und des Frostwechsels.
  • Abnahme des Permafrosts. Gletscherrückzug destabilisiert und führt zu mehr Sturzereignissen.
  • Frostwechsel tritt länger (zeitlich) und häufiger (räumlich) auf und verursacht die Zunahme von Sturzereignissen.

Lawine

  • Veränderungen vor allem in den Bereichen der Schneefallgrenze, der Schneemenge und des Schneedeckenaufbaus.
  • Bei moderater Klimaänderung gibt es kaum Auswirkungen auf die Lawinenaktivität.
  • Über 3500 m ü. M. wird mehr Schnee akkumuliert, damit sind auch grössere Nassschneelawinen möglich.
  • Zunahme Reichweite von Lawinen (Zunahme regionale Ausbreitung).
  • Unter 2000 m ü. M. Abnahme Schneemenge = Abnahme Lawinenhäufigkeit.

Massnahmen des Bundes zur Anpassung an den Klimawandel im Bereich Naturgefahren

Die Lehren und Erkenntnisse aus den Ereignissen der letzten Jahrzehnte bilden die Grundlage für die aktuellen Gesetze und die von der Nationalen Plattform Naturgefahren PLANAT formulierte Strategie 2018 «Umgang mit Risiken aus Naturgefahren», welche die Anpassungsfähigkeit der Schweiz als eines ihrer vier Ziele nennt.

Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz - Erster Teil der Strategie des Bundesrates vom 2. März 2012

Cover Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz

Ziele, Herausforderungen und Handlungsfelder. Erster Teil der Strategie des Bundesrates vom 2. März 2012. 2012

In der Strategie des Bundes „Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz" werden folgende Handlungsschwerpunkte im Bereich Naturgefahren beschrieben:

Zunahme des Hochwasserrisikos

Mit dem Klimawandel könnte im Winter das Hochwasserrisiko wegen der Zunahme der Niederschläge und des gleichzeitigen Anstiegs der Schneefallgrenze zunehmen. Aufgrund der erwarteten Intensivierung und Häufung der Starkniederschläge muss auch in den übrigen Jahreszeiten mit einer Zunahme des Risikos und vor allem mit grösseren Schäden durch Oberflächenabfluss gerechnet werden. Im Frühling und im Frühsommer kann die Überlagerung von grossflächiger Schneeschmelze und intensiven Niederschlägen die Situation verschärfen. Insgesamt wird sich die Gefährdung von Siedlungen, einzelnen Gebäuden, Verkehrswegen, anderen Infrastrukturen und landwirtschaftlichen Nutzflächen saisonal und regional verändern und akzentuieren.

Abnahme der Hangstabilität und Zunahme von Massenbewegungen

Im Hochgebirge hängt die Stabilität steiler Bergflanken von der geologischen Beschaffenheit, der Hangneigung und den Eisbedingungen ab. Aufgrund der Gletscherschmelze und der Erwärmung des Permafrosts kann es je nach örtlichen Gegebenheiten zu einer Zunahme von Massenbewegungen kommen. Prominente Beispiele dafür sind der verheerende Felssturz 2017 am Pizzo Cengalo im bündnerischen Bergell sowie die grosse Rutschung Moosfluh im Aletschgebiet, die mehr als 150 Millionen Kubikmeter Gesteinsmassen umfasste. In tieferen Lagen steigt das Risiko von Massenbewegungen wegen des Anstiegs der Schneefallgrenze und der Zunahme von Starkniederschlägen. 

Aufnahme des Triftgletschers durch die Deformationskamera
© Geopraevent
Aufnahme des Triftgletschers durch die Deformationskamera im Sommer 2017 vor dem grossen Abbruch am 10. September 2017. Das instabile Gletschergebiet ist in der Bildmitte.                                                                                                            Deformationsanalyse vom 7. September 2017 (drei Tage vor dem Abbruch), berechnet mit speziellen Bildauswertealgorithmen. Violette Flächen zeigen grosse (ca. 40cm/Tag) und hellblaue Fläche sehr grosse (ca. 50cm/Tag) Bewegungen an. 

Wie sich die Permafrostvorkommen entwickeln, untersucht das schweizerische Permafrostmonitoring PERMOS. Das Risiko von Hangrutschungen wird auch in tieferen Lagen durch den Anstieg der Schneefallgrenze und die mögliche Zunahme von Starkniederschlägen erhöht.

Um auf Stufe Bund noch gezielter mit diesen Herausforderungen umzugehen, wurde 2020 der zweite Aktionsplan «Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz: Aktionsplan 2020–2025» verabschiedet. Für den künftigen Umgang mit Naturgefahren wurden Schwerpunkte identifiziert:

  • Monitoring der Gefahrenprozesse sicherstellen
  • Gefahren und Risiken kennen
  • Schutzmassnahmen robust und anpassbar auslegen
  • Raumplanerische Massnahmen risikobasiert umsetzen
  • Naturereignisse erfolgreich bewältigen
  • Naturgefahrenbewusstsein, Weiterbildung und Forschung im Bereich Naturgefahren stärken
  • Bedeutende Ereignisse und den Umgang mit den Risiken aus Naturgefahren analysieren

Der Schutz vor Naturgefahren wird in der Schweiz bereits umfassend durchgeführt. Je nach Situation werden raumplanerische, organisatorische, bauliche und biologische Massnahmen bestmöglich kombiniert. Vor dem Hintergrund des Klimawandels müssen bestehende Konzepte und Massnahmen bezüglich der sich ändernden Gefahrensituation überprüft und entsprechend angepasst werden. Der Bund wird gemeinsam mit den Kantonen Leitlinien erarbeiten, die den Umgang mit dem Klimawandel in der Gefahren- und Risikobeurteilung und in der Massnahmenplanung weiter präzisieren, um gemeinsam ein transparentes, systematisches und prozessspezifisches Vorgehen zu ermöglichen.

Pilotprogramm

Das Klima wird sich in den kommenden Jahrzehnten weiter verändern. Wir müssen uns an neue Bedingungen anpassen. Der Bund betreibt dazu seit 2013 das Pilotprogramm «Anpassung an den Klimawandel».
2019 startete bereits die zweite Programmphase, welche 50 Projekte zu sechs Themen umfasst. Im Bereich Naturgefahren werden sechs Projekte umgesetzt. An der Umsetzung der Projekte sind über 500 Personen aus staatlichen und privaten Organisationen beteiligt. Die Resultate der verschiedenen Projekte liegen weitestgehend vor. Im Laufe des Jahres 2022 werden die Ergebnisse der Projekte in einem Synthesebericht veröffentlicht.

Pilotprogramm Kurzfilme veranschaulichen Strategien zum Schutz vor Naturgefahren

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Letzte Änderung 30.03.2023

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